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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Kleinschmidt, Beda: Der mittelalterliche Tragaltar, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0040

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1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

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oder von Salome bedient,12S) Joseph sitzt zu-
schauend dabei. Darauf die Anbetung der
Weisen. Diese drei Darstellungen werden von-
einander getrennt durch minaretartige Mauern,
an deren Fufs ein Wächter mit Schild und
Lanze dargestellt ist. Die erste Schmalseite
zeigt die Kreuzigung in bekannter romanischer
Weise, die zweite Langseite bringt nur zwei
Szenen zur Anschauung: die Auferstehung
Christi oder vielmehr die Frauen am Grabe
und die Wächter am Boden und ferner der
Auferstandene inmitten der zwölf Jünger, von
denen Petrus mit erhobenen Händen vor ihm,
fünf andere neben ihm knien. Die zweite
Schmalseite endlich zeigt den Heiland, wie er
in einer Mandorla von vier Engeln in den
Himmel getragen wird, so dafs die ganze Heils-
geschichte durch die Elfenbeinreliefs in kür-
zester Form zur Darstellung gelangt. Aufser
diesen Reliefs hat das Portatile auf dem obern
Rande und an den seitlichen Abschrägungen
als Schmuck noch vergoldete Silberstreifen, deren
Blattornament durch Stempel hergestellt wurde.
Dieses Osnabrücker Altärchen bildet eine
schöne Arbeit aus dem Ende des XL oder
dem Anfange des XII. Jahrh. Es scheinen
dem Künstler für seine Hautreliefs ältere
Vorbilder vorgelegen oder vorgeschwebt zu
haben. Lebhaftigkeit der Bewegung, gefällige
Draperie der Gewandung, gute Modellierung
der Figuren läfst sich nicht verkennen.
Durch die Vortrefflichkeit der leider sehr abge-
schliessenen Reliefs erinnert es an das zweite
Darmstädter Portatile, durch die Wahl der
Sujets an das erste Melker Portatile.129)

1<8) Vergl. Schmid, »Darstellung der Geburt
Christi in der bildenden Künste (Stuttgart 1890),
S. 38 ff.

1J9) Abb. bei Berlage in den »Mitteilungendes
histor. Vereins zu Osnabrück« XI, (1878), Taf. V,
S.3l3ff. Schrieven, Dom von Osnabrück« (1901)
55 f. Rohault de Fleury, pl. 351. Vergl. ferner
Renard, »Die kunsthistorische Ausstellung zu Düssel-
dorf« (1902), S. 23. Die von Schrieven gebrauchte
und von Renard akzeptierte Bezeichnung „Opfer-
Reliquiar" ist durch die Darstellungen auf dem
Deckel nicht gerechtfertigt, denn zahlreiche, man
möchte fast sagen, alle Tragaltäre sind in dieser
Weise ausgestattet. Dafs die Arbeit aber ursprüng-
lich ein Tragaltar und nicht ein Reliquiar war, wie
man geglaubt hat, dürfte nicht zweifelhaft sein, trotz
des Bergkrystalles, den Neumann (a. a. O. 125) als
Hornplatte bezeichnet. Ein zweites von Rohault de
Fleury als Tragaltar verzeichnetes und abgebildetes
Monument (bei Schrieven S. 61, Berlage Tafel V) hat
nur die Form eines Portatile, war aber wohl seit

Geringere Bedeutung haben die beiden
heute noch im Domschatze von Hildes-
hejm aufbewahrten Schreinaltärchen, die uns
an die durch St. Bernward hervorgerufene
oder vielmehr zur Blüte gebrachte Kunstschule
erinnern. Das ältere (25 X 14 X 7 cm) hat
einen oblongen Serpentinstein, der von einer
im XVIII. Jahrh. erneuerten Metallplatte mit
Gravierungen (Bischof Bernward, Godehard,
Epiphanius, Muttergottes) eingefafst ist. Jede
Langseite ist durch vier emaillierte Stäbe in
fünf, jede Schmalseite durch zwei Stäbe in
drei quadratförmige Felder eingeteilt, worin
Elfenbeinreliefs mit den Halbfiguren Christi,
nebst acht Aposteln, sowie der Mutter Gottes
zwischen vier Engeln angebracht sind; zwei
der Engel tragen herzförmige Gefäfse in den
Händen. Der Wert der Reliefs ist nicht hoch
anzuschlagen, es sind lebenslose, schematische
Gestalten (Abb. 4 u. 5).

Die erwähnten trennenden Stäbchen (von
1 cm Breite) verdienen Beachtung wegen der
Verbindung von Zellen- und Grubenschmelz.
In den Fond von blauem Schmelz sind näm-
lich Vierpafsrosen in der Technik des Zellen-
schmelzes eingelassen. Diese Verbindung von
Gruben- und Zellenemail hat man bisher als
charakteristisch für die Zeit des Überganges
zur Technik des email champleve' angesehen,
sie begegnet uns wiederholt an Arbeiten des
XII. und XIII. Jahrh., z. B. am Karlsschrein
zu Aachen, am Dreikönigschrein zu Köln,
indes steht nach v. Falke dieses gemischte
Email nicht in der Mitte, sondern am Ende der
deutschen Schmelzkunst.lso) Unser Portatile
dürfte der zweiten Hälfte des XII. Jahrh. an-
gehören, darauf deuten die Haltung und Ge-
wandung der Reliefs.

Das zweite Hildesheimer Altärchen
(30X18X14 cm mit Füfsen) hat als Altar-
stein einen weifsen von roten Adern durch-
zogenen Marmor (Abb. G). Beachtenswert ist
die untere Platte. Sie ist aus Kupfer und mit

seinem Ursprünge Reliquiar. — Die Abbildungen der
Hildesheimer Monumente erfolgt nach Photographien
von F. H. Bödeker (Hildesheim), welcher dieselben
für diesen Zweck zur Verfügung stellte.

HO) Vergl. Bock, »Byzantinische Zellenschmelze«
(1896) 186. Über die Verbindung von Gruben, und
Zellenschmelz Garnier, »Histoire de la verrerie et
de l'6mail« p. 401 ss. und jetzt besonders v. Falke
und Frauberger, »Deutsche Schmelzarbeiten«,
S. 18.
 
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