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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Haendcke, Berthold: Zwei Handzeichnungen von Hans Holbein d. J. in Bern
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https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0285

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Zwei Handzeichnungen von Hans Holbein d. j. in Bern.

Geringeren Namen drängt sich uns als Urheber des
Kunstwerkes aus, als der Hans Holbeins d. j.')

Wir sehen den Entwurf zu einem Glasgemälde
(breit ca. 38 em, hoch 23 vm). Auf einem mit Stein-
platten belegteu Gange steht im Vordergrunde die
kraftstrotzende Gestalt eines reich gekleideten Lands-
knechtes, der allerdings nur bis zum Gürtel sichtbar
ist. Er ist nach links gewandt. Das rechte Bein
hat er zur Seite gestellt, das linke energisch vorge-
setzt. Jn der rechten Faust hält er eine Lanze,
während die linke sein Schwert dicht unterhalb des
Grisfes umklammert. Links vor ihm steht der stark
einwärts gebogene Wappenschild vou Basel; hinter und
neben diesem erhebt sich Gebüsch und ein müchtiger Fels-
block. Jm Mittelgrunde wälzt quer durch die Breite
des Bildes ein Strom seine Fluten. Eine hölzernc
Brücke führt zum jenseitigen Ufer. Durch das be-
festigte Brückenthor treten wir in die Stadt, die leicht
am Berge aufsteigt. Beschützt wird dieselbe durch ein
kolossales Bollwerk zur Linken. Jm Hintergrunde
wird der Blick durch eine Kette spitz geformter Berge
begrenzt. — Welche Stadt dem Künstler hier als
Modell gedient hat, war mir nicht möglich zu er-
fahren. — Eingerahmt wird das ganze reiche Bild
links und rechts durch je eine schr kräftig und breit
geformte Renaissancesäule. Die linke steigt in einem
geraden Schafte vou einem niedrigen Sockel auf und
ist in einem Drittel der Höhe eingezogen, um dann,
wie es scheint, bauchig emporzustreben. Die andere
ist unten gedreht, sonst aber ähnlich gebildet. Akan-
thusblätter verzieren vornehmlich die Säulen und
laufen auch von dem Säulenfuß sich aufringelnd aus.

Was uns zunächst auf die Vermutuug führt, daß
wir eine Arbeit der genialen Hand Hans Holbeins d. j.
vor uns haben, ist die Gesamterscheinung des Blattes.
Eine Ansicht, die durch eiue geuauere Betrachtung nur
an Gewißheit gewinnen wird. Die Technik ist ganz
einfach: Feder und schwarze Tuschc. Die Führung
der Feder ist eine sichere, aber noch nicht vou jener
Eleganz, die wir in deu berühmten „Kostümbildern"
bewundern. Der Strich ist etwas brciter und kräftiger,
läßt aber in den Stoffen, ganz besonders in dem
kleiuen erhaltenen Stück des Ärmels unverkennbar
eine bestimmte Eigentümlichkeit des Meisters sehcn.
Holbein hat, wie bekannt, nicht zum wenigsten seine
bewunderungswürdige Wiedergabe der Stoffverschieden-
heiten durch ganz vereinzelte, jedoch sehr abgewogene,
zarte, hin nnd wieder abgesetzte Striche innerhalb der
Konturen erlangt. Diese sehen wir auch hier auf-
treten. Noch deutlicher haben wir die Autorschaft in

1) Unabhängig von mir ist auch der Direktor des
historischen Museums, Herr von Rodt, zu dieser Annahme
gelangt.

den Säulen zu bemerken. Auf diese passen völlig die
Wvrte Wvltmanns Bd. I, S. 162: „Holbein springt
bei solchen Aufgaben mit den Formen der Renaissance
in besondcrer Derbheit und Dreistigkeit um." Nicht
nur die allgemeine Bildung der Säulen, sondern auch
die Details, wie die Blätter, sind ganz in der Art
des Künstlers. Sie habeu jene für eine bcstimmte
Zeit charakteristische schlanke, spitz auslaufendeAkanthus-
form, wie sie die Blätter in Basel Nr. 52—62 und
auch noch einzelne Zeichnungen aus der Passion zcigen.
Ebensalls die kecke, rund skizzirende Angabe des Ge-
büsches, das mit einem grünlich gelben Ton getuscht
ist, wcist uns auf den genaunten Meister hin. Die
Lavirung ist warm nnd satt, aber noch nicht so flüssig
und malerisch, wie später z. B. in deu Kostümbildern,
sondern etwas strichartiger. Endlich darf das feine
Leben erwähnt werden, das die Gestalt in echt Hol-
beinscher Weise beseclt.

Der Art und Weise der technischen Ausführung
uach dürste die Zeichnung etwas früher als die Kostüm-
bilder entstanden sein.

Das zweite Blatt befindet sich in demselben Band
unter Nr. 14. Es ist abgebildet bei F. Warnecke:
Musterblätter für Künstler und Kunstgewerbetreibende,
Bd. I, Teil21. Auf einem niedrigen hufeisenförmigen
Unterbau erhebt sich ein Renaissancebogen. Vor den
kassettenartig ausgcsparten Pfeilern stehen je zwei ge-
kuppelte schlanke Säulen mit hoher Basis und Eck-
knollen, die sich auch obeu am niedrigen korinthischen
Kapitäl wiederholen. Der Bogen selbst, von dem zwei
kurze Blattgehänge herabhnngcn, ist mit Kassettcn, dic
mit stilisirten Rosen ornamentirt sind, ausgesetzt. Auf
dem Bogen stehen links ein Dudclsackpfeifer und ein
tanzendes Bauernpaar, dem in der rechten Ecke ein
zweites entspricht. Jn der Mitte ist ein lceres Spruch-
band angebracht. Ein wenig vor der Architektur stehen
aus dem Sockel ein bärtiger Landsknecht und eine
junge Frau, die ein Schild bewachen. Der Lands-
knecht zur Linken stützt sich lässig auf seine Hellebarde,
während die junge Frau ihm in der Rechten einen
gebuckelten Pokal hinreicht und mit der Linkcn das
Gewand aufnimmt. Am Podium selbst ist in kleineu
Zahlen 1524 angegeben. Zwischen den beiden vor-
springenden Ecken flattert ein Spruchband, das die
Bezeichnung trägt: Nnrtinus ^immermanu 1524.
Die Zeichnung ist mit Pinsel und bräunlicher Tusche
ausgeführt.

Einem jedem wird bei der Betrachtung dieser
Zeichnung sofort eine andere berühmte in die Erinne-
rung zurückgerufen werden: die Landsknechtzeichnung
von Hans Holbein d. j. in Berlin.

Der bärtige Landsknecht rechts im Berliner
Exemplar ist hier links absolut identisch wiederholt,
 
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