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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Oidtmann, Heinrich: Der einstige Fensterschmuck der durch Brand zerstörten St. Magdalenenkirche zu Straßburg im Elsaß
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0214

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337

1904.— ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTUCHE KUNST — Nr. 11.

338

Dieselben wichen in Zeichnung und Farben-
gebung wesentlich von den großen Gruppen
ab; so waren die Bilder der Leidensgeschichte
bei besserer Zeichnung entschieden flauer in
der Farbe.

Bei einem Vergleich des Hauptfensters mit
den übrigen Chorfenstern kam ich zu der Über-
zeugung, daß ursprünglich bei sämtlichen
Fenstern die nämliche Raumeinteilung innege-
halten war, daß also anfänglich in allen unteren
Hälften größere Gruppen untergebracht waren.
Für diese meine Ansicht sprachen nicht nur
die großen Baldachine unterhalb der oberen
Bilder, nicht nur der Mangel jeglicher Ver-
bindung der Sockelfelder mit den architekto-
nischen Bekrönungen, sondern auch neben der
Verschiedenartigkeit der Zeichnung die unbe-
gründete Wiederholung einzelner Vorgänge,
welch' letztere überdies nicht einmal überall
zusammengehörten. Ausschlaggebend jedoch
war die auffallende Abweichung in der Farben-
wahl. Beim Anblick der die Gesamtstimmung
beherrschenden weifsen Architekturen, welche
sich in glitzerndem Silberschimmer über das
ganze Mittelfenster und über die oberen Teile
der übrigen verbreiteten und den Fenstern von
St. Magdalena ein eigenartiges Gepräge ver-
liehen, vermißte ich unwillkürlich die folge-
richtige Fortsetzung in drei Querreihen der
fünf anderen Chorfenster, welche um so not-
wendiger erschien, als der untere Abschluß
hinwiederum zu den oberen Hälften paßte.
Denn geradezu vorzüglich war die einheitliche
Wirkung jener hellen Umrahmungen mit ihren
blauen Gründen, so daß die teilweise fehlende
Durchführung als empfindliche Lücke stören
mußte. Leuchtend hoben sich die weißglän-
zenden Architekturen von dem mit Damast ge-
zierten, rein blauen Hintergrunde ab. Bereits
früher4) habe ich als Vorzug jenes Blau hervor-
gehoben, daß diese Farbe im Gegensatz zu
manchen ins Violett stechenden blauen Gläsern
französischer Denkmäler keinerlei Überstrah-
lung in die Umgebung verursachte.

Die Abwechselung im Gesamtaufbau, die
schier unbegrenzte Mannigfaltigkeit in den
Einzelheiten, welche sich an diesen Umrah-
mungen offenbarten, verrieten eine ungewöhn-
liche Erfindungsgabe des Meisters. Sowohl bei
den großen Baldachinen als auch bei den zier-
lichen Bekrönungen einiger kleinen Bildchen

4) »Geschichte der Glasmalerei« S. 126.

erinnerte mich die gewandte Vermischung bau-
künstlerischer und pflanzlicher Formen oder
vielmehr das Überwuchern der letzteren lebhaft
an die Glasgemälde von Tübingen, Nürnberg,
München, Ulm u. a. In den Fenstern von St.
Magdalena war das vielverzweigte Rankenwerk
bis in das Maßwerk hinein entwickelt. Die
Ähnlichkeit und Gleichwertigkeit der unteren,
durch verschiedenartige, ungemein geschmack-
volle Einfassungen ausgezeichneten Tafeln mit
den Wappen und Stifterbildnissen der besten
Schweizer Scheiben habe ich an anderer Stelle5)
hervorgehoben.

Das samtartige Schwarz an einzelnen Stifter-
bildnissen war, soweit ich dies vom Boden
der Kirche aus beobachten konnte, durch ge-
geschicktes Auftragen von Schwarzlot und das
Herausheben hoher Lichtkanten erzielt. In
Walburg wenigstens glaubte ich diesen Kunst-
griff an den Gewändern des hl. Benediktus und
der hl. Klara im Südfenster des Chores erkannt
zu haben, während ich die nämliche Technik an
Stifterbildnissen aus Stöckenburg-Vellberg, wel-
che zurzeit im Museum zu Stuttgart aufbewahrt
werden, und noch deutlicher an einem der in
der Linnicher Werkstätte wiederhergestellten
Chorfenster von Ehrenstein nachweisen konnte.

Die drei Fenster der Nordwand waren
zweiteilig, die drei des Chorabschlusses in drei
Langbahnen eingeteilt.

Im ersten Fenster stand oben als Haupt-
gruppe die Verkündigung. Sechs Fächer zeig-
ten Vorgänge aus der Legende der hl. Magda-
lena und zwar von unten nach oben: Christus
im Hause Simons, die Auferweckung des
Lazarus, die — noch zweimal wiederkehrende
— Erscheinung des Herrn vor Magdalena, die
hl. Martha im Kampfe gegen den Drachen, die
letzte Kommunion der hl. Magdalena,6) endlich
die Heilige, von Engeln zum Himmel aufge-
tragen. Einzelne Köpfe waren sehr gut ge-
zeichnet. Am Fuße des Fensters knieten
rechts Rudolf Voltz von Altenau in Platten-
rüstung und seine reich gekleidete Gemahlin
Ursula Wirich; ihnen gegenüber standen beider

5) »Geschichte d. Schweizer Glasmalerei«. (Leipzig
1904.) — Vergl. ferner »Zeitschrift für christliche
Kunst« 1899, Sp. 311.

6) Nach Brück die auch im Bilde deutlich er-
kennbaren Buchstaben U. V. auf der Altarstufe. Brück
betont die Verschmelzung mit der Legende der Maria
Ägyptiaca, welche in den beiden obersten Bildern zum
Ausdruck kommt.
 
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