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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Wüscher-Becchi, Enrico: Die Absisfresken in S. Maria Antiqua auf dem Forum Romanum
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0191

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J904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

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zufügen, nicht einer aber sprach von einer
„stehenden" Christusfigur.

Betrachten wir nun jede der vier Figuren
für sich, denn vier sind es, nicht mehr und
nicht weniger. Von der Christusfigur in der
Mitte ist aufser der Büste, einem Stück des
Armes und der rechten Hand fast nichts er-
halten, als unten die mit Sandalen versehenen
Füfse, die auf einem Scabellum stehen. Das
Haupt, obwohl auch arg beschädigt, hebt sich
mit seinem grofsen gelben Nimbus von einem
dunkelblauen Hintergrund, der mit regelmäfsig
verteilten, weifsen, blumenförmigen Sternen
übersäet ist, ab, während die ganze Figur, von
den Schultern abwärts bis zu den Knöcheln,
vor einer in abwechselnd grüne und rote Fel-
der abgeteilten Teppichwand steht. Von einem
Throne ist auch nicht die Spur zu sehen,
weder von der Lehne, noch von den Füfsen,
und diese Throne pflegten doch recht massiv
dargestellt zu werden. Es fehlt sogar der nötige
Raum. Die Kissen des Thronsitzes, die immer
sehr stark vorspringen, müfsten die Seraphim-
gruppe berühren oder doch auf der Seite, wo
sie nicht durch die Figur des Papstes verdeckt
sein konnten, sichtbar sein. Am deutlichsten
aber zeigt die Standfigur den Faltengang des
Palliums, das über der Tunica drappiert ist.
Die Falten gehen nämlich von der rechten
Seite, wo der Mantel sich enge den Hüften an-
schmiegt, zur rechten Schulter, wo sie unter
der linken Achsel durchlaufen, um über die
linke Schulter nach vorn, in perpendikulären
Lagen herabzufallen. Ein gutes Stück von den
fächerförmigen Falten, die sich von der Hüfte
an über die Brust ziehen, sowie von den senk-
recht der linken Schulter entfallenden, ist noch
sichtbar. Ferner ist der hocherhobene Arm
und die rechte Hand Christi mit gelösten
Fingern wohl für einen sprechend Stehenden,
nicht aber für den Thronenden, welcher ge-
wöhnlich die Hand mit dem Redegestus nicht
über die Brust erhoben hält, zulässig. Die
Tunica, sowie das Pallium sind goldfarbig, wie
auf dem Mosaik von S. Cosmas und Damian
am Forum. Die ganze Haltung entspricht der-
jenigen des Himmelfahrtsbildes im Evangeliar
des syrischen Mönches Rabulas (Laurenziana,
Florenz). Höchst wahrscheinlich trug der Herr
in seiner Linken, wie ebendaselbst eine Schrift-
rolle, von der aber nicht mehr eine Spur zu
sehen ist, weshalb auf unserer Rekonstruktion
ihre Ergänzung unterblieb. War diese Schrift

nun aufgerollt, wie im Rabulasevangeliar oder
geschlossen und gebunden, wie in S. Cosmas
und Damian?

Die Frage scheint überflüssig, da nichts
mehr davon erhalten ist. Links und rechts aber
von der Absisnische waren und sind heute noch
erhalten, je links und rechts übereinander in
zwei Zonen, Gestalten von Heiligen mit lang-
herabfallenden Spruchbändern, aufgerollten Per-
gamenten mit Resten der Inschriften; rechts
zwei Köpfe mit Nimben und der Beischrift:
däyiog rQiyigiog 60id)>oyogu.6 uyiogBaaiXiog,
in der zweiten Zone nur ein Nimbus mit der
Beischrift: S. Augustinus, rechts in der ersten
Zone: Johannes. Wenn diese Figuren gleich-
zeitig mit dem Absisbilde sind, so spräche das
für ein aufgerolltes Schriftstück (so sehen wir
es auch in St. Elia bei Nepi in der Hand des
Herrn).

Das goldene Scabellum, der Schemel, auf
dem die Füfse des Herrn stehen, mag wohl
die meisten verführt haben, an einen Thron
zu denken, der gar nicht existiert. In der Tat
steht hier Christus, statt wie gewöhnlich, auf
dem Fels mit den Paradiesesflüssen, (4 Quellen)
oder freischwebend auf Wolken, hier auf einem
goldenen Schemel, denn er befindet sich in
einem Innenraume, im Tempel selbst, der durch
die reiche Teppichwand genügend angedeutet
ist. Der Herr der himmlischen Heer-
scharen, der seine Rechte triumphie-
rend ausbreitet, in der Linken die
Schrift mit den Worten des Lebens
hält, ist heruntergestiegen vom Him-
mel in sein Heiligtum, umgeben von
seinen Engeln und wird huldigend
empfangen von seinem Statthalter aut
Erden, dereinzigen sterblichen Kreatur unserer
Komposition.

Links und rechts von der Figur Christi
finden sich, freischwebend, die Tetra-
morphoi, Engel mit sechs Flügeln, wie sie der
byzantinischen Kunst geläufig sind, zwei decken
den Körper, zwei sind im Fluge dargestellt,
und zwei hoch aufgerichtet. Um das Engels-
haupt mit rotem Nimbus gruppieren sich im
Zentrum andere drei, der Kopf eines Löwen
(Marcus), eines Stieres (Lucas) und zuoberst
eines Adlers (Johannes). Unter den körper-
deckenden Flügeln erscheinen die nackten Füfse
der Engel, auf roten Feuerflammen stehend.
Diese zwei Engelsfiguren, links und rechts der
 
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