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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Schnütgen, Alexander: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf 1902, [25]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0104

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155

1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

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zontale Streben abzweigen. Von ihren Endi-
gungen gehen die sechs Pfeiler aus, welche
die zwölfseitige Deckeltasse fassen, und an
einem derselben steht unter Frontispizbaldachin
mit weit ausgebreiteten Flügeln ein Engel-
figürchen, welches die eigentliche Schauseite
markiert. Ein in. Vierpässen durchbrochener
Fries, der hier wiederum die Horizontale zu
betonen hat, schliefst das Gehege, über dem
der Deckel der Tasse kuppelartig herausragt,
als Untersatz für den runden, ebenfalls Re-
liquien bergenden Kristallzylinder. Zu ihm
bildet den Übergang ein Strebesystem, welches
auf den die Kuppel überspannenden Schwib-
bogen gestützt, mafswerkdurchbrochene Flügel
als Verbindung benutzt
mit den sechs, den Zy-
linder fassenden Stre-
ben ; sie werden, in
wiederum sehr ange-
brachter Betonung der
Horizontale.abgefangen
durch einen ringförmi-
gen Fries. Ein sechs-
seitiger Turm bildet den
Abschlufs, er setzt sich
zusammen aus schlanken

Frontispizbögen mit
blau emaillierten Blen-
den, und aus ihnen
wächst über Wasser-
speiern der Helm hinaus
mit seinen krabbenver-
zierten Rippen und mit
seiner knospenartigen
Kreuzblume.

Alles vereinigt sich an diesem edlen Gefäfse,
es zu einem Meisterwerk der Goldschmiede-
kunst zu stempeln: Der schlanke, leichte Auf-
bau, ein Muster konstruktiver Durchbildung und
doch ornamentaler Gestaltung, sehr malerisch
und doch ganz handlich, ungemein delikat
in seinen Einzelheiten und doch grofsartig
in seiner Gesamtwirkung, ganz im Sinne der
hochgotischen Bauformen und doch in durch-
aus selbständiger Metalltechnik, dazu in kolori-
stischer Hinsicht durch das Zammenwirken der
Silbervergoldung, des Bergkristalls und der
durchsichtigen Emailfarben von einem eigen-
artigen Reize, der bestimmt und zart zugleich,
kaum zu überbieten ist. Schnutgen.

45. Spätgotische Reliquienkapsel mit
Perlmuttermedaillon, Sammlung Cle-
mens (Katalog 2687).
Diese in Silber ausgeführte und vergoldete
Kapsel von 91/« cm Durchmesser und 3,8 cm
Dicke ist hinsichtlich der Umrahmung auf bei-
den Seiten gleich behandelt, indem die von
kräftigen Perlstäben eingefafste Hohlkehle von
einer aus Silberdraht gebogenen Ranke ausgefüllt
ist, an welche langgezogene verschnittene Blät-
ter und Rosetten in wilder, aber harmonischer
Verteilung angelötet sind, so dafs die Wirkung,
trotz der einfachen Technik, sehr mannigfaltig
und reich ist. Auf der einen Seite barg die
Reliquie das mittlere Medaillon, welches
auf der Kehrseite ein
Perlmutterrelief füllt mit
guter Darstellung der
sitzenden Gottesmutter
in breiter faltiger Be-
handlung und auf da-
masziertem Grund. Fal-
tenwurf, Ausdruck usw.
weisen auf die Mitte des
XV. Jahrh. hin und auf
die alten Niederländer.
— Diese, vornehmlich
im Roten Meere gewon-
nenen Muscheln, die
sich durch ihre harte
Struktur und schillernde
Färbung zu Relief-
schnitzereien vortrefflich
eignen, scheinen für die-
sen Zweck vom Beginne
des XV. Jahrh. an häu-
figer verwendet zu sein, und seitdem begegnen
sie vielfach als Devotionsobjekte, als Schmuck-
sachen, als Kassetten- und sonstige Verzierungen,
aus dem Orient bis in unsere Tage massen-
haft, namentlich aus Bethlehem, eingeführt, wo
sie in fabrikmäfsigem Betrieb mit allerlei bib-
lischen und legendarischen Szenen versehen
werden, durchweg schwach in der Zeichnung,
aber von bewährter Technik. Da gut ausgeführte
Perlmutterreliefs in metallischer, namentlich
vergoldeter Fassung einen vortrefflichen Ein-
durck machen, auch im Dienste des liturgischen
Schmuckes und der Flächendekoration, so
wäre die Wiederaufnahme dieser wohlfeilen
Schnitztechnik sehr angezeigt. Sehnutgen.
 
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