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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Effmann, Wilhelm: Frühmittelalterliche Inschriftensteine zu Dottendorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0216

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329

1901.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 11.

330

hat,16) halte ich es nicht für zutreffend,
wenn lediglich auf Grund der angeführten
Kriterien einem Stein der Charakter eines Me-
moriensteines verliehen wird.17) Es sind zu-
nächst Erwägungen allgemeiner Art, die zu
Bedenken Anlafs geben. Wenn Braun meint,
dafs die Steininschriften einem offenen Buche
gleich von Jedermann in der Gemeinde ge-
lesen wurden, so halte ich dafür, dafs diesem
Moment jegliche Beweiskraft mangelt. Man
wird vielmehr mit einer ungleich höheren
Sicherheit die Behauptung aufstellen können,
dafs im IX., X. und XI. Jahrh., welcher Zeit
die „Memoriensteine" zugeschrieben werden,
es in Dottendorf z. B. neben dem Pfarrer
kaum noch Jemand gegeben habe, welcher die
lateinische Sprache mitsammt der römischen
Datirungsweise beherrschte. Von den ganz
armen Leuten, und
solche sind in den
Alm osenempfängern
doch ausschliefslich zu
erblicken, wird wohl
kaum einer die Kunst
des Lesens verstanden
haben.

Dafs die Steine bis
in's XI. Jahrh. hinein
die Stelle der geschrie-
benenNekrologien ver-
treten haben, und „ihr
Wegfall als eine selbst-
verständliche Folge der Einführung geschrie-
bener Nekrologien" zu erachten sei, ist eine
Annahme, die namentlich dann Anlafs zu
Einwänden bietet, wenn solche Steine, wie
aus'm Weerth ferner meint, in einer „noth-
wendig vorauszusetzenden hohen Zahl" an-
gebracht gewesen sind.18) Ist es schon wenig
wahrscheinlich, dafs man Steine von so grober
Ausführung und so grofsen Abmessungen, wie
der in Figur 1 wiedergegebene sie zeigt, an
den Innenwänden aufgestellt habe, so er-

Ke. 6.
Malsstab: '/io der natürlichen Grölse.

16) So z.B. bei A I d enkirche n , »Bonner Jahr,
buchet«, Bd. 74, S. 84. Ueber den Zweck dieser Steine
glaubt Kessel »Monatsschrift für rheinisch-west-
fälische Geschichtsforschung« IL Jahrg., (Trier 1876),
S. 458 sogar „kein Wort verlieren zu dürfen".

17) Ich betone, dafs ich hierbei nur an Me.
moriensteine in dem eben bestimmt umschriebenen
Sinne denke.

18) aus'm Weerth »Bonner Jahrbücher« a. a. O.

S. 120.

gibt sich ein weiteres Bedenken in der
Schwierigkeit oder vielmehr Unmöglichkeit,
eine beträchtlichere Anzahl in Gröfse und
Form verschiedenartiger, im Laufe der Zeit
sich stetig vermehrender Steine in der
Reihenfolge der Gedächtnifstage übersichtlich
geordnet anzubringen. Dies war aber doch
unumgänglich, wenn die Steine den Zweck der
Nekrologien vertreten sollten. Man wird des-
halb annehmen dürfen, dafs, wann immer Jahres-
gedächtnisse fundirt worden sind, man auf den
bequemen Anhalt, wie Nekrologien ihn boten,
gewifs nicht verzichtet habe. Es ist auch wenig
wahrscheinlich, dafs die in der Einführung ge-
schriebener Nekrologienbücher erblickte Neue-
rung sich gleich in einer pietätlosen Besei-
tigung alter, kirchliche Fundationen angeblich
festhaltenden Steinurkunden geltend gemacht
haben sollte.

Alle diese Bedenken
fallen dahin, sobald
man nicht mehr ge-
nöthigt ist, in jenen
Steinen, deren Inschrift
sich auf Todestag und
Namen beschränkt,
Memoriensteine zu er-
blicken, sondern auch
an Sargdeckel, an Grab-
steineund endlich auch

an Gedenksteine in
weiterem Sinne denken
darf. Dazu sind wir aber auf Grund ver-
schiedener Anhaltspunkte wohlberechtigt.

Dafs Inschriften der genannten Art auf
Sargdeckeln vorkommen, darüber sind wir
durch eine von Humann gemachte Feststel-
lung unterrichtet. In der Münsterkirche zu
Essen ist anläfslich der Restaurationsarbeiten
der 80er Jahre eine vollständig erhaltene Platte
aufgefunden worden mit der Inschrift:

III, NON(AS) SEPT(EMBRIS) ALBVRC
OB(IIT).

Der in den Ecken mit fächerförmigen Blättern
verzierte Stein mifst 1,26 m in der Höhe; oben
48 cm breit verjüngt er sich nach dem Fufs-
ende zu auf 45 cm. Diese trapezförmige Ge-
staltung ist es, die Humann veranlafst, diese
Platte, die er dem X. oder XL Jahrh. zuweist,
zweifellos als Sargdeckel, mindestens als Grab-
stein und wenigstens nicht als Memorienstein
 
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