1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.
270
fläche mit einer Wachsschichte überzogen ist,
in welche die Silberfäden des Hintergrundes
fest eingedrückt sind. Sie liegen dicht neben-
einander, in den einzelnen Kompartimenten in
verschiedener Richtung, im allgemeinen jedoch
ziemlich wagerecht. Die Länge der einzelnen
Fäden ist genau den Umrissen des Blumen-
ornamentes angepafst, demnach also sehr ver-
schieden, am Ende einer Linie nicht um-
gebogen und parallel weitergeführt, son-
dern abgeschnitten. Jede Linie bildet einen
Faden für sich. Auch die Seidenfäden, wel-
che das Muster bilden, sind in den Wachs-
grund eingedrückt. Sie folgen bei den Sten-
geln, lanzettförmigen Blättern und Streifen der
Vase genau dem Zuge der äufseren Um-
risse und sind überall da abgeschnitten, wo
jene scharf endigen. Wo rundliche Endigungen
vorhanden sind, wie bei den Rosenstengeln,
den aus der Vase herauswachsenden Blättern,
den Voluten, wird der Faden umgebogen und
an der anderen Seite herumgeführt. Das wird
so lange fortgesetzt, bis der Faden in der
Mitte der Form endigt. Es ist schliefslich die-
selbe Technik, wie wir sie an den flandrischen
Stickereien des XV. und beginnenden XVI.
Jahrh. finden, nur ersetzt hier das klebende
Wachs des Untergrundes die festigenden Über-
fangstiche. Auch die Knospen der ovalen Um-
rahmung sind durch eine derartige dichte An-
einanderlagerung gedrehter Seidenfäden her-
gestellt. Bei den Blumen ist jedes einzelne
Kelchblatt für sich gearbeitet, und durch dichte
Spirallagerungen gebildet, die Rosen und Drei-
blätter in der Mitte besonders mühsam, weil
bei einzelnen Teilen ein braunroter und ein
schwarzer Faden vorher zusammengedreht und
dann eingeprefst erscheinen. Die Pressung ge-
schah während der Arbeit wahrscheinlich durch
Spachteln von Bein oder Stahl. Nachträg-
lich wurde das Ganze mit einem Bügeleisen
geglättet und dabei die Wachsschichte aufs
neue erwärmt, so dafs sich die Fäden noch
tiefer eindrückten. Das Zuschneiden der Fäden>
das spiralförmige Aufwickeln und dichte An-
einanderreihen erforderte grofse Sorgfalt, so dafs
die Technik, welche die Wirkung der Stickerei
zu erreichen sucht, gerade keinen erleichter-
ten Ersatz derselben darstellt.
Ein zweites derartiges Stück war mir nicht
bekannt. In der Fachliteratur wird die Technik
nicht erwähnt, auch in dem soeben erschienenen
ausgezeichneten Textilwerke Moriz Dregers
suchte ich vergebens nach einer auf sie bezüg-
lichen Notiz. Dagegen war Dreger so liebens-
würdig, eine briefliche Anfrage von mir durch
die Mitteilung zu beantworten, dafs ihm die
Technik gleichfalls, durch zwei Stücke aus der
Textilsammlung des k. k. Österreichischen Mu-
seums für Kunst und Industrie in Wien be-
kannt sei und dafs er beabsichtige, sie in dem
vorbereiteten zweiten Textbande zu besprechen,
welcher der Hausindustrie und verschiedenen,
den Textilen verwandten Techniken gewidmet
sein werde. Das eine Stück schildert er mir
als eine 0,45 m hohe, 0,38 m breite Holztafel,
welche innen ein kleines rechteckiges Bild
Petri, ringsum Rankenwerk aus eingeprefsten
Seidenfäden und Goldbouillon enthalte und dem
Ende des XVI. oder dem Anfange des XVII.
Jahrh. angehöre. Das Ornament allein ist hier
aus Fäden gebildet, während der Grund die
leere, ursprünglich farbig überstrichene Wachs-
fläche zeigt. Das Stück stammt aus Spalato.
Das andere ist gleichfalls eine Holztafel, von
0,16 m Höhe und 0,215 m Breite, auf welchem
ganz bildmäfsig eine Madonna mit Kind und
zwei Mönchen in Halbfiguren dargestellt ist.
Diese sind teils auf Seidenstoff gemalt, teilsaus
eingedrückten farbigen Seidenfäden herge-
stellt. Auch der Grund ist hier aus dicht ange-
reihten parallelen Fäden gebildet. Die Arbeit
ist sehr fein, jünger als die vorgenannte, die
Herkunft unbekannt. Das Stück wurde von
einer Fachlehrerin einer österreichischen Indu-
strieschule erworben. Dreger neigt der Ansicht
zu, dafs die Technik in Oberitalien und Dal-
matien als Ersatz und Nachbildung von Stickerei
im Hause oder in Klöstern getrieben wurde.
Ich möchte wegen des christlichen Charakters
der Arbeiten letzteres annehmen. Auch das in
Aachen befindliche Exemplar kann sehr wohl
aus dem Süden stammen, wo ja Dr. Bock
wiederholt gesammelt hat. Vielleichtveranlassen
diese Zeilen Geistliche und Museumsvorstände
Umschau nach weiteren Belegen für diese
interessante Technik zu halten.
Godesberg. A. Kisa.
270
fläche mit einer Wachsschichte überzogen ist,
in welche die Silberfäden des Hintergrundes
fest eingedrückt sind. Sie liegen dicht neben-
einander, in den einzelnen Kompartimenten in
verschiedener Richtung, im allgemeinen jedoch
ziemlich wagerecht. Die Länge der einzelnen
Fäden ist genau den Umrissen des Blumen-
ornamentes angepafst, demnach also sehr ver-
schieden, am Ende einer Linie nicht um-
gebogen und parallel weitergeführt, son-
dern abgeschnitten. Jede Linie bildet einen
Faden für sich. Auch die Seidenfäden, wel-
che das Muster bilden, sind in den Wachs-
grund eingedrückt. Sie folgen bei den Sten-
geln, lanzettförmigen Blättern und Streifen der
Vase genau dem Zuge der äufseren Um-
risse und sind überall da abgeschnitten, wo
jene scharf endigen. Wo rundliche Endigungen
vorhanden sind, wie bei den Rosenstengeln,
den aus der Vase herauswachsenden Blättern,
den Voluten, wird der Faden umgebogen und
an der anderen Seite herumgeführt. Das wird
so lange fortgesetzt, bis der Faden in der
Mitte der Form endigt. Es ist schliefslich die-
selbe Technik, wie wir sie an den flandrischen
Stickereien des XV. und beginnenden XVI.
Jahrh. finden, nur ersetzt hier das klebende
Wachs des Untergrundes die festigenden Über-
fangstiche. Auch die Knospen der ovalen Um-
rahmung sind durch eine derartige dichte An-
einanderlagerung gedrehter Seidenfäden her-
gestellt. Bei den Blumen ist jedes einzelne
Kelchblatt für sich gearbeitet, und durch dichte
Spirallagerungen gebildet, die Rosen und Drei-
blätter in der Mitte besonders mühsam, weil
bei einzelnen Teilen ein braunroter und ein
schwarzer Faden vorher zusammengedreht und
dann eingeprefst erscheinen. Die Pressung ge-
schah während der Arbeit wahrscheinlich durch
Spachteln von Bein oder Stahl. Nachträg-
lich wurde das Ganze mit einem Bügeleisen
geglättet und dabei die Wachsschichte aufs
neue erwärmt, so dafs sich die Fäden noch
tiefer eindrückten. Das Zuschneiden der Fäden>
das spiralförmige Aufwickeln und dichte An-
einanderreihen erforderte grofse Sorgfalt, so dafs
die Technik, welche die Wirkung der Stickerei
zu erreichen sucht, gerade keinen erleichter-
ten Ersatz derselben darstellt.
Ein zweites derartiges Stück war mir nicht
bekannt. In der Fachliteratur wird die Technik
nicht erwähnt, auch in dem soeben erschienenen
ausgezeichneten Textilwerke Moriz Dregers
suchte ich vergebens nach einer auf sie bezüg-
lichen Notiz. Dagegen war Dreger so liebens-
würdig, eine briefliche Anfrage von mir durch
die Mitteilung zu beantworten, dafs ihm die
Technik gleichfalls, durch zwei Stücke aus der
Textilsammlung des k. k. Österreichischen Mu-
seums für Kunst und Industrie in Wien be-
kannt sei und dafs er beabsichtige, sie in dem
vorbereiteten zweiten Textbande zu besprechen,
welcher der Hausindustrie und verschiedenen,
den Textilen verwandten Techniken gewidmet
sein werde. Das eine Stück schildert er mir
als eine 0,45 m hohe, 0,38 m breite Holztafel,
welche innen ein kleines rechteckiges Bild
Petri, ringsum Rankenwerk aus eingeprefsten
Seidenfäden und Goldbouillon enthalte und dem
Ende des XVI. oder dem Anfange des XVII.
Jahrh. angehöre. Das Ornament allein ist hier
aus Fäden gebildet, während der Grund die
leere, ursprünglich farbig überstrichene Wachs-
fläche zeigt. Das Stück stammt aus Spalato.
Das andere ist gleichfalls eine Holztafel, von
0,16 m Höhe und 0,215 m Breite, auf welchem
ganz bildmäfsig eine Madonna mit Kind und
zwei Mönchen in Halbfiguren dargestellt ist.
Diese sind teils auf Seidenstoff gemalt, teilsaus
eingedrückten farbigen Seidenfäden herge-
stellt. Auch der Grund ist hier aus dicht ange-
reihten parallelen Fäden gebildet. Die Arbeit
ist sehr fein, jünger als die vorgenannte, die
Herkunft unbekannt. Das Stück wurde von
einer Fachlehrerin einer österreichischen Indu-
strieschule erworben. Dreger neigt der Ansicht
zu, dafs die Technik in Oberitalien und Dal-
matien als Ersatz und Nachbildung von Stickerei
im Hause oder in Klöstern getrieben wurde.
Ich möchte wegen des christlichen Charakters
der Arbeiten letzteres annehmen. Auch das in
Aachen befindliche Exemplar kann sehr wohl
aus dem Süden stammen, wo ja Dr. Bock
wiederholt gesammelt hat. Vielleichtveranlassen
diese Zeilen Geistliche und Museumsvorstände
Umschau nach weiteren Belegen für diese
interessante Technik zu halten.
Godesberg. A. Kisa.