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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Schmid, Andreas: Kunstsymbolik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0230

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361

1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUXST — Nr. 12.

362

Kunstsymbolik.

B^^gSils gibt mitunter Geistliche, Künstler
f üAtXjsi und vor allem Baubeamte, welche
hy$§ljjy symbolische Darstellungen an kirch-
~ "I liehen Gebäuden, Gefäßen und
Geräten mit einem stillschweigenden Lächeln
und Achselzucken betrachten, z. B. wenn die
Polychromie in Kirchen durch den Hinweis
auf die Farben im himmlischen Jerusalem be-
gründet wird. Es möge nun im folgenden kurz
die Berechtigung, die Arten und die
Grenze der kirchlichen Symbolik hervorge-
hoben werden.

1. Es darf wohl als überflüssig betrachtet
werden, das Wort symbolisch und den Unter-
schied zwischen Symbol und Symbolik eigens
zu besprechen; die deutsche Sprache hat nicht
unpassend das Wort Sinnbild. Wer den sinn-
bildlichen Charakter der christlichen und kirch-
lichen Kunst verneinen will, hat die Stelle im
Römerbriefe 1, 20 noch nicht genug beherzigt,
in welcher der Apostel Paulus lehrt: „Das
Unsichtbare an Gott ist seit Erschaffung der
Welt in den erschaffenen Dingen kennbar und
sichtbar, nämlich seine ewige Kraft und Gott-
heit." Das Universum ist demnach ein
Bilderbuch, ein Anschauungsunterricht zur
Kenntnis des Schöpfers selbst. In Gott besteht
Einheit des Wesens und eine Dreifaltigkeit der
Personen. Diese Proprietäten Gottes müssen
sich auch in den geschaffenen Dingen zeigen
und finden sich wirklich; denn wie ist es
sonst erklärbar, daß in den Knochen der
menschlichen Hand sowie in den Zweigen der
Bäume und sogar in jedem Baumblatte das
Gesetz 3 : 2 sich befindet: die Zahl 3 symboli-
siert die Einheit, 2 Vater und Sohn und das
letzte Drittel den hl. Geist, welcher vom Vater
und Sohn ausgeht. Wer erklärt ohne Annahme
dieses ewigen Gesetzes, daß in der Malerei
neben Licht (Weiß) und Schatten (Schwarz)
nur 3 Grundfarben bestehen? Alle Harmonien
eines Palästrina, Mozart und Richard Wagner
bauen sich auf dem Dreiklang auf, welcher in
einer unendlichen Reihe von Umkehrungen
sich immer wieder findet. Kardinal Bellarmin,
in seiner Himmelsleiter, Bischof Galura in
seinen Betrachtungen, Bouillerie in seinen Sinn-
bildern, Bridgewater in verschiedenen veran-
laßten Schriften, König, Köstlin, Weber Joseph
Michael (1899) haben die Spuren, welche Gott
der äußern Natur eingedrückt hat, weiter ver-
folgt und dargelegt.

Wer eine ideale Weltanschauung festhalten
will, muß auch der Kunst das Recht auf
symbolischen Inhalt zuerkennen. Christus
selbst bedient sich in seinen Reden sehr oft
bildlicher Sprache und redet von einem Abend-
mahl, von Talenten, Arbeitern im Weinberge
und wird auf solche Weise Begründer der
kirchlichen Symbolik; denn die Mittel der
redenden Kunst müssen auch der plastischen
gegönnt sein. In Jonas ist ein Vorbild der
Auferstehung Christi, im ganzen alten Testament
ein Schatten des neuen,1) im Vorhang des
jüdischen Tempels das Fleisch Christi zu er-
blicken2) usf.

Wie unbiblisch ist es also, alle symbolische
Sprache aus der Kunst verbannen zu wollen!
Ein römisch-katholischer Kult ist gar nicht
ohne Symbolik zu denken. Sobald ein Priester
nur die Hände faltet, hat er schon in den ge-
kreuzten Daumen das Kreuz Christi vor Augen
und ebenso, wenn er sie bei der Oration aus-
breitet, ahmt er Christum den Gekreuzigten
nach.3) Steht er bei den Orationen, so zeigt
er sich als den Mittler zwischen Gott und den
Menschen und macht er eine Kniebeugung, so
bekennt er seine Demut und seine Verehrung.
Es wird kaum möglich sein, ohne Akkommo-
dation, d. h. ohne Symbolik nur ein einziges
Meßformular zu erklären; sogar der gewöhn-
liche Tischsegen Mensae coelestis —Ad coenam
— spricht schon einen höhern symbolischen
Gedanken aus. Niemand, welcher von diesem
Geiste der Liturgie durchdrungen ist, findet es
fremdartig, daß dem Hahne auf der Spitze des.
Kirchturms bis herab zum Grundsteine, ja allen
Teilen des Gebäudes ein symbolischer geheimer
Gedanke innewohnt.

Schon die Heiden kannten die symbolische
Sprache der Kultgebäude. Vitruv, ein Architekt
zur Zeit Christi, gibt in seinem Werke de
architectura4) an, der dorische Baustil gebühre
den kriegerischen Gottheiten, der Minerva,
dem Mars, Herkules; der korinthische eigne
sich für die lockern Gottheiten Venus, Flora,
Nymphen und der jonische den ernsten Göt-
tern wie Juno und dem Vater Liber. Wie schön
stimmt diese Symbolik zum Charakter der ein-
zelnen Stile! Auch den Werken der Plastik

') Hebr. 8, 5.

2) Hebr. 10, 20.

s) Tertul). de orat. c. 14.

*) Lib. I c. 2.
 
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