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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Firmenich-Richartz, Eduard: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf 1904, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0211

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331

1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

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fühlsausbrüchen, der heftigen Regsamkeit aller
Glieder ergeben sich Gruppen, die unmittelbar
in der Phantasie haften. Ohne weite Land-
schaftsfernen ist auch der Schauplatz stets aus-
reichend dargestellt und erweckt den Eindruck
einer Terrasse oder eines Berggipfels. Auch
die Heiligengestalten an den Außenseiten sind
zu Gruppen zusammengeschoben, regen sich
freier im Raum. Jeder Zug verrät eine aus-
geschriebene Handschrift, einen Maler, der
nach reifer Erfahrung auf der Höhe seines
Könnens steht.

Im Chor des Bartholomäusdomes zu Frank-
furt sieht man nun in einer Serie von Wand-
gemälden, wohl der Stiftung des' Scholasters
Frank von Ingelheim von 1427 ebenfalls den
grausigen Martertod des Apostels und Stadt-
patrons dargestellt. Zwei Motive stimmen
mit dem Flügelbilde im Städel-Institut überein,
worauf Hubert Janitschek9) zuerst hinwies. Bei
der Schindung „hält der eine Büttel sein Messer
zwischen den Zähnen, der andere schleift das
seine". Es sind dies Züge, die wohl einer ver-
breiteten Tradition ebenso wie die äußere Er-
scheinung des Heiligen entstammen. Im übri-
gen sind die Kompositionen so verschieden,
wie es bei dem nämlichen Sujet nur irgend
möglich ist. Auf dem Wandbild liegt der
Körper des Apostels von vorn sichtbar zwischen
einer oberen und unteren Reihe von Henkern,
während der König nebst Begleitern zuschaut.
Lochner hat statt diesem gleichförmigen Über-
einander eine Folterszene veranschaulicht, deren
packende Wirkung noch den Stecher Wenzislaus
von Olmütz10) zu einer Reproduktion veranlaßte.
Wie eine aquarellierte Federzeichnung (Kat.-Nr.
601) beweist, pflanzte sich die Komposition auch
in der Schule Meister Stephans fort.

Gehilfen und Nachfolger, z. B. der Meister
des Heisterbacher Altares, knüpfen an diese
faszinierenden Schöpfungen an und beweisen
auch hierdurch, dafs diese Gemälde nicht einer
aufgegebenen Richtung der Frühzeit angehören
können. Schüler versuchen es, diese derben
Gestalten auf schwächlichen Beinen mit den

9) Hubert Janitschek, »Geschichte der deut-
schen Malerei, t (Berlin 1890) S. 231 Anm.

10) Wenzislaus von OlmUtz (B. 23 und 25).
Der Martertod des hl. Andreas und Bartholomäus.
Der Meister mit den Bandrollen stach eine Ver-
kündigung zwischen legendarischen Szenen frei nach
den Flügelgemälden an den Außenseiten des Dom-
bildes. Kat.-Nr. 615.

scharf prononzierten Gesten und den knolligen
Gesichtszügen zu Gruppen vereint vor blau-
grünen Landschaftsfernen oder dem Teppich-
grund anzuordnen.

Der Einfluß des Dombildmeisters erstreckt
sich auch auf die feinsinnigen, erfindungsreichen
Arbeiten der ßuchmaler. Die minutiösen Illu-
strationen eines niederdeutschen Gebetbuches
(Kat.-Nr. 565 a Großherzogliche Hofbibliothek
Darmstadt MS 70)n) enthalten Reminiszenzen
an Lochners Hauptschöpfungen. (Die Darstellung
im Tempel Bl. 56 B., Die Martyrien der Apostel
Bl. 151 fg., Sta. Ursula mit ihrem Bräutigam
und Genossinnen Bl. 197) köstliche Darstel-
lungen von Innenräumen (David an der Pforte
des Tempels Bl. 73) Kompositionen mit land-
schaftlichen Hintergründen. Zierliche Ranken
mit Blumen und Früchten umrahmen die Bild-
chen. In den Miniaturen eines Gebetbuches
beim Fürsten zu Salm-Salm12) taucht neben
solchen Nachklängen schon der Zusammenhang
mit vlämischen Vorbildern auf. Die Verkündi-
gung des Erzengels Gabriel (Bl. 1) vollzieht
sich in einem Interieur von subtilem Reiz der
Raumschilderung.

Stephan Lochner brauchte bei seiner An-
kunft in Köln nicht den zurückgebliebenen
Anschauungeu einer veralteten Richtung zuliebe
wichtige Errungenschaften einer oberrheinischen
Illusionskunst aufzugeben. Von ihm rührt
eine neue Formenauffassung, ein selbständiges
Schönheitsideal, aber er knüpfte enge an die
Werke seiner Kölner Vorgänger an. In dem
raschen Strome der Entwicklung vermochte
seine eigene Stilweise sich hier kaum noch
auszuleben. Bald nach seinem Ende (f 1451)
wurde der herbe vlämische Realismus, der mit
einer reicheren Palette auf täuschende Stoff-
wiedergabe und eine scharfe individualisierende
Charakteristik ausging, auch am Niederrhein
mit offenen Armen aufgenommen.

Bonn. E. Firmen ich-Richartz.

") Niederdeutsches Gebetbuch. Zuerst Kalendar,
dann 68 Miniaturen. Szenen aus dem neuen Testa-
ment und Heiligenfiguren. Am Schluß von fremder
Hand: Anno Salutis MCCCCLIII. Im Rahmen des
Bildchens der Verkündigung sitzt eine Jungfrau mit
dem Wappen Hardenrath.

12) Niederdeutsches Gebetbuch. Zuerst Kalendar,
dann 14 größere und 2 kleine Miniaturen in reicher
Umrahmung. Am Rand des Bildchens der Ver-
kündigung und auf der Metallschließe des Bändchens
das Wappen Sayn-Wittgenstein. Beide Handschriften
sind stilistisch eng verwandt.
 
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