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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Angeli's Porträt Kaiser Wilhelms II.
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Das Schilling-Museum in Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0019

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Das Schilling-Museum in Dresden.

20

sitzt, nm sich im Herzen des Volkes einen dauern-
den Platz zu erobern.

6. v. I..

Das 5chilling-Museum iu Dresden.

Dresden, im September 1888.

bl. I-. Seit Mitte Juli hat sich die Zahl dcr
Dresdener Kunstsammlungen um eine neue vermehrt,
da Herr Professor Johannes Schilling um diese
Zeit die „Modellsammlnng" seiner Bildwerke eröffnet
hat. Dieselbe befindet sich in einem eigens zu diesem
Zwecke von dem Sohne des Knnstlers, Herrn Rudolph
Schilling, erbauten Gebäude an der Pillnitzer
Straße, das bei aller Einfachheit in der äußeren
Ausstattung doch nicht ohne künstlerische Wirkung ist
und jedenfalls das Lob verdient, die iu ihm zur Auf-
stellung gelangten Bildwerke in denkbar günstigster
Weise zur Geltung zu bringen. Wie sich erwarten
ließ, ist der Hauptnachdruck auf die Vorführung der
Modelle zu Schillings Niederwalddenkmal gelegt.
Der große, in der Mitte des Museums liegende Ober-
lichtsaal ist ausschließlich zur Aufnahme der für das-
selbe bestimmt gewesenen Gußmodelle eingerichtet.
Um dasselbe gruppiren sich die übrigen Räume, welche
zum Teil durch Oberlicht, zum Teil durch hohes
Seitenlicht vortrefflich beleuchtet werden. Die An-
ordnung des Ganzen ist mit seltenem Geschick ge-
troffen und gewährt einen würdigen, ja vornehmen
Anblick.

Trotzdem ist der Eindruck, den man aus dem
Museum mit fortnimmt, ein sehr gemischter, da dem
Beschauer neben einzelnen Arbeiten von hervorragen-
der Schönheit viel Unzulängliches entgegentritt und
die Schwächen des Künstlers nicht klarer veranschau-
licht werden konnten, als durch diese Zusammen-
stellung seincr hauptsächlichsten Arbeiten. Es bestütigt
sich hier aufs neue, was wir schon wiederholt hervor-
gehoben haben, daß die Bedeutung Schillings anf
seinen frei erfnndenen, genrehaften Werken mäßigen
Umfangs beruht, daß ihm aber die Kraft versagt ge-
blieben ist, größere, monumentale Schöpfungen so
lebendig durchzusühren, daß sie dem Fühlen und
Denken unseres durch und durch realistisch gesinnten
Zeitalters entsprechen. Dieser Forderung genügt, von
deni ganz unglücklichen Lutherdenkmal für Leipzig
abgesehen, selbst das Niederwalddenkmal nicht. Wir
sind überzeugt, daß wenn erst bei der Beurteilung
desselben an die Stelle der patriotischen Begeisterung
für das Zustandekommen des großartig gedachten
Werkes eine rein künstlerische Erwägung getreten sein
wird, die Erkenntnis von der Unzulänglichkeit des
Denkmals allgemeiner werden wird. Mag auch die
Figur der Germania schon wegen ihrer Größe im-

' Ponirend wirken, sv tritt doch das Theatralische in
^ ihrer Haltung bei längerem Beobachten recht störend
! hervor, während ihr nichtssagender Gesichtsansdruck
! je länger, je mehr jede Begeisterung erkalten läßt.
Und nun gar erst das große Relief: „Die Wacht
am Rhein", das, verfehlt in der Komposition, uns
nicht einmal durch die Porträtähnlichkeit der dar-
gestellten Fürsten nnd Kriegshelden entschädigt! Da-
gegen zeigen nns die an den beiden Seiten des Po-
stamentes angebrachten Reliefs, den Abschied und die
^ Wiederkehr der Krieger darstcllend, was Schilling leisten
kann, wenn er auf seinem Gebiete bleibt. Dasselbe gilt
auch von der Rhein-Mosel-Gruppe, vielleicht dem ge-
lungensten Teil des Werkes, während von den beiden
allegorischen Fignren des Krieges und des Friedens
namentlich die letztere mißraten ist, indem sie zu auf-
fallend an einen jener trikotbekleideten Friedensengel
erinnert, wie wir sie bei unseren Opernanfführungen
täglich auf der Bühne aufmarschiren sehen können.

Jn einer der Figur der Germania gegenüber-
liegenden gewölbten Halle hat das Modell des Ham-
burger Kriegerdenkmals Platz gefunden. Es besteht
aus einer Gruppe tödlich verwundeter Krieger, einem
mit seinem Pferd zusammengebrochenen Ulanen, einem
Jnfanteristen und einem Kanonier, denen ein Engel den
Lorbeer und die Palme reicht, und ist in jenem ma-
lerischen Stil gehalten, der, mehr anmutig und form-
vollendet als tief und wahr, bereits an den bekannten
Gruppen der Tageszeiten auf der Treppe der Brühl-
schen Terrasse wahrgenommen wird. Die größte Voll-
endung hat derselbe in dem Wiener Schiller-Denkmal
erreicht, das unter den monumentalen Arbeiten Schil-
lings unseren Erachtens das meiste Lob verdient.
Zwar ist die Gestalt des Dichters wie alle Porträt-
figuren des Künstlers ohne tiesere Charakteristik und
läßt den Schein wirklichen Lebens vermissen. Um so
mehr entzücken uns die am Sockel angebrachten sitzcn-
den Figuren der vier Lebensalter, rechts ein Jüng-
ling und Mann, zum Genius des Lichtes empor-
blickend, links ein Greis und Kind, von der Menschen-
liebe begrüßt. So sehr wir in diesen Werken den
hohen Schönheitssinn ihres Schöpfers bewundern, so
beklagenswert finden wir den eben erwähnten Mangel
an historischer Wahrhcit nnd feinerer Jndividnalisirung
bei den Statuen Mozarts und Beethovens für das
Leipziger neue Gewandhaus, die in halber Größe der
Originale an der dem Schiller-Denknial gegenüber-
liegenden Wand aufgestellt sind. Leipzig scheint über-
haupt kein Glück mit Schilling zu haben, denn auch
die nach dem Leben angefertigten Büsten von sechs
hervorragenden dortigen Universitätslehrern nebst der
des Ministcrs Falkenstein bleiben weit hinter dem
Maße dessen zurück, was wir gegenwärtig von einer
 
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