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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Lützow, Carl von: Große Radirung von William Unger
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Vorks Ansprache an die ostpreußischen Stände (5. Februar 1813): Historiengemälde von Otto Brausewetter
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https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0227

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Uorks Ansprache an die ostpreußischen Stände (5. Februar 1813).

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Köpping u. a. uns geliefert haben. Auch das voll-
endetste dieser bewunderungswürdigen Blätter, die
Köppingsche Radirung nach dem Greisenkopf von Rem-
brandt in der Dresdener Galerie, macht doch nur die
Wirkung eines Virtuosenstücks. Der Radirer der
„Staalmeesters" hat genug Beweise seiner staunens-
werten Geschicklichkeit abgelegt. Wir möchten ihm
stets als Nachdichter solcher Werke begegnen, welche
— wie das unvergleichliche Gruppenbild der Amster-
damer Galerie — nicht nur an die Hand, sondern
auch an Empfindnng »nd Geist die höchsten Anforde-
rungeu stellen.

Ungers große Radirungen halten sich von allem
äußerlichen Virtuosentum fern. Die reicheren Mittel,
welche sie aufbieten, dienen der schärferen Charakte-
ristik, der tieferen Erfassung des künstlerischen Vor-
bildes. Dem weichen, flüssigen, aristokratischen van
Dyck schmiegt sich der Vortrag zart und fein detai-
lirend an. Der keruige, gut bürgerliche, flotte Frans
Hals wird in derberem Fortissimo wiedergegeben. Und
nicht nur die malerische Gesamtwirkung, sondern auch
Zeichnung, Modellirung und alle Einzelheiten der un-
bekleideten Form wie des Kostüms und des Beiwerkes
tragen den Stempel der gewissenhaftcsten Stiltreue
und Genauigkeit. Jn der plastischen Wirkung der
,Gestalt feiert vor allem der tüchtige Zeichner seinen
Triumph.

Von den Rubenssöhnen war bisher nur ein un-
vollendeter Probedruck ausgestellt. Wir können danach
auch von diesem Blatte das Vorzüglichste erwarten.
Unger hat erst kürzlich wieder in seinen Prachtblättern
für das Berliner Galeriewerk vor der Welt den Be-
weis dafür abgelegt, daß er der blütenfrischen Farbig-
keit und Lebensfülle des Rubens den gleicheu Zauber
abzugewinnen weiß, wie dem poesievollen Dämmer-
lichte Rembrandts, dem Volksdialekte des Frans Hals
und dem feinen Welttone des van Dyck.

6. v. Lühow.

tzorks Ansprache an die ostpreußischen 5tände
(5. Februar l8s3).
ksistoriengemälde von Gtto Brausewetter.

Unter den monumentalen Geschichtsbildern vater-
ländischen Jnhalts, die seit der Wiedererstehung des
deutschen Reiches durch fürstliche Munifizenz wie durch
den Patriotismus staatlicher und städtischer Körper-
schaften veranlaßt wurden, ist einem jüngst von Otto
Brausewetter, Professor an der Kgl. Kunstakademie
zu Berlin, vollendeten Olgemälde sowohl durch seinen
bedeutungsvollen Gegenstand als auch durch die eben-
bürtige künstlerische Gestaltung ein hervorragenderRang
gesichert. Eine 1886 vou der ostpreußischen Ritterschaft
zu Köuigsberg i. Pr. veranstaltete regere Konknrrenz

verschaffte dem zuvor namentlich durch romantisch-
historische Genrebilder riihmlich bekannten Künstler
den ehrenvollen Auftrag, für den Sitzungssaal des
dortigen Landeshauses den wichtigsten Moment aus
jenem denkwürdigen Generallandtag zu verewigen, der
in den Büchern der Geschichte als der glorreiche Be-
ginn der deutschen Freiheitsbewegung verzeichnet steht.
General Pork, der kurz zuvor durch deu kühnen
Schritt der Konvention von Tauroggen eine so ent-
scheidende Wendung der Verhältnisse zu Gunsteu der
deutschen Sache herbeigeführt, bildet naturgemäß wie
iu Wirklichkeit so auch in Brausewetters Komposition
den beherrschenden Mittelpunkt. War er es doch, in
welchem alle den rettendeu Mann der That verehrten,
' der unbekümmert um sein eignes Los dem korsischen
Welteroberer die Heeresfolge gekündigt und Deutsch-
lands Geschicke durch Einleitung des russischen Bünd-
nisses in neue, verheißungsvolle Bahnen gelenkt hatte.
Und so jubeln sie ihm deun begeistert zu, die Ver-
treter der durch das Kriegselend aufs äußerste heim-
gesuchten Grenzmark, mit freudigem Opfermut bereit,
Gut und Blut zum Wohl des geliebteu Vaterlandes
darzubringen und dem Entwurf einer allgemeinen
Landesbewafsnung zuzustimmen, deu der Lieblings-
schüler des genialen Scharnhorst, ganz in dessen Geist
konzipirt, ihnen vorlegte.

Die Aufgabe, den berühmten Kriegshelden mit
gebührendem Nachdruck als die Seele der stattlichen
Versammlung zu keunzeichnen, hat der Künstler, man
darf wohl sagen, in vollendeter Weise zu lösen ge-
wußt. Dem Beschauer voll zugewandt, steht der in
der harten Schule des Lebens gestählte Fünfziger in-
mitten der mit Auge und Ohr an ihm hängenden
Versammlung, die Verkörperung unbeugsamer That-
kraft und Entschlossenheit, mit der erhobenen Rechten
das Gewicht seiner eindringlichen Worte verstärkend.
Die Art und Weise, wie sich die Wirkung derselben
in den Mienen und Bewegungen der Anwesenden
widerspiegelt, ist dem Maler in einem Grade gelungen,
für den im Hinblick auf die zu bewältigenden Schwierig-
keiten kein Lob zu hoch erscheint. Die allgemeine
Spannung und Erregung, die bei einigen an religiöse
Andacht grenzt, die feurige Begeisternng, die uns
namentlich aus den Augen der jüngeren Mäuner ent-
gegenleuchtet, die beredten Bewegungen der Hände, die
sich hier krampfhaft ballen, dort inbrünstig falten, hiev
unwillkürlich ans Ohr, dort zum Zeichen überzeugungs-
voller Zustimmung anf die Brust legen — das alles
beruht auf einem Schatze schärfster und tiefster Be-
obachtuug und hält sich, was ein schwer wiegender
Vorzug ist, vollständig frei von allem Phrasenhaften
^ und Theatralischen, das auch nur leise gestreift eine
! Fälschung des kernig-schlichten ostpreußischen Volks-
 
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