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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Tepe, Alfred: Die neue Filialkirche an der Werstener Straße zu Düsseldorf-Bilk
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0167

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Abhandlungen.

Die neue Filialkirche an der
Werstener Strafse zu Düsseldorf-Bilk.

(Mit 7 Abbildungen.)

s gibt einen Artikel, der rar wird
in der Welt, der aber auch von
wenigen geschätzt und begehrt,
von vielen sogar verabscheut
wird: die Einsamkeit. Was hilft
es, ob man sich in Wald und Heide zurück-
zieht, — die Behauptung, dafs die Bevölke-
rungszunahme sich auf die grofsen Städte be-
schränke, trifft nur teilweise zu: ist eine Gegend
leidlich anmutig und nicht zu weit von einem
Knotenpunkt entfernt, so wird auch sie von
der schwellenden Menschenwoge überflutet.
Wie endlos dehnten sich ehedem unsere Hei-
den und Büsche, pfadlos, schrankenlos. Nach
allen

Kindersegen vor dem Fahrrade, auf welchem
wir über die neu erschlossenen Wege den noch
unerschlossenen zueilen. Da grüfst uns ein
Mägdlein mit der freundlichen Anmut, welche
die Natur, unbekümmert um Rang und Porte-
monnaie, an ihre Lieblinge austeilt oder ein
klassenbewufster Dreikäsehoch ruft uns das
Gegenteil eines Segenswunsches nach. Und
wenn wir weiterstreben, um uns in ein noch
ungestörtes Waldesdickicht zu verkriechen, da
grinst uns eine Warnungstafel an, die den un-
befugten Betreter mit allen Schrecken des Ge-
setzes bedroht, oder die boshafteste aller Er-
findungen, der gehässige Stacheldraht hemmt
definitiv unsere Schritte. Wo wir früher
träumten von Gott und Natur, von den Ge-
heimnissen des Menschenherzens und des Erden-
lebens, da stofsen jetzt unsere ärgerlichen Ge-
danken

waren unsere einzige Gesellschaft, Schafs-
triften und tiefe Sandwege die nur ausnahms-
weise belebten Verkehrsadern. Der Tannen-
wald brütete so schweigsam in der Sonnenglut
oder rauschte geheimnisvoll im lauen West-
wind; die Heide zog ihr wunderbares Purpur-
kleid an, wofür ihr die Bienen ein begeistertes
Lobgesumm anstimmten; weltverlassen konnte
man träumen am Akazienteich.

Aber da wird, um der winterlichen Arbeits-
losigkeit zu steuern, eine Gesellschaft zum
Ausbau der Vizinalwege errichtet, und kaum
hat so ein lieber alter Wald- oder Sandweg ein
hartes Kiefsgewand angezogen, da rollen
schon Stein- und Holzfuhren heran. Häuschen
erstehen über Nacht, dem Heidesand werden
Gärtchen abgerungen, junge Paare ziehen ein,
und eh' wir's uns versehen, tummelt sich der

chen Erde auch anderen unschuldige, nichtbe-
zahlte Freude gewährt.

Im allgemeinen ist der Mensch ja zur Ein-
samkeit nicht geschaffen, er ist ein geselliges,
gesellschaftliches Wesen, aber auch der Ge-
selligste bedarf ihrer, um hin und wieder einen
Besuch im eigenen Herzenskämmerlein abzu-
statten und sein inneres Inventar zu revidieren.
Und wie soll ohne sie der Dichter auskommen,
der sie geradezu seine Braut nennt, und der
Kunstbeflissene, dem im Alltagstrubel das Auge
matt und das Hirn staubig geworden?

Wohl taugt es nicht, Abend für Abend in
der Studierstube hinzuhocken in einziger Ge-
sellschaft seiner Lampe und seines Ofens; nichts
destoweniger bleibt die Einsamkeit in traulich
enger Zelle ein kostbares Gut; aber auch sie
wird über Gebühr gestört durch die neuesten
 
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