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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Meurer, M.: Das Studium der Naturformen
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0045

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71

Todcssälle. — Ausgrabungen und Funde.

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licher Studien. Schon tüchtige Künstler haben diese
aufgcnvmmen: Engländer und Franzoscn, wie Hulme
und Rupprich-Robert, haben fleißige und umfassende
Arbeiten veröffentlicht, dic aber nicht von jener Mono- >
tonie freizusprechen sind. Jn Deutschland haben wohl
Bötticher und Jakobsthal das Tüchtigste auf diesem
Felde geleistet: jener durch seine auf gründlichen Stn-
dien beruhenden, jetzt meist unterschätzten Vorbilder,
dieser mehr auf ornamental-historischem Gebicte, in-
dem er der Entwickelung einzelner Ornamentthpen aus
Pflanzenformen mit liebevoller Vsrtiefung Vvn den
frühesten Kunstanfängen an folgte.

Mancher Anlauf ist neuerdings genommen wor-
den, aber in breitcre Schichten ist der Gedanke noch
nicht gcdrungen, namentlich wohl, weil darin Schulen
und Lehrer ihre Pflicht versäumt haben. Es ist da-
her an der Zeit, daß Staat nnd Schule auch hier
eintreten, um dnrch Veröffentlichung guter Unterrichts-
werke für kunstgewerbliche Schulen und das Selbst-
studium der Handwerker das Jnteresse sür dieses vcr-
nachlässigte Gebiet zu förderu.

Auch bei solchen Lehrbüchern niüßte ähnlich wie
beim Unterricht verfahren werdcn. Es müßten einer-
seits die Naturfvrmen direkt wiedergegeben werden
mit ihren Details in Schnitten, Auf- und Untersich-
ten, Einteilungslinien nnd wichtigcn Punkten daneben.
Dem entgegen Versuche, diese uaturalistischen Formen
zu abstrahiren, in geometrische Linien umzusetzen und
sür verschiedene Zwecke und Techniken zu stilisiren.
Jn andereu Tafeln müßten in möglichst einfachen und
nur das Wesentliche gebenden Abbildungen muster-
gültige Kunstwerke aller Fvrmen: Bauteile, Geräte,
Gefäße, Gewebe u. s. w., gegeben werden, denen die
Motive cntgegenzustellen wären, welche aus der Natur
dafür entlehnt sind.

Ein solches Werk kann nur die Frncht einer
großen Sammlung von Studien sein. Es könnten
für die Ausführung auch die Kreise der Schüler mit
herangezogen werden, sowie die Vereinigungen selb-
ständiger Handwerker, welche dic Anregungen der
Schule in Kunstgewerbevereinen weiter Pflegen. Statt
Stipendiaten lediglich znm Stndium von Architektur
und Dekorationen srüherer Kunstperioden ins Aus-
land zu schicken, könnte man ihnen die Aufgabe stellen,
in anderen Ländern mit schöner entwickelter nnd rei-
cherer Flora inmitten von Kunstwerken, die zur Ver-
gleichung auffordern, Naturformen zu studiren und
mit Rücksicht darauf zu sammeln, daß diese Arbeiteu,
soweit sie dazu geeignet, in solchen Publikationen ein-
gcreiht werden könnten.

Für dieselben müßten aber keine Mittel geschcut
werden, um Hilfsbücher zu schaffen, welche gegenüber
dem Schwall der modernen Modepublikationen wirk-

lich im stande wären, dem Unterrichte zu nützen und
auch die weiteren Kreise zum Schaffen auf diesem Ge-
bicte anznregen.

Da bei uns der pflanzenarme und lange Winter
ein lebendes Unterrichtsmaterial selten macht, vielen
Schulen aber die Anschaffung oft gerade der wichtig-
sten Pflanzen (wie z. B. des Akanthus) bei dem
Mangel an Gewächshäusern unmöglich ist, sv müßte
neben der Sammlung trockener und gepreßter Pslan-
zen auch an Vervielfältigung einiger der notwendig-
sten typischen Pflanzenformen zu Unterrichtszwecken
gedacht werden, und zwar in Material, welches nicht
wie der Gips, die Formen nur einseitig zu geben
vermag, sondern es möglich macht, den Reiz des
Blattes, der Blume in ihren Uberschlagungen, Wellen,
Auf- und Untersichten studiren zu können. Es müssen
Versnche gemacht werden mit Metallpressungen, Nieder-
schlagsverfahren n. s. w., um wenigstens ein Art
Surrogatmaterial zur Belebung des Naturformgefühls
in Schulen zu schaffen, denen die Pflanze in der Na-
tur nicht zugänglich ist oder nicht immer znr Hand ist.

Es kann in dieser kurzen Anregung nicht der
Platz sein, auf alle Wege hinzuweisen, dic dem als
notwendig bezeichneten Ziele zuführen können. Diese
werden sich von selbst ösinen, wenn nur die Uber-
zcngung durchgcdrungen ist, daß es cin unumgäng-
liches Gebot ist, dem Studium der Naturformen an
allen einschlägigen Schulen zu seinem lange vernach-
lässigten, heiligen Rcchte zu verhelfcn.

Wie viele Kräfte in Dentschland Vvrhanden sind,
die diesen Gedanken fördern und selbstthätig unter-
stützen können, ist schwer zu sagen; manchem unter
den wenigen vielleicht dazu Berufenen wird unsre
rastlos thätige Gegenwart die stille, für das Werk
nötige Muße versagen; nicht zn bezweifeln ist es aber,
daß dem gesunden Gedanken, welcher dieser Aufgabe
zn Grunde liegt, das Jnteresse und die Lust an der-
selben mitzuarbeiten gesichert ist.

Der Gedanke liegt heute iu der Luft, und wenn
seinen Keimen ein fruchtbarer Boden und eine Ent-
wickelung zum Heile der Kunstindustrie zu wünschen
ist, so darf eine warme Teilnahme zuerst an den
Stellen voransgesetzt werden, von wo aus mit mehr
Erfolg für die Jdee gewirkt werden kann, als es
das Jnteresse einzelner vermag, bei Staat und Schule."

M. Mcurcr.

Todesfälle.

Dcr Dircktor dcr MLnchener Glyptothck, Hofrat Zoseph
von Hüther, ist am 23. Oktober gestorben.

Ausgrabungen und Funde.

x. — Aus Zägcrndorf wird der „Neuen Freien Presse"
geschrieben: An der Loggia des hiesigen sonst prunklosen
 
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