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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Schnütgen, Alexander: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf 1902, [23]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0066

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1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

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ausgeführte silberne Reliquiar, 28 cm hoch,
dessen sechsseitiger Fufs ringsum die birn-
förmigen Pässe, direkt am Boden anfangend
die in Vierpässen durchbrochene Galerie
zeigt und auf einem derselben ein emailliertes
Silberwappen in rundem Rahmen mit der
roten Emailschrift: en agnes va herpen geradere.
Die Galerie ist sehr durchsichtig, der kleine
Knauf mit sechs blau emaillierten runden
Pästchen geschmückt. Von dem Schaftab-
schlufs am Fufs des kleinen Trichters zweigen
in eigentümlicher architektonischer Lösung, wie
sie nur dem Goldschmied zusteht, vier lang-
gezogene, stark aus-
geschnittene Treib-
blätter ab, in Rosetten
mündend als die Trä-
ger von vier Strebe-
pfeilern , die dem
eigenartigen Aufbau
eine breite achteckige
Form verleihen. Zwi-
schen ihnen liegt quer,
etwas versteckt, ein
runder Bergkristallzy-
linder, der unten von
dem Trichterchen ge-
tragen, in der Mitte
von zwei Bändern ge-
fafst ist als den Trä-
gern des quadrati-
schen Aufsatzes, eines
Systems von Strebe-
pfeilern, die in einer
vierseitigen Laterne
ihren Abschlufs fin-
den. Der Zylinder,
oben und unten von
ausgezackten Bändern zusammengehalten, hat
als Verschluß je ein ciseliertes Medaillon,
mit sitzender Figur, vielleicht St. Johannes
Baptist und St. Johannes Evang. auf Pat-
in os darstellend, flache Reliefs auf schraf-
fiertem Grund. — Selten kommt an einem
Goldschmiedeerzeugnisse die Architektur in
so reicher Entfaltung und doch so klarer
durchsichtiger Weise, wie in solcher Selbstän-
digkeit zur Anwendung, und es versteht sich bei
dieser Anpassung an die Stilgesetze des Metalls
von selbst, dafs der Entwurf nur vom Gold-
schmiede selbst herrührt. Dieser dürfte am
Niederrhein um die Mitte des XV. Jahrh.
tätig gewesen sein. Schnutgen.

41. Zwei hochgotische Reliquienosten-
sorien der Pfarrkirche zu Gräfrath

(Katalog Nr. 417 und 417 a)
mögen hier abgebildet und kurz beschrieben
werden, weil sie sehr einfach in Aufbau und
Ausstattung, harmonisch in den Verhältnissen
sind, dazu trotz ihrer Ähnlichkeit mannigfache
Verschiedenheiten zeigen. — Beide haben die-
selbe Höhe (29,5 cm), sternförmigen Fufs, sechs-
eckigen Knauf, runden Kristallzylinder, sechs-
seitigen Helm. Bei dem einen (I.) ist dieser nur
durch zwei, beim andern (II.) durch drei Bänder
gehalten, die hier in verzierten, dort in glatten
Streifen bestehend, hier
zwei breite, in Nasen-
form ausgeschnittene,
dort zwei schmale ein-
fach ausgezackte ring-
förmige Bänder mit ein-
ander verbinden. Hier
(II.) wächst aber aus
demselben ein durch

Linien markierter;
krabbenbesetzter, dort
(I.) ein mit Schuppen
versehener glattseitiger
Helm heraus. Ein sil-
bergegossenes vergol-
detes Standfigürchen
der Gottesmutter aus
der zweiten Hälfte
des XIV. Jahrh. be-
krönt den einen (IL),
ein etwas älteres elfen-
beingeschnitztes,
sitzendes Madönnchen
den anderen (L). Im
Silber ist dieses (I.)
Ostensorium belassen bis auf die durch Ver-
goldung betonten Profile, Knauf und Auf-
satz, während jenes (II.) ganz vergoldet ist.
— Sehr lehrreich sind diese Verschieden-
heiten, namentlich die in der Anzahl der
Verbindungsstreifen von Trichter und Helm
bestellenden, die bis zu vier-, ja bis zu sechs-
facher Wiederholung sich steigern. In der spät-
mittelalterlichen Goldschmiedekunst spielen sie
bei diesen die Regel bildenden turmartigen
Gefäfsen, besonders auch bei den Monstranzen,
in Form von öfters sehr reich entwickelten
Strebepfeilern eine grofse Rolle, zur architek-
tonischen Gestaltung und Gliederung derselben
so vieles beitragend. Schnutgen.
 
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