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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Schnütgen, Alexander: Entwurf zu einem Flügelaltar hochgotischen Stils
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0033

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Abhandlungen.

Entwurf zu einem Flügelaltar hoch-
gotischen Stils.

Mit Abbild. (Doppeltaf. I u. II).

n Eleganz der Formen und
■ Feinheit der Gliederungen
| übertrifft der Chor von
St. Andreas zu Köln die
meisten Bauwerke der hoch-
^ gotischen Übergangszeit. Sein
^ Barockaltar hatte längst einem
Provisorium Platz gemacht,
und die dadurch mehr in die Erscheinung
gerückten schlanken Fenster sind inzwischen
mit neuen Gemälden versehen worden. —
Unter diesen Umständen erscheint der Wunsch
nach einem neuen Hochaltar berechtigt,
zunächst die Frage nach seiner Gestaltung. —
Die Stelle wird ihm bestimmt durch die alte
einfache aber mächtige Steinmensa, der Auf-
bau durch die Breitenmafse des Chors, wie
durch die Gröfse der tief herunter reichenden
Fenster. Wenn jene einen breiten Flügelaltar
erfordern, dann sind diesem seine Höhen-
verhältnisse angewiesen durch die Fenster-
schmiege, über die nur architektonische Be-
krönungen hinausragen dürften. Aus diesen weni-
gen Berücksichtigungen ergeben sich für die har-
monische Gestaltung die mafsgebenden Gesichts-
Punkte, die dem von Bildhauer Wilhelm Mengel-
r8 ^Tührenden Entwürfe zugrunde liegen.
Die Breitenverhältnisse erfordern für die
Mensa eine Verlängerung, nicht für den Opfer-
üsch selbst, der schon reichliche Dimensionen
hat, sondern für seine Rückmauer, die ohnehin als
Substruktion für den Aufsatz ein unbedingtes
Erfordernis ist. Dafs diese Rückwand, die mit
dem Retabel in Stein auszuführen ist, seit-
wärts in reicher Profilierung erscheint, ist ein
glücklicher Gedanke, nicht minder, dafs diese
Gliederungen sich in der Form an die der be-
nachbarten Pfeiler anschliefsen. Auf diese
Weise verbinden sich Mensa und Retabel zu
einem geschlossenen, einheitlich wirkenden
Unterbau trotz der scharfen, durch die Leuchter-
bank bewirkten Scheidung. — Die Mensa hat
in ihrer unteren und oberen kräftigen Kehle
vollkommen ausreichenden Abschlufs und diese
springt auch von der Stipes stark genug vor,
um dessen Bekleidung mit gravierten Metall-
P'atten zu gestatten. Für diese sind in kräf-
tigster Linienführung als Darstellungen vorge-

sehen: die von Prophetenfiguren flankierte
Grablegung, das Opfer Melchisedechs und die
eherne Schlange. — Für die Predella, deren
Tabernakelgewände aus Marmor zu bilden wäre,
als Einfassung für die gleichfalls in gravierten
Messingtafeln bestehenden Türen, sind Pro-
phetenbrustbilder als Reliefs vorgeschlagen,
und eine kräftige Wulstdeckleiste von Marmor
schliefst den Sandstein-Unterbau ab. — Für den
Aufsatz, der ganz in Holz gedacht ist, emp-
fehlen sich flache Nischen mit Reliefbildern
unter mächtigen, reich entwickelten Baldachinen.
Am nächsten liegen hier in der einem Apostel
gewidmeten Kirche die thronenden Figuren
der Zwölfboten. Sollten sie aber durch den
Umstand beanstandet erscheinen, dafs sie be-
reits in den Fenstergemälden dargestellt sind,
so könnte auch aus den zahlreichen sonst
hier in Frage kommenden Heiligen eine Aus-
wahl getroffen werden in derselben Anordnung.

— Die Expositionstüren, die mit dem Wunsche
motiviert sein mögen, dafs diese Nische zu-
gleich als Aufbewahrungsort für die grofse
Monstranz diene, können mit Metallgruppen,
wie mit Hinterglasmalereien bekleidet werden;
der weithin wirkende wuchtige Baldachin mit
seiner Pelikanbekrönung findet nicht nur in
dem kräftigen Wulstrahmen, sondern auch in den
Flankierpfeilern die von ihm verlangten Substrate.

— Dafs der den Mittelpunkt des Aufsatzes bilden-
de, ausdem Retabel folgerichtig sich entwickelnde
Mittelturm so bald seinen aus Fialen sich auf-
bauenden Abschlufs findet, ist durch die Not-
wendigkeit begründet, das Mittelfenster in seinen
figürlichen Partien frei zu lassen; die seitlichen
Baldachine, die mit den Ecksäulen so dekorativ
wie konstruktiv das Abrundungsbild der Be-
krönung vollenden, haben an den Pfeilergliede-
rungen einen vortrefflichen Hintergrund. — Auf
den Aufsenseiten der Flügel könnten, von
flachem Schnitzwerk bekrönt, gemalte Szenen
zur Darstellung gelangen, etwa aus dem Leben
des hl. Andreas; wenn Doppelflügel angebracht
werden sollten, auch aus dem Leben des
hl. Apostels Paulus, dessen Titelkirche zum
alten Stift gehörte. — Auf diesem Wege würde
in dem hohen Chore, dessen Tiefe erst recht
Reichtum und Mannigfaltigkeit der Wirkung
fordert, der neue Hochaltar in seiner ernsten
Gruppierung und ruhigen Majestät die Aufgabe
erfüllen, deren Lösung einen durchaus erfahrenen
Künstler verlangt. Schnütgen.
 
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