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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Der neue Katalog der Kasseler Galerie
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Pariser Eindrücke
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https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0107

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195

Pariser Eindrücke.

196

cmfgegebenen Benennnungen, nnter Verweisung anf
die nen eingeführten, in die alphabetische Reihenfolge
mit aufzunehmen. Wie schwer es ferner fällt, bei
alphabetischer Anordnung die vielen „Unbekannten"
zu identifiziren, deren Anzahl gerade bei sorgfältig ver-
faßten Katalogen eine nicht unbeträchtliche zu sein
pflegt, zeigt klar genug der Berliner Katalog, der die-
selben unter den Namen der örtlichen Schulen, zn
welchen sie gehören, an 23 verschiedenen Stellen auf-
führt, statt sie in wenige Hauptgrnppen zusammenzu-
fassen. Ähnlich verhält es sich mit den zweifelhaften
und den Schnlbildern.

Bei einer praktisch angelegten systematischen An-
ordnnng werden die Ansichten der Knndigen über die
Stelle, wo ein Bild zu suchen ist, weit weniger aus-
einandergehen, als bei einer alphabetischen, welche das
Zusammengehörende erbarmungslos anseinander reißt.
Daß überdies die nach ersterem Gesichtspnnkt abge-
faßten Kataloge zugleich ein Bild von der Zusammen-
setzung nnd dem Charakter der betreffenden Galerien
zu geben vermögen, dürfte ein nicht zu unterschätzen-
der Umstand zu ihren Gnnsten sein.

Besitzt eine Galerie in unzweideutiger Weise ihren
Schwerpunkt in einer bestimmten Schule, z. B. das
Amsterdamer Rijksmuseum in den alten Holländern,
so mag sich die alphabetische Anordnung dieses ihres
Hauptbestandteils empfehlen; die vereinzelten Ver-
treter anderer Schulen oder der neueren Zeit wird
man aber dann gut thun, in einem Anhang oder in
einem gesonderten Alphabet zusammenzufassen.

v. 8.

jDariser Lindrücke.

II.

Die Madeleine, das Pantheon, die goldene Kuppel
des Jnvalidendomes und die Türme von St. Sul-
pice bilden die äußere Signatnr von Paris. Jn
jüngster Zeit ist noch die Kuppellinie mit dem flachen
Giebeldach der GroßenOper dazu gekommen. Bon
der Madeleine haben wir nicht weit dorthin. Das
massive Bauwerk überragt stolz seine Umgebung und
ist das architektonische Prunkstück des modernen Paris.
Fünfundvierzig Millionen Francs hat der Bau Gar-
niers verschlungen. Es sind darin aber auch die höch-
sten Leistungen der neueren französischen Kunst zur
Schau gestellt. Eine Vergleichung mit dem Wiener
Opernhause, welches ungesähr zu derselben Zeit ge-
baut wurde, liegt namentlich für den Wicner Be-
sncher nahe. Wir wissen, woran der Prachtbau van
der Nülls krankt und was seinen Totaleindruck am
meisten schädigt: es ist der Mangel eines kräftig anf-
ragenden Sockels; der Bau steckt zn tief in der Erde.
Einen Trost dafür bietet nns die Pariser Oper, wenn

wir ihre Hauptfassade betrachten — auch hier ist der-
selbe Konstruktionsfehler wahrzunehmen, wenngleich
durch andere Ursachen herbeigeführt. Auf kleinlichern,
fast zierlichem Unterbau ruht die über alle Maßen
schwere Loggia, das Foyer mit seinen starken Gliede-
rungen in vertikaler und horizontaler Richtung, nnd
darüber, um die Schwere des Mittelgeschosses noch
mehr zu beladen, eine wuchtige Attika mit breiter
Gesimsausladung und kolossaler Plastik. Der bau-
liche Organismus, die Vergeistigung der Masse nach
obenhin, erscheint demnach in dieser Fassade auf den
Kopf gestellt, so schön nnd herrlich die Details auch
sein mögen. Weit besser gliedern sich die Seiten-
fassaden und der rückwärtige Trakt des Gebändes, die
mit den Foyerräumlichkeiten in keiner weiteren Be-
ziehung stehen. Jm Ganzen viel Prunk und schwere
Pracht, wohin das Ange schaul, aber das künstlerische
Empfinden ist herb und steht mit dem Zweck des
Banes — als Wohnnng der Musen — in keinem
guten Einklang.

Freilich entschädigt uns dafür in mancher Hin-
sicht das Jnnere. Jm großen Foyer, dem Stiegen-
haus und Zuschauerraum entfaltet sich die Dekorations-
kunst mit einer Vornehmheit und einem Pomp, wie
es kaum in einem zweiten Gebäude der Welt ge-
funden werden mag. Vor allem im Stiegenhaus, in
welchem sich das Genie des Architekten am glänzend-
sten offenbart. Das große Foyer, der Prunksaal für
die Zwischenaktpromenade, leidet an verschwenderischer
Überfülle von Gold und Spiegeln, die auch Bandry's
Gemälde eher beeinträchtigt als hebt.

Goldglanz und Spiegel sind überhaupt die be-
liebten Dekorationsmittel in allen Pariser öffentlichen
Lokalen, den Cafäs, Restaurants w. Die Räume
sind in der Regel nicht groß; man multiplizirr sie
mit Spiegeln und maskirt alles mit Goldleisten. Ein
Caft Wittelsbach oder Lnitpold haben die Pariser
nicht. Stilvoll eingerichtete öffentliche Lokale findet
man überhaupt wenig. Die Reklame verträgt sich
eben selten mit künstlerischen Absichten; der Theater-
pomp, das Glitzernde, Spiegelnde, das das Ange be-
sticht, behält die Oberhand. Doch zurück zur Oper!

Ein feenhafter Anblick ist es, das Auge von der
Loggia aus nachts über die Avenue de l'Opera dahin-
gleiten zu lassen. Hier die vornehme Welt in den
lichistrahlenden Prunkräumen, und dort unten das
geräuschvolle, stets bewegliche Paris; Tausende von
promenirenden Fußgängern, dahinjagende Wagen und
dazwischen die Schar der schweren Omnibnsse, die mit
ihren dichtbesetzten Jmperiales mit staunenswerter
Leichtigkeit durch das Wagengewirre hindurch gelenkt
werden. So viel Vornehmheit, Glanz und Bequem-
lichkeit, und dabei wieder Gebräuche, die den Fremden
 
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