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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 18.1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.12974#0364

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351

der Naturgenuß gerade als einer der stärksten Beweise des
Pessimismus, und die Gegner desselben thun nicht Wohl, das
schmerzliche Hinausslüchtenwollen des Meuschengeistes aus sich
selber in die Ruhe der Natur und seine wehmüthige Freude
an derselben als einen Genuß darstellen zu wollen, welcher für
die Schönheit des Lebens und das Wünschenswerthe des Da-
seins sprechen soll. Wäre das Leben schön und empfände das
Bewußtsein sich selbst und seine Existenz als ein Glück, als ein
in sich Beschlossenes, Lückenloses, Befriedigtes, so würde das-
selbe sich nicht als ein von der Natur Abgetrenntes fühlen
können und in ihr Das zu finden suchen, was ihm fehlt. Nur
durch die Noch des Lebens, durch den Druck und den Mangel
desselben wird der Menschengeist veranlaßt, auf die Natur zu
blicken, welche ihm zu haben scheint, was ihm fehlt: volles Ge-
nüge, Freiheit, Lust, Schönheit und Frieden. Diese Stimmung
ist es, welche den Dichter ansrufen läßt:

„Auf den Bergen wohnt Freiheit! Der Hauch der Grüfte
. Steigt nicht hinauf in die reinen Lüfte:

Die Welt ist vollkommen überall,

Wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual."

So wird dem Menschen die Natur zum Trost und zur
Freude —- obwohl er sich sagen müßte, daß dieser ein nur
scheinbar von ihr gegebener und eine Täuschung ist, welche er
sich selbst bereitet. Denn:

„Sich selbst nur sieht der Mensch im Spiegel der Natur,

Und was er sie befragt, das wiederholt sie nur." Uückrrt.

Nur was der Mensch in die Natur hineinlegt, spricht
ihn an, und ein Jrrthum ist' es, welcher uns verleitet, beispiels-
weise von einer „lachenden Landschaft" zu reden oder den „Frieden
der Nacht" zu preisen. Die „lachenden Fluren" bergen ebenso
viel Leid als der „Qualm der Städte" und der „Frieden der
Nacht" dient überall den grausamsten Würgern der Natur, auf
Ratib und Kampf auszugehen. Der ferne Anblick eines Waldes
ist herzerquickend und schön, aber eine Täuschung ist es, anzu-
nehmen, daß die Bewohner desselben in seiner Stille ein freud-
volleres Dasein führten, als die von der Kultur zusammenge-
pferchtcn, überall eingeschnürten und geängsteten menschlichen und
thierischen Insassen einer lärmdurchbrausten großen Stadt. Hier
wie dort ist Angst und Noch und der Kampf um's Dasein gleicher-
weise die Parole. Von Menschen und Raubthieren gejagt und
gehetzt wird das Wild und die Vögel; von den Vögeln und
anderen thierischen Feinden vertilgt werden die Insekten, und
von diesen wieder wird die Vegetation vernichtet und beschädigt.
Vor Hunger und Kälte kommen die Thiere im Winter schaaren-
weis um, und Mangel an Licht und Luft läßt zahllose Pflanzen
zu Grunde gehen. So ist das Leben der Kreatur auch hier von
Angst und Qual umstellt und um nichts beneidenswerther oder
schöner als dasjenige des mit höherem Bewußtsein ausgestatteten
Menschen, welcher doch auch nur nebst allen Errungenschaften und
Abgründen seines Geistes ein Stück Natur ist."

(Schluß folgt.)


Korrespondenzen.

l üfseldorf, den 24. November. (Salon von Schulte.)
In dem Salon des Hrn. Schulte scheint sich in diesem
Augenblick ein edler Wettkampf der Portraitmaler Düssel-
dorfs entsponnen zu haben. Röting bewährt seinen alten
Ruf durch das Bildniß eines Mannes in den sogenannten
besten Jahren, einer Gestalt von fester, energischer Haltung,
indeß Bewer mit einem Damen- und einem Herren-Portrait sein
Talent für Aehnlichkeit und seine Vorliebe für die elegante Erschei-
nung an den Tag legt; auch Cro la bethätigt in zwei Bildnissen das
Streben, die Natur treu und charakteristisch wiederzugeben, Carl
Sohn aber bricht ohne Zweifel die Palme mit seinem Portrait einer
jungen, lieblichen Frau, welches zu den besten gehört, die in unserer
Kunststadt geschaffen worden sind. Hier ist es wieder einmal recht
anschaulich bewiesen, daß man einfach sein kann, ohne nüchtern zu
werden, schmucklos ohne ärmlich, edel ohne starr zu werden, daß
man fein ausführen kann, ohne in ängstliche Tüftelei zu verfallen.
Besonders erfreulich ist die gute Durchführung bei den Haaren, die
jetzt im Allgemeinen mit einigen breiten Pinselstrichen und großen
. Glanzlichtern abgethan werden. Gestalt, Kopf und Hände stehen
in schönster Harmonie; nur will uns die erhöhte Lage der Hände
zu wenig motivirt erscheinen, da die feste Unterstützung fehlt. Was
die malerische Wirkung im Ganzen betrifft, so setzt sich die Gestalt
zu sehr als Silhouette ab, und würden einige Lichter auf dem tief
schwarzen Kleide ihr mehr Rundung verleihen. Ein großes Wag-
niß ist es, den Kopf mit dem zart gelblichen Kolorit auf einem
ganz ähnlich gefärbten Hintergrund abzuheben, ein Wagniß, welches,
jo glücklich gelöst, von der besonderen malerischen Begabung des
lers Zeugniß ablegt.

1 Schwerin, im November. In der großherzoglichen Gal-
lerte ist die Sammlung der Gypsabgüsse durch zwei vortreffliche
Abformungen vermehrt worden. Die eine, der sterbende gallische
Krieger, oder sogenannte „sterbende Fechter", hat im ersten Kabinet,
die „Ringergruppe der Uffizien in Florenz" im dritten Kabinet
Aufstellung gefunden. Durch eine etwas höhere Aufstellung würden
die beiden neuen Abgüsse sehr gewinnen. Ihre Vortrefflichkeit würde
dadurch weit mehr zur Anschauung gelangen.

In der permanenten Gemäldeausstellung des hiesigen Künstler-
vereins waren jüngst die beiden Cartons, nebst Farbenskizze, ent-
worfen vom Professor Stever (Düsseldorf) zur Ausstellung ge-
langt, nach welchem unser talentvoller Glasmaler Gillmeister die
zu solchem Zweck bestimmten Fenster der hiesigen Paulskirche malen
wird. Der Komposition sind die Bibelworte Luc. 22, v. 42 u. 43
zum Grunde gelegt. Der betende Christus spricht knieend die Worte:
„Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir, doch nicht mein,
sondern dein Wille geschehe..." „Es erschien ihm aber ein Engel
vom Himmel und stärkte ihn." — Stever hat auf dem linken
Fenster den knieeuden Christus, auf dem rechten die leuchtende
Engelsgestalt dargestellt. Die formenschöne Zeichnung, wie auch
die Farbenskizze bekunden die sichere Meisterhand.

Im Atelier des Thiermalers Suhrland, der aus Petersburg
heimgekehrt, jetzt wieder in seiner reizenden Villa am Ostorfersee
weilt, fanden wir eine Anzahl der herrlichsten Gemälde vor. Einige
derselben waren fast vollendet, mehrere der Vollendung nahe, wäh-
rend andere erst untermalt waren. Alle aber fesselten durch die
Wahl der Motive, wie durch die Wärme der Empfindung. Suhr-
land bringt einen großen Theil des Jahres in Rußland, speciell in
 
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