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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Firmenich-Richartz, Eduard: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf 1904, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0207

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323

1904.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

324

Die Entdeckung des Wertes dieser herben
und zugleich innigen Kunst der heimischen
Vergangenheit erfolgte an einem wichtigen
Wendepunkt der nationalen Entwicklung. Der
Eindruck der mächtig aufstrebenden Massen
des Straßburger Münsters begeisterte den jun-
gen Goethe schon 1770 für „deutsche Kunst
und Art". Sulpiz Boisseree wußte später in
Weimar diesen universalen Geist auf die Er-
zeugnisse der Kölner Malerschule hinzuwenden.
Goethe bezeichnete das Dombild als „die Achse
der niederrheinischen Kunstgeschichte". (Kunst
und Altertum I. S. 163.)

Mit schwärmerischem Entzücken versenkten
sich dann die Romantiker, vornehmlich die
Brüder Friedrich und August Wilhelm Schlegel,
Ludwig Tieck, Wackenroder in jene vater-
ländischen Schöpfungen, die man als die reinen
vorbildlichen Verkörperungen christlichen Gei-
stes durchempfand.

Die kostbaren Gemälde-Galerien, welche
einige rheinische Herrscher, z. B. der Kurfürst
Clemens August in Brühl und Poppeisdorf und
der Pfalzgraf Johann Wilhelm in Düsseldorf
vereinigt hatten, waren durch politische Wirren,
durch die Kriege Napoleons den Rheinlanden
entrissen worden. An die Stelle der glänzen-
den Erzeugnisse der reifen Spätkunst traten
nun die Sammlungen schlichter Bürger, deren
Eigenart der religiöse Sinn, ein warmer Patrio-
tismus, die Begeisterung für das Mittelalter
bestimmte. Die zahlreichen altdeutschen und
vlämischen Gemälde, welche Sulpiz und Mel-
chior Boisserde, Ferdinand Wallraf, der Baron
von Hübsch aus Kirchen, aufgehobenen Klöstern,
Sakristeien und Speichern ans Licht zogen, bilden
heute einen kostbaren Bestandteil der Museen
zu München, Köln, Nürnberg und Darmstadt.

Durch solche Vorbilder wurde der Sammel-
eifer lebhaft angeregt und kam Kunstwerken
mannigfachster Art zugute. Passavant, Hotho,
Schnaase und Kugler verzeichnen in langen
Reihen die wertvollen Stücke der Sammlungen
Lyversberg, Zanoli, Frommel, Kamper, Dietz,
Ruhl, Weyer, Dormagen u. a., die heute sämt-
lich zerstreut sind oder in öffentlichen Besitz
übergingen.

Der Versuch, dies weitschichtige Material
vereinigt der stilkritischen Betrachtung und
Vergleichung zugänglich zu machen, ist mehr-
mals unternommen worden. Die kunsthistori-
schen Ausstellungen in Köln 1876 und Mün-

ster 1879 umfaßten auch zahlreiche Malereien
ungleichen Wertes. Auf der Ausstellung von
Gemälden alter Meister Düsseldorf 1886 waren
die rheinischen und westfälischen Schulen nur
recht bescheiden vertreten.

Nach dem erfolgreichen Gelingen der Kunst-
historischen Ausstellung Düsseldorf 1902, in
welcher Originalgemälde nur in Ausnahmen
vertreten waren, blieb als Ziel des neuen Unter-
nehmens, eine umfassende Übersicht der Ent-
wicklung der Malerei des Mittelalters bis zum
Schluß des XVI.Jahrhunderts in den verschie-
denen Produktionszentren Westdeutschlands, in
Buchillustrationen und Tafelbildern vorzuführen.

Am Rhein und in den Nachbargebieten
kamen die künstlerischen Ausdrucksformen
mehrerer deutscher Stämme zur Entfaltung;
mannigfache Stilrichtungen lösen sich ab. Die
Vereinigung alemannischer, schwäbischer, nie-
derfränkischer und sächsischer Geistesprodukte
gewährleistet trotz übereinstimmender Züge
schon eine fesselnde Vielgestaltigkeit. Um die
Reichhaltigkeit der Ausstellung noch zu er-
höhen und neben den Arbeiten des Mittelalters
und der nordischen Renaissance auch reife
Schöpfungen der Malerheroen niederdeutschen
Stammes im XVII. Jahrhundert (Rembrandt,
Frans Hals, Jakob Ruisdael, Rubens, van Dyck)
darzubieten, wurde sodann beschlossen, neben
dem künstlerischen Schaffen auch den Kunst-
besitz Westdeutschlands zu zeigen.

Auf die Einladung des Vorstandes erklärten
sich deutsche Fürsten, Standesherren, der
rheinische und westfälische Adel bereit, die
ererbten Kunstschätze der Ausstellung zu über-
lassen. Ebenso sind eine Reihe Sammler der
Aufforderung gefolgt, Hauptstücke ihrer Kollek-
tionen als Repräsentanten ihrer Geschmacks-
richtung und ihrer Erfolge darzuleihen.

Dem doppelten Plan entsprach die Art
der Aufstellung dieser Kunstwerke. Wäh-
rend die Handschriften, Altarwerke, Votiv-
bilder und Porträts der heimischen Kunst-
schulen in den Oberlichtsälen neben den Ab-
güssen monumentaler plastischer Denkmäler
den Gang der Entwicklung illustrierten, kam die
Sonderarteiniger vornehmer Privatsammlungen in
abgeschlossenen Kabinetten zur vollen Geltung.

Der zwiefachen Aufgabe der Ausstellung folgt
auch die Anordnung des Katalogs.2) Der erste

2) Kunsthistorische Ausstellung- Düsseldorf 1904.
Katalog, II. Auflage, ausgegeben im August 1904.
 
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