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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Halm, Philipp Maria: Zur marianischen Symbolik des späteren Mittelalters, [3]: Defensoria inviolatae virginitatis b. Mariae
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0141

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1904.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

218

dem XIV. und XV. Jahrh. Sie tragen teils
in derber, teils auch in sorgfältigerer Ausfüh-
rung Darstellungen von Tieren. Hirsch, Ein-
horn, Löwe, Greif, das Gotteslamm, der Pe-
likan, die Aspiden kehren neben andern Tieren
und Drolerien mehrfach an denselben wieder
und lassen eine kirchliche Verwendung der
Kästchen, deren Benützung noch nicht sicher
steht, als wahrscheinlich erachten.

Der jubelnde Aufschwung, den der Marien-
kultus seit dem XII. Jahrh. vornehmlich unter
dem Einflufs der grofsen Orden nahm, und der
sich uns in den zahlreichen Marienliedern und
-legenden — ich erwähne nur die hier so oft
zitierte „Goldene Schmiede" des Konrad von
Würzburg — die fürwahr das Hohelied Mariens
genannt zu werden verdient, seinen Widerhall
fand, mufste naturgemäfs auch der bildenden
Kunst neue Wege weisen. Zahlreiche, der
Jungfrau gewidmete Kirchen und Kapellen —
man denke nur an die Marienkapellen der
Klöster — wurden erbaut, Maler und Bildhauer
stellten ihr Bildnis oder Szenen aus ihrem
Leben dar. Dichtung und Kunst vereinten
sich zu ihrem Ruhme, nicht ohne gegenseitig
von einander — zum Teil wenigstens — abhängig

Du tuost gelich dem adelaren,

der mit hohem vlize

vor allem itewize

siniu kind beruochet,

und danne si versuochet,

ob an ir ougen si gebrest.

er setzt si vür sich in daz nest

gegen der sunnen glaste,

und diu niht mügen vaste

geblicken in ir liehten schin

noch volleclichen sehen drin,

diu lät er nemen einen val

üz dem neste hin ze tal,

und hat üf si kein ahte m&r;

da von si lident herzeser

und des todes arbeit.

ei muoter aller cristenheit

also versuochest du si gar,

diu din tugent wider gebar

in des toufes brunnen.

do si den tot gewunnen,

dö gebaere du si wider.

nü setzest du si, vrouwe, nider

in daz nest der helfe din,

da Crist, der wäre sunnen schin,

glenzet üf diu selben kint:

und diu so kranken ougen sint

an des gelouben angesiht,

daz si got erkennent niht,

diu lät din gnäde vallen.

zu sein. Von aufserordentlichem Einflufs auf
den marianischen Bilderkreis der bildenden
Kunst haben sich vor allem die „Biblia paupe-
riim" und das „Speculum humanae salvationis"
erwiesen. Inwieweit die „Goldene Schmiede"
auf die bildende Kunst befruchtend gewirkt
hat, und ob nicht Konrad von Würzburg auch
umgekehrt symbolische Darstellungen der bil-
denden Kunst als „schimmerndes Geschmeide
in seiner goldenen Schmiede sammelte und in
das Gold seiner Rede fafste", läfst sich zur-
zeit noch nicht endgültig entscheiden. Es wäre
eine der dankbarsten Aufgaben der christlichen
Archäologie, diese wechselseitigen Beziehungen
einmal klarzulegen. Jedenfalls aber bildet die
„GoldeneSchmiede" eine der wichtigstenHülfs-
quellen zur Erkenntnis der mittelalterlichen
Symbolik. Eine der „Armenbibel" und dem
„Heilsspiegel" ähnliche Bedeutung für die
bildende Kunst dürfen wir aber nach unseren
Untersuchungen nunmehr auch den Defensorien
inviolatae virginitatis b. Mariae einräumen.
Wenn auch gewifs einzelne Gleichnisse schon
vor dem Kompilator Franziscus de Retza
in die bildende Kunst Eingang gefunden
haben, so deutet doch die ungefähre Gleich-
zeitigkeit der obenerwähnten Handschriften, des
Schleifsheimer Bildes, der Brixener Fresken
und die sich zeitlich allmählich anschliefsenden
Frühdrucke und die Altöttinger Türen direkt auf
das Werk des Dominikaners.25) Es sind Wässer-
lein aus einer Quelle, die alle wieder einem Ziele
zueilen, der jungfräulichen Gottesmutter Maria
dem Meere (mare, daher Maria), um ein Bild im
Sinne Konrads von Würzburg zu gebrauchen,
das alle Güte in sich vereinigt und dessen
Spiegel nicht verletzt wird, wenngleich er auch
tausend Bilder aufnimmt.

München. Philipp M. Halm.

-6) Ergänzend sei noch beigefügt, dafs v. Schlosser,
dem in seiner Abhandlung die Zugehörigkeit der
Brixener Fresken zu den Defensorien entgangen war,
auf diese noch nachträglich (Beilage der »Allgem.
Ztg.« 1904, Nr. 83) hingewiesen hat. Ferner sei noch
des Tafelbildes eines niederrheinischen Meisters vom Be-
ginne des XV. Jahrh. gedacht (Katalogder kunsthist.
Ausstellung 1904, Nr. 88), das in der Anordnung der
Maria mit dem Kinde in einem rautenförmigen Mittel-
felde, welches Löwe, Einhorn, Phönix, Pelikan, sowie
Moses, Aron, Gideon und Ezechiel mit entsprechenden
Beischriften umgeben, die Erinnerung an das Schleifs-
heimer Bild wachruft. Eine sichere Grenze der örtlichen
Verbreitung unseres Stoffes auf Grund des bis jetzt be-
kannten Materiales ziehen zu wollen, erscheint meines
Erachtens noch verfrüht.
 
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