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Zeitschrift für christliche Kunst — 17.1904

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Oidtmann, Heinrich: Der einstige Fensterschmuck der durch Brand zerstörten St. Magdalenenkirche zu Straßburg im Elsaß
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https://doi.org/10.11588/diglit.4094#0216

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341

1904. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

342

werden wohl gleichfalls vernichtet sein. Man
sah die Waisenkinder in langem Zuge, hinter
ihnen den Waisenvater, darüber die Taufe Christi
und Wappen.

Eine von Gerard8) angezweifelte Mutmaßung
Petit-Ge'rards von einem Aufenthalt Jakobs von
Ulm ist in keiner Weise begründet. Damit
fallen aber auch die von ersterem, freilich nur
bedingungsweise aufgestellten Vermutungen be-
züglich einer möglichen Mitwirkung an den
Glasgemälden von St. Magdalena und anderen
elsässischen Kirchen.

Jakobus Alemannus, Jakob Griesinger von
Ulm, der in Frankreich als Schutzheiliger der
Glasmaler verehrte Bologneser Dominikaner-
bruder wird wohl schwerlich im hohen Greisen-
alter von 70 Jahren noch für Strafsburg gearbeitet
haben. Ob die Ähnlichkeit mit Ulmer Fenstern
die Blicke nach Ulm gelenkt hat? Petit-Gdrard
hat das Volkamer Fenster der Lorenzkirche in
Nürnberg zum Vergleich herangezogen. Letz-
teren lasse ich für das architektonische Beiwerk
und für die Stifterbildnisse gelten, aber keines-
wegs für die grundverschiedene Farbenwahl.
Übrigens will man auch an den Fenstern zu
Sumiswald im Berngebiet Anklänge an Ulmer
Maler herausfinden. Eine Verbindung mit
Ulm, wo damals der Glasmaler Hans Wild er-
folgreich wirkte, könnte allerdings durch den
Bruder Martin Schongauers, Ludwig Schon-
gauer, welcher 1479 in Ulm das Bürgerrecht
erhielt, vermittelt worden sein. '

An anderer Stelle9) verbreitet sich Gerard
über die Möglichkeit, dafs Hans Beberlin der
Glaser aus Strafsburg aufser anderwärts auch
in St. Magdalena einen Teil der Fenster gemalt
haben könnte.

Es ist eine bekannte Tatsache, dafs die !
Glasmaler des XV. Jahrh., auch wenn sie selbst
Zeichner waren, sich mehr oder weniger an
die Schulen ihrer Zeit und ihrer Heimat an- i
lehnten, an die Malweise bestimmter Meister i
oder Werkstätten, wo sie vielleicht ihre erste
Ausbildung genossen hatten. Andrerseits wur-
den ihnen aus jenen Werkstätten die Vorlagen ge-
liefert.10) Besonders für die Schweiz sind solche

8) Charles Gerard, »Les artistes de l'Alsace
pendant le moyen-äge«. (1873). II, 343.

9) Gerard a. a. O., S. 160.

10) Siehe Oi dt mann, »Geschichte der Schweizer
Glasmalerei.. (1904). S. 117 u. f.

Wechselbeziehungen längst schriftstellerisch er-
örtert worden; ich nenne hier nur die Namen
Holbein und Baidung; ich erinnere ferner an
die Aufsätze Scheiblers, welcher in dieser Zeit-
schrift11) Kölner Glasgemälde bestimmten Mei-
stern zuweist. Für den Elsafs hat Dr. Brück
diese verdienstvolle Arbeit übernommen. Dort
hatte sich um die Zeit, als die Glasgemälde
von St. Magdalena entstanden, der Einflufs
Martin Schongauers und seiner Gehülfen allent-
halben geltend gemacht. Am ganzen Ober-
rhein, ja sogar in der Schweiz zeigten sich die
Spuren des Kolmarer Meisters; Schongauers
Züge will man an den Heiligengestalten der
heute im Landesmuseum zu Zürich stehenden
Scheiben aus Maschwanden erkennen. Dr. Brück
kommt auf Grund eingehender Studien, die
eben nur dem Lokalforscher möglich sind, zu
1 dem Ergebnis, daß der Künstler unserer Fen-
ster in engerm Zusammenhang mit dem Meister
j von 1461, welchen er nach den Chorfenstern
von Walburg benennt, und dem der Katharinen-
! legende des Glasfensters in St. Wilhelm zu
' Straßburg gestanden habe. „Aus deren Rich-
: tung ist er hervorgegangen und hat sie mit
| Schongauers Stil verschmolzen."

Wenn ich freilich Brucks Beuiteilung12)
der genannten Meister vergleiche, so vermisse
ich eigentlich die gemeinsamen Gesichtspunkte,
welche für unseren Glasmaler oder dessen Vi-
sierer vorbildlich gewesen sein sollen.

Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen
daß die Werkzeichnungen zu den Fenstern
vielleicht von Gesellenhand gefertigt, aus der
Schongauerschen Werkstätte herrühren; daß
man solche ausdrücklich bestellte, bestätigt uns
die Vorschrift der Nürnberger Klosterfrau aus
dem Anfang des XVI. Jahrh.

Es ist bei dem unersetzlichen Verlust ein
Trost, daß die Glasgemälde, nur wenige Jahre
vor ihrem Untergang, auf Veranlassung Brucks
im Bilde festgelegt worden sind. Dadurch ist
wenigstens die künstlerische Anlage für die
Jünger und Liebhaber der Glasmalerei gerettet
worden.

Linr.ich (Rheinland). H. Oidtmann.

»>) 1892, V. Nr. 5.

12) Siehe Brück a. a. O S. 111, 123, 124, 128,
130.
 
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