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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Wüscher-Becchi, Enrico: Die Absisfresken in S. Maria Antiqua auf dem Forum Romanum
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0187

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Abhandlungen.

Die Absisfresken in S. Maria Antiqua
auf dem Forum Romanum.

(Mit 2 Grundrissen und 1 Tafel.)

i Im Westabhang des Palatins gegen
das Forum Romanum stand bis vor
wenigen Jahren die im XVII. Jahrh.
erneuerte, kleine Kirche S. Maria
Liberatrice oder wie sie mit ihrem eigent-
lichen volleren Namen heifst, „S. Maria
libera nos a poenis inferni". Im Jahre
1900 wurde diese Kirche, die den Nonnen von
Torre de'Specchi gehörte, angekauft und ihre
Zerstörung beschlossen.

Diese Kirche, die im Jahre 1600 c. neu auf-
gebaut worden war, hatte weder grofsen künst-
lerischen, noch historischen Wert, aber man
wufste durch Ausgrabungen, die gelegentlich bei
derselben gemacht wurden, dafs eine ältere und
gröfsere mittelalterliche Kirche, von deren Aus-
grabung man sich Grofses versprach, darunter
liege. Man hat sich nicht getäuscht und ein
wahrer Schatz für die christliche Archäologie
ist hier gehoben worden. Als die Zerstörung
der modernen kleinen Kirche vollendet war
und die Ausgrabungen begannen, wufste man
nicht einmal mit Sicherheit, auf welche der
zahlreichen in dieser Gegend angegebenen Hei-
ligtümer man stofsen würde, ob auf S. Sil-
vester in lacu, auf S. Maria Antiqua, auf S. An-
drea oder S. Antonio. L. Duchesne schlofs,
gegen Lanciani und Grisar, S. Maria An-
tiqua aus.

Die im Jahre 1900 zerstörte moderne Kirche,
sie hatte just 300 Jahre gestanden, war an
Stelle einer seit 1293 mit einem Benediktine-
rinnenkloster verbundenen Kapelle getreten,
die wir auf einem Affresko des Sodoma in
Monteoliveto Maggiore, dargestellt sehen. Aber
auch diese Kirche hatte ihre Vorläuferin, von
der freilich, und das schon seit dem frühesten
Mittelalter, jede Spur verloren gegangen, ja
deren Name selbst vergessen war. Der Ort
selbst aber hiefs: „inferno" oder locus in-
ferni; und die Kirche erhielt diesen Namen,
indem sie bald S. Maria de Inferno oder
„Libera nos a poenis inferni" genannt wurde.
An den locus inferni knüpfte sich die Sage
von der Besiegung des Drachen durch den

h. Silvester, eine Sage, die vielleicht in Rom
selbst, etwa im V. Jahrh. entstand, und die uns
sowohl die „Legenda aurea", als Simon Meta-
phrastes (pr. Surius T, VI, 1052; in seiner „Vita
S. Silvestri" erzählt. Der Anonymus Maglia-
becchianus weifs von diesem locus inferni. Er
sagt: „Fuit locus unde Curtius armatus des-
cendet in foveam: quia exinde Roma maxima
per intus offendebatur cum multis aeris corrup-
tione, — — et hie fuit templum Vestae et ibi
junetum templum Palladis et legitur et hujus
memoria in totum in legenda beati Silvestri."
Die Legende des h. Silvester in ihren ver-
schiedenen Varianten erwähnt nun eine Höhle
oder einen pestatmenden Abgrund (pestifero
baratro, voragine), als Wohnung des Drachen.
Nach der Legenda aurea führten 140 Stufen
hinunter in die Höhle, die auch lacus ge-
nannt wird, (Reminiszenz an den lacus Curtius),
nach einer andern Version (Siena, »Arch.
Comm. Codex«, I, IV, 9) blofs fünfzig. Man
fabelte da von einem gewölbten unterirdischen
Gemache, reich mosaiziert, mit ehernen Pforten
und einem Altar mit dem ehernen Bild einer
Schlange. Unter diesem Altar hätte der Drache
gelegen, dem monatlich einmal von den Vesta-
linnen, die ihr Kloster über dem lacus hatten,
Opferkuchen dargebracht wurden. Als Kon-
stantin das Christentum zur Staatsreligion er-
klärte, hätten die heidnischen Priester dem
Kaiser gemeldet, dafs der Drache, seitdem ihm
nicht mehr geopfert würde, mit seinem Pest-
hauch unzählige Menschen töte. Der h. Sil-
vester hätte nun das Volk zum Gebete er-
muntert, um der Pest Einhalt zu tun, sei aber
dann selbst, wie ihm die hl. Apostel S. Petrus
und Paulus im Traume befohlen, mit fünf Ge-
fährten in den locus inferni hinuntergestiegen,
wo er den Drachen mit dem Kreuzeszeichen
gezähmt, ihm das Maul verbunden, versiegelt
und befohlen habe, angekettet zu bleiben, bis
an den jüngsten Tag.

Diese Legende, die an den bekannten passus
der Apokalypse, Cap. XX, 2 bis 4, anklingt,
symbolisiert in mehr als einer Weise, wie wir
sehen werden, den endlichen Triumph der
christlichen Kirche über den Drachen des
Heidentums. Nicht mit Unrecht vermutete man
schon früher, dafs die in der Legende an-
 
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