Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

DOI Artikel:
Hellmers Denkmal zur Erinnerung an die Türkenbefreiung Wiens (1683)
DOI Artikel:
Hager, Georg: Wolf Traut und der Artelshofer Altar
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0299

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
579

580

Wolf Traut und der Artelshofer Altar.

Werk, welches einen weiteren Fortschritt in der Ent-
wickelung des hochbegabten Künstlers bildet, durch den
neu angespornten Eifer des zu seiner Jnstandsetzung
berufenen Komitee's einer baldigen Vollendung zu-
geführt würde! ck. ll.

N)olf Traut und der Artelshofer Altar.

von Georg ksager.

Der Maler Wolf Trant, ein Zeitgenosse Albrecht
Dürers, war bis vor kurzem der Kunstgeschichte so
viel wie unbekannt. Zwar erwähnt ihn Joh. Neu-
dörfer in seinen „Nachrichten" und Nagler schreibt
ihm einige Holzschnitte zu, aber seine Gemälde waren
verschollen. Es sind nun etwa zwei Jahre, daß das
bayerische Nationalmuseum einen Altar erwarb, der
das Monogramm und die Jahreszahl 1514 trägt
und unzweifelhaft ein Werk des Wolf Traut ist.

Der Altar stammt aus dem Dorfe Artelshosen
in Mittelfranken. Das dortige unscheinbare Kirchlein,
das trotz eines Umbaues in den Jahren 1708—1710
noch manche Erinnerungszeichen an die früheren Pa-
tronatsherren bewahrt, ist den Überschwemmungen der
Pegnitz ausgesetzt, so daß die Bilder infolge der
Feuchtigkeit mit der Zeit dem völligen Untergang zu j
verfallen drohten. An einzelnen Stellen hatte sich
bereits der Kreidegrund abgelöst. Nach der vorzüg- j
lichen Restauration durch Konservator Alois Hauser >
prangt nun das Ganze wieder im alten Farbeuglanze.

Der Artelshofer Flügelaltar') besteht aus einer
im Kleeblattbogen geschlossenen Mitteltafel und zwei
feststehenden Seitenteilen; an der Mitteltafel befinden !
sich außerdem zwei Klappflügel. ?) Sämtliche Ge-
mälde sind auf Holz mit Kreidegrnnd ausgeführt.

Das Hauptbild stellt die sog. heil. Sippe dar. j
Links nnd rechts deutet eine Renaissancesäule eine
Halle an, mit freiem Ausblick auf die bergige Land-
schaft und den leicht bewölkten Himmel, in welchem ^
Gott Vater und der heil. Geist von einem Chor mu-
sizirender Engelchen umgeben erscheinen. Jn der Mitte
dieser Halle sitzen die Mutter Anna und die heil.
Jungfrau einander zugewendet auf einer Bank, hinter
welcher zwei in der Luft schwebende Engel einen
Brokatteppich ausgespannt halten. Maria hält das

1) Der Altar wird erwähnt in: 22. Jahresbericht des
histor. Vereins in Mittelsranken 1853, S. 14; Anzeiger für
Kunde der deutschen Vorzeit 1858, S. 176; Lotz, Kunsttopo- ^
graphie II, S. 18; Schöppner, Sagenbuch der bayer. Lande !
III, 1874, S. 143; Nagler, Monogrammisten V. 1879, S. 387 ;
vgl. auch R. Stiaßny in Lausers Allg. Kunstchronik 1887,
S. 814 ff.; W. Schmidt im Repertorium 1888, S. 354.

2) Größte Höhe der Mitteltafel 1,86 m, Breite 1,36 m,

Breite eines Flügels 0,67 m; Breite eines Seitenflügels
0,44 m. !

Jesuskind der heil. Anna entgegen, die mit der Linken
dessen HSndchen ergriffen hat, während sie ihm mit
der Rechten einen Apfel reicht; voll Lust strampelt
der Knabe mit den Füßchen. Zur Rechten der Mutter
Anna stehen die drei Ehemänner derselben, zunächst
Joachim, dann Salome und Kleophas; zur Linken der
Maria sehen wir St. Joseph im Gespräch mit dem
vor ihm stehenden Alpheus; vor letzterem sitzt rechts
unten in der Ecke dessen Frau Maria Kleophas mit
ihren vier spielenden Kindern: Judas Thaddeus init
der Keule, Simon mit der Säge, Jakobus minor mit
dem einem Geigenbogen ähnlichen Walkerbaum und
Joseph Justus. Jhr gegenüber sitzt links Maria
Salome, die den kleinen Jakobus maior zu sich empor-
hebt, während der hinter ihr stehende Gatte Zebedäus
sich zu ihr herabbeugt und die linke Hand des heil.
Johannes Evangelista gefaßt hält.

Die Komposition ist eine vorzügliche, nicht gesucht
und doch symmetrisch. Daß den drei Männern der
Anna auf der anderen Seite nur die Person des heil.
Joseph entspricht, stört keineswegs die Symmetrie,
sondern zeugt vielmehr von feinem künstlerischen Sinn,
indem so die höhere Bedeutung des Nährvaters Jesu
hervorgehoben wird und das geistige das körperlichc
Element überwiegt. Nicht beziehungslos zu einander
und zum Ganzen stehen die einzelnen Fignren: tresf-
lich hat der Meister sie in engeren Zusammenhang
gebracht und die Hauptpersonen deutlich charakterisirt.
Jndem Joseph im Gespräch zu Alpheus herabblickt,
dieser wieder mit einer Wendung des Kopfes zu jenein
hinausschaut, immerhin aber seiner Familie zugekehrt
bleibt und der kleine Jakobus minor wieder sich zu
seinem Vater wendet, wird unser Ange von Person
zu Person und von Gruppe zu Gruppe geführt. Die
Gruppe der Maria Salome, die schon für sich allein
ein reizendes Familienbild bietet, weist namentlich
durch die Handbewegnng des Zebedäus auf die Haupt-
personen zurück. Die drei Männer der heil. Anna,
die, wie es dem Alter gebührt, Zwiesprache und Rat
über die Vorgänge halten, sind deutlich als zusammen-
gehörig bezeichnet und doch mit den übrigen verbunden.

Das Ganze ist ein anheimelndes Bild deutschen
Familienlebens und Familienglücks gemütvoll und tief
poetisch, voll Weihe und stillen Friedens. Andachts-
und Sittenbild sind hier vereint. Allenthalben be-
merken wir die Beziehnng zur Wirklichkeit, zur Mit-
welt des Meisters und doch sühlen wir uns der Sphäre
des Jrdischen entrückt.

Die Darstellung der heil. Sippe die nach Alwin
Schultz i) vornehmlich mit einer Vision der seligen

1) Die Legende vom Leben der Jungfrau Maria, 1878,
S. 39.
 
Annotationen