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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Hager, Georg: Wolf Traut und der Artelshofer Altar
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Moes, Ernst W.: Die neuen Forschungen auf dem Gebiete der holländischen Kunstgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0300

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581

Die neuen Forschungen auf dem Gebiete der holländischen Kunstgeschichte.

582

Coleta Boilet im Jahre 1406 zusammenhängt, ist be-
kanntlich im 15. Jahrhundert und in den ersten Jahr-
zehnten des 16. Jahrhunderts sehr beliebt. Jndem
sie reichliche Gelegenheit zur Bildnismalerei bot, kam
sie dem Drang der Zeit entgegen. Auch auf unserem
Bilde dürfen wir wohl Porträts suchen. Wenigstens
fällt es auf, daß Alpheus, abgesehen etwa von dem
fast nur mit dem Kopfe sichtbaren einen Ehemann
der Anna der einzige unter deu Männern ist, der
im Zeitkostüm und zwar in der Tracht eines Bürgers
erscheint. Da auch der Kopf desselben ganz porträt-
artig durchgebildet ist, so könnten wir in Alpheus das
Bild des Meisters vermuten.

Von den Flügeln zeigt der linke auf der Jnnen-
seite die Diakonen St. Laurentius mit Rost und
Palme und St. Stephanus mit Palme und Steinen;
unten hält ein Engel den Wappenschild der Hars-
dörfer. Auf der Jnnenseite des rechten Flügels ist
St. Christophorus dargestellt, das Jesuskind durch
die Fluten tragend, und St. Sebastian als junger
Patrizier, mit Pfeilen iu den Händen, darunter ein
Engel mit dem Wappen der Viatis; rechts von letz-
terem das Monogramm des Malers Wolf Traut
und die Jahreszahl 1514. Auf der Außenseite der
Flügel sehen wir einen heil. Diakon mit Palme
und Buch, St. Leonhard mit Kette, St. Konrad mit
einem Kelch, worin eine Spinne und einen zweiten
heil. Bischof ohnc Attribut; links kniet der Stifter,
cin ältlicher Mann, in schwarzer pelzverbrämter
Schaube, rechts dessen Hausfrau in schwarzem Mantel
und Sturzhaube, den Rosenkranz in den Häuden.

Die Jnnenseiten der Flügel haben übereinstim-
mend mit dem Mittelbild landschaftlichen Hintergrund;
Engelchen wiegen sich oben in den Wolken. Die
Außenseiten dagegen haben dunkeln Hintergrund, sind
aber gleich wie die feststehenden Seitenteile, auf denen
wir links St. Katharina mit Schwert und Rad nnd
dem Harsdörferschen Wappen, rechts St. Felicitas mit
Buch und Schwert und sieben abgeschlagenen Köpfen
zu den Füßen und dem Wappen der Viatis sehen,
in deu Bogenfüllungeu mit reizendeu gemalten Festons
verziert. Die Mitteltafel und die Jnnenseiten der
Flügel sind mit vergoldetem Schnitzwerk auf blauem
Grund umrahmt, dessen Stil lebhast an ähnliche Or-
namente Vischerscher Arbeiten erinnert.')

1) Gütige Mitteilung des Herrn Konservators vr. H.
Graf, der zur Vergleichung auch auf. die Verzierungen der
1512 verfertigten Orgel in der Fuggerkapelle in Augsburg
hinweist. (Vgl. Architektonische Entwürfe und Aufnahmen,
herausgegeben vom akademischen Architektenverein, Karls-
ruhe 1884, Text von A. Weinbrenner; R. Vischer, Studien
zur Kunstgeschichte 1886, S. 583 ff.)

Von der Predella sind nur zwei kleine Tafeln
erhalten, die auf der einen Seite zwei Engel mit dem
Weihrauchfaß, auf der Rückseite zwei Apostel (darunter
Petrus) in Brustbild zeigen.

Habe ich nun die Bilder geschildert, wie sie sich
jetzt nach der Restauration unserem Auge bieten, so
darf ich zum weiteren Verständnis den Zustand nicht
unerwähnt lassen, in dem sie in die Hände des Re-
staurators gelangten. Der Altar war nämlich im
17. Jahrhundert dadurch entstcllt wordeu, daß auf
allen Bildern ein indigoblauer Hintergrund aufgesetzt,
die Festons mit Farbe zugedeckt und auch die ur-
sprünglichen Donatorenbildnisse durch neue ersetzt wur-
den. Dabei war jedoch die alte Malerei unangetastet
geblieben, so daß nach Entfernung der damals auf-
gelegten Farbenschicht die Bilder in den früheren For-
men und in voller Farbenpracht wieder zu Tage traten.
Auch die alten Stifterbildnisse wurden wieder auf-
gedeckt.

(Schluß folgt.)

Die neuen Forschungen aus dem Gebiete der
holländischen Aunstgeschichte.

I.

Sehr natürlich ist es, daß, während man vor
noch nicht langer Zeit Jmmerzeel und die Kompi-
lationsarbeit eines Kramm als Autoritäten in kunst-
historischen Sachen betrachtete und die von ihnen ge-
gebenen Daten für unanfechtbar hielt, man jetzt mehr
verlangt, nachdem das Studium durch die Erschließung
der Archive und deren Durchforschung von kundigen
Männern so sehr gesördert wurde. Schon vor Jahren
war hier und da einzelnes Wertvolle geleistet. Vos-
maer hat sich in seinem „Rembrandt" ein Denkmal ge-
setzt, das ein schönes Zeugnis giebt von seiner Be-
geisterung für den großen Meister. Westhreene hat
in seinen Biographien von Potter und Jan Steen
Brauchbares geliefert, und unter den Lokalforschern
sei vor allen unvergessen der treffliche van der
Willigeu mit seinen „Naltrss äs Raarlsm". Man
sieht, früher waren die holländischen Schriftsteller der
Ansicht, daß man französisch schreiben müsse, wollte
man gelesen werden. Nunmehr ist das Gottlob anders.
Die meisten Akten lassen sich in keine fremde Sprache
übersetzen. Dazu kommt noch ein Zweites! Die
bildende Künst ging stets Hand in Hand mit der
Litteratur, mit der gelehrten Bildung, sogar mit der
Politik. Alles muß vom nationalen Standpunkte be-
trachtet werden, in der Landessprache müssen die Re-
sultate veröffentlicht werden. Wer sich ganz in die
italienische Kunst einleben will, kann dies nicht, ohne
die italienische Sprache zu kennen. Wer Rembrandt
verstehen will, muß Holländisch verstehen. Dies ist
 
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