Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

DOI Artikel:
Justi, Carl: Raphaels heilige Cäcilia
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0098

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
143

1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

144

tragenen Konfessionen bringt er die Vorgänge
bei seiner Bekehrung in Verbindung mit der
kurz vorher erfolgten Einführung des Kirchen-
gesangs in Mailand. Es sind diese Hymnen
und Gesänge, die durchs Ohr einströmend,
die göttliche Wahrheit in sein Herz filtrieren:
durch die musikalische Erregung hat die
Gnade sein Herz erweicht.2)

* *

*

Zum Schlufs noch ein Wort über den
Kupferstich der hl. Cäcilia von Marcantonio
Raimondi, in dem uns eine frühere, viel-
leicht nicht die erste, aber wohl die dem Ge-
mälde unmittelbar vorhergehende Gestalt der
Komposition Raphaels erhalten ist. Raphael
gehörte zu den Malern, die zu einer be-
friedigenden, ganz ihrem Genius gemäfsen Fas-
sung ihrer Entwürfe, erst in mehr oder weniger
Versuchen durchdringen. Daher sind seine
Skizzen keineswegs immer (wie bei andern
Künstlern) der deutlichste, der prägnanteste
oder schärfste Ausdruck seiner Idee.

In jenem Blatt des römischen Kupfer-
stechers sind die fünf Personen zwar bereits
in derselben Reihenfolge aufgestellt, aber die
innere Verbindung ist mangelhaft, die Stel-
lung zum Teil weniger belebt, die Funktionen
anders gewählt und verteilt.

So ist in der Profilfigur der hl. Magdalena
statt der Hinwendung nach vorn, an den Be-
trachter, das Motiv der Hauptperson wieder-
holt, — in dem zurückgeworfenen Haupt,
dem nach oben gewandten Blick, dem ge-
öffneten Mund. Dagegen hatte er Paulus einen
etwas strengen Blick nach auswärts gegeben.
Später erachtete er passend, den Aufblick
nach dem geöffneten Himmel der heiligen
Cäcilia allein vorzubehalten. Aber auch bei
ihr ist die Haltung anders nuanciert: ver-
glichen mit der anmutigen Wellenlinie ent-
zückten Horchens, die durch ihre Gestalt
geht, erscheint sie starrer, der Blick auf-
fallend ernst; als sei sie betroffen von der
Vollkommenheit des Engelgesangs, der ihre

*J Quantum flevi in hymnis et canticis tuis suave
sonantis ecclesiae tuae vocibus commotus acriter. Voces
illae influebant auribus meis, et eliquabatur veritas
tua in cor ineum, et exaestuabat inde adfectus pietalis.
August. Conf. IX, 6.

eigenen Leistungen eitel erscheinen läfst, ver-
nichtet. Die hinter ihr hervortauchenden,
durch ihre Gestalt getrennten, Johannes und
Augustinus, sehen gleichgiltig in die Ferne
oder auf das geschlossene Buch; im Gemälde
sind sie durch Blicke geistig verbunden.
Merkwürdig ist auch, dafs er auf den Gegen-
satz der instrumentalen irdischen und der
vokalen himmlischen Töne noch nicht ge-
kommen 'st; denn der Engelchor gibt ein Trio
von Geige, Harfe und Triangel zum Besten.

Bei so sorgfältiger, wiederholter Durch-
arbeitung der Komposition hatte Raphael
nicht weniger Nachdenken übrig für die Farbe
und die Charakter und Rolle fein angepafste
Gewandung.

Für die in höchst mannigfaltigen Tönen
und Harmonien gehaltene Hauptgruppe, wie
für die visionäre Beleuchtung des oberen
Sechsengelchors fand er eine passende Folie
in einer gleichmäfsig bläulichen Luftschicht,
über dem schmalen Saum einer hügeligen
Tiberlandschaft, in Nachmittagsbeleuchtung.

Nur bei der vordersten mächtigen Gestalt
des Apostels hat er eine Zusammenstellung
sehr gesättigter, reiner Komplementärfarben (rot
und grün) angewandt, und in der Mittelfigur
den Goldton des Brokats, des hochzeitlichen
Schmucks der Edeldame. Dieses Gold der
Mitte., wird gleichsam reflektiert durch das
wunderbar getroffene Gelb oder Braun der
hölzernen und metallenen Instrumente am
Boden. Zwischen und hinter den drei vorderen
Figuren erscheinen als trennende Glieder
zweiter Ordnung, der Bischof mit der farben-
reichen Kasel, und der Evangelist in anspruch-
losem grauvioletten Rock. Die reichsten
Zusammenklänge sehr gebrochener im Licht
weifslicher Farben hat der Anzug der hl. Mag-
dalena mit seiner marmorartigen Modellierung.
Ihr Antlitz, dem der sistinischen Madonna
verwandt, erhebt sich hoch über den Profilkopf
im Stiche Raimondis.

Das Gemälde wurde im Jahre 1798 nach
Paris gebracht, und dort von Holz auf Lein-
' wand übertragen; nach der Zurückführung
der geraubten Kunstwerke ist es in die
städtische Pinakothek zu Bologna versetzt
worden.

Bonn. Carl J usti.
 
Annotationen