Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 3.1902-1903

DOI Artikel:
Statsmann, Karl: Elsässische Volkskunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6478#0053

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ELSÄSSISGlE

Volkskunst

Von KARL STATSMANN

fernab von der steifen schnur-
geraden pappelbesäumten Land-
strasse und den vornehmen hohen
städtischen Häusern, sowie vom ge-
zierten Parke und den kunstreichen
Blumengärten, fristet die ländliche
einfache, oft unbeachtete Blume Volks-
kunst seit Jahrhunderten ihr Dasein.
Nicht strenger Schulregel, nicht hoher
Motiv aus Offenheim (bei Stützheim) Unt.-Eis. Wissenschaft , nicht geistreicher

Spekulation entstammt, ungekünstelt
erwachsen und erzogen, erfüllte sie in erster Linie einen Selbstzweck. Sie blühte
wie die Dolde am Rain, sich und ihrer nahen Umgebung und — vielleicht — einem
vorübergehenden Wanderer, einem Sammler oder Liebhaber und einer lieblichen Jung-
frau, zur Freude.

Volkskunst sei, so hört man neuerdings häufig, ein unklarer Begriff. Die
einen erachten sie als eine Kunst für die grosse Masse des Volkes, welche ihm
Hei] bringen soll, oder als eine ehemals vorhanden gewesene Kunst, welcher wir
"wieder nacheifern müssten. Andere verstehen unter Volkskunst eine solche,
Welche allem Volke, den Gebildeten und Ungebildeten, zu gut kommen solle, alle
umfassend, alle zugleich beglückend.

Dem Volke seine Kunst ! lautet eine moderne Devise, womit man bezweckt,
dass der einfache, wenig Begüterte sich der Kunst erfreuen könne, dass in seinem
Hause die Kunst einziehe, Schrank, Tisch, Stuhl, Geräte, eine kunstreiche, wenn
auch schlichte Form besitzen, oder dass der Arme auch ausserhalb des Hauses
und der Familie künstlerische Anregung in Volksbildungsvereinen, Arbeiterunter-
haltungsabenden u s. f., erhalte. In diesem Sinne gut gemeint sind wohl auch die
kunstgeschichtlichen Vorträge, welche in Köln ein Volksfreund armen Fabrikler-
kindern erteilt. Erheben aus dem Einerlei oder Schmutze der Alltäglichkeit in
höhere, reinere Gebiete des Schönen, Erwecken des Sinnes für Pietät und
Würdigung, Anregung zum Streben nach geistig-sittlichem Aufschwünge.

Anders und enger gefasst hat der Verein Volkskunst in Hamburg Ende der
80 er Jahre und Anfangs der 90 er des 19. Jahrhunderts unter Leitung des begabten
Schwindratzheim den Begriff Volkskunst: dem Volke eine Kunst wie ehedem, so
formschön, edel-einfach, markig-gediegen wie die dem fetten nordischen Marschen-
boden entstammte Kunst der Vierlande, jedoch eine Kunst dem weniger Be-
güterten, welcher die einfachen Geräte und Mobilien seines Heims

7
 
Annotationen