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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 29.1911-1912

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Kleine Kunst-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7012#0355

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KLEINE KUNST-NACHRICHTEN.

DEZEMBER 1911.

MÜNCHEN. In diesem Winter wird in Mün-
chen nicht nur viel Kunst gezeigt, sondern
auch viel über Kunst gesprochen. Die angekün-
digten und schon begonnenen Vortragszyklen der
Modernen Galerie entspringen durchaus dem Be-
dürfnisse nach historisch-theoretischer Grundlegung
der neuesten künstlerischen Entwicklungen. Die
von der Modernen Galerie gewonnenen Redner,
unter denen sich hervorragende Namen der mo-
dernen Kunstwissenschaft befinden, behandeln ein-
zelne Persönlichkeiten und Probleme. Als Zweiter
sprach kürzlich Privatdozent Dr. Wackernagel über
Hodler: sachlich, instruktiv. Den wesentlich wich-
tigeren Teil der Veranstaltung lieferte jedenfalls
die Moderne Galerie, die durch über 100 Gemälde
höchst schätzbare Aufschlüsse über Hodlers Ent-
wicklung gibt. Man weiß, daß Hodler durch die
jüngste Wendung innerhalb der Malerei in eine
zweite, sehr verstärkte Blüte seines Ruhmes ein-
getreten ist und gegenwärtig vielleicht die wich-
tigste, maßgebendste Erscheinung unseres Kunst-
lebens bedeutet. Daß die Wege, die ihn bis da-
hin führten, gerade und sein Gang der eines Ent-
schlossenen und Zielbewußten war, erfährt man
jetjt aus dieser Ausstellung, die die Jahre 1872
bis 1911 umfaßt: Von Anfang an Klarheit und
Prägnanz der Linie, idealische Form und gestei-
gerte, geistige Auffassung, die schon sehr frühe
ihre monumentale Berufung verrät. Ein wesent-
licher Unterschied zwischen dem frühen und dem
späten Hodler besteht nur in der Farbe: jene ner-
vöse Empfindsamkeit, die heute bei ihm nur noch
in der schmelzenden Zartheit gewisser Linien und
Bewegungen hervortritt, äußerte sich früher auch
in einem höchst delikaten, verfeinerten Farbenge-
fühl, das zarte, reine, gebrochene Töne, zu herr-
lichen Akkorden gestimmt, bevorzugte, während
sein Kolorismus heute ganz auf komplementäre
Gegensätze gebaut ist. Die entscheidende Wen-
dung dürfte anfangs der neunziger Jahre einge-
treten sein. 1897 steht schon der „Teil" da, ge-
waltig und heftig-groß in der Wirkung, eine bären-
kräftige und eminent schweizerische Konzeption.
Das Figürliche ist fast durchgehends bedeutend
und zeigt immer die stets neue und überraschende
Hodlerische Verbindung von Kraft und nervöser
Zartheit. Das Landschaftliche fällt dagegen manch-
mal ab; auch sieht man einige im Auftrag gemalte
Bildnisse von erstaunlicher Leere und Dürftigkeit.
Als Ganzes ist die Ausstellung von nicht zu unter-
schätzender Wichtigkeit; Hodler selbst darf mit den
Aufklärungen, die sie spendet, sehr zufrieden sein.
Denn sie ehren ihn in jeder Hinsicht. w. m.

BERLIN. Die Königl. Akademie der Künste
beherbergt zur Zeit eine Gedächtnisausstellung
zu Ehren ihrer jüngst verstorbenen Mitglieder
Reinhold Begas,Ludwig Knaus, Woldemar Friedrich,
Emil Hundrieser, Viktor Paul Mohn, Gustav Eilers.
Qualität im höheren Sinne spürt man nur bei
Begas und Knaus, und so bieten auch nur sie
einer Kritik Material und Anlaß. Das Urteil über
den Rest liegt in ihren Werken vor aller Augen
offen. Es genügt zu wissen, daß sie Lehrer an
der Akademie waren und ihrem bürgerlichen Be-
ruf schlecht und recht nachgingen. - Begas
war zu Zeiten ein Künstler, oft ein Bildhauer von
Rang, am meisten Dekorateur und Artist, der ur-
sprünglichen Begabung nach aber ein bedeutendes
Talent. Die Menzelbüste, ein paar Männerportiäts,
das Bildnis einer Frau Klingenberg, geb. Begas
und vielleicht noch die Gruppe: „Pan als Lehrer
im Flötenspiel" sind mehr als nur realistisch, was
für eine gewisse Zeit schon viel war. Sie bezeichnen
die Richtung, die Begas hätte einschlagen müssen
und zugleich den ganzen Umfang seines Talents. Nur
in dieser Begrenzung hätte er ein Künstler sein
und bleiben können. Spätrenaissance und Barock
kamen seinem Temperament gelegen und richteten
ihn als Bildhauer zu Grunde. Er überrascht als
Maler. Die Porträts seiner Gattin, seiner Schwieger-
mutter, Lenbachs sind schlechthin talentvoll. Nicht
gekonnt, aber gefühlt; und erinnern an gewisse
malerische Böcklins. - Von Knaus sind viele Bilder
zu sehen ; nichts oder zu wenig von dem, was ihn
uns als Maler wertvoll machte. Gelegentlich finden
sich Spuren von guter Malerei; der Rest ist
Genre. — Bei Cassirer neueste Bilder Lieber-
manns. Das Nachlassen seiner Kraft, das wir in
den legten Jahren zu spüren glaubten, war nicht
das Ende, vielleicht ein Opfer an das Greisenalter.
In dieser Produktion des Jahres 1911 erlebt man
noch einmal den reichen Segen eines gut ver-
brachten Lebens. Ein Menzel mit mehr Selbstzucht
und ohne die Fährnisse einer Lust am Erzählen.
Welch eine Summe von Konzentration, Kunst-
erfahrung, lebendiger Empfindung etwa in dem
„Korso auf dem Monte Pincio". Eine bewunderns-
wert knappe Formulierung bewegten Lebens; die
Gegeneinander-Bewegung der Korso fahrenden
Wagen mit sparsamsten Mitteln suggestiv gedeutet.
Dazu eine bei Liebermann ungewöhnliche Sinnlich-
keit der Farbe, ein warmer rotbrauner Gesamtton,
der Himmel mit rötlich-gelben Wolken und hell-
blauer Luft so schön, daß er fast süß wirkt. So
auch die farbigen Werte in dem Bilde „Strandterrasse
in Noordwiyk" (angekauft vom Kaiser Friedrich-

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