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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Amerling-Ausstellung in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0052

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Amcrlmg-Ausstcllung in Wieir

86

Amerling-Ausstellung in wien.

Ei» Ruudgung durch die vor kurzem erösfnete
Ausstellung des Österreichischen Kunstvereins giebt
eine dnnkenswerte knopve Übersicht über den Ent-
Wickelungsgang eines bedcutenden Künstlers. Die
Ausstellung gilt Friedr. Amerling, dessen Künstler-
^uf zmar in den letzten Dezennien mehr und mehr
berblaßt ist, dcr aber zu seiner Zeit wahrhaft Be-
beutendcs geschasfen hat. Die Höhe seincs Wirkcns
üegt in den dreißiger nnd vierziger Jahren. Denn
^ie letzten Dezennien seines Lebens waren mehr ein
srohes Genießen als ein Ringen nach künstlerisch
höheren Zielen.

Als Amerling vor kaum zwei Jahren (am
14. Januar 1887) aus dem Leben schied, hat die
^unstchronik die wichtigsten Punkte seines Lebens-
laufes verzcichnet. (Bd. XXII, Sp. 291 fs.) Wir
lvnnen in dem folgenden kleinen Bericht an die da-
wals gemachten Mitteilungen anknüpfen.

Aus der akademischen Studienzeit des Künstlers
stanimt Nr. 189 der Ausstellung, ein noch nnbeholfen
gmiachtes Portrat, auf das Amerling später mit
Tnite seinen Namen geschrieben hat und die Dati-
buug: „Prag 1826." Den gewiß sehr früh entstan-
lwnen mit großer Sorgfalt gemalten bartigen Modell-
lvpf, der kein Datum trägt (Nr. 79), möchte ich
lstcichsnlls in die akademische Lehrzeit des Künstlers
bersetzen. Ein unverhältmäßig flotter nnd kühner ge-
walter weiblicher Kopf (Nr. 89) soll nach einer spä-
leren Beischrift von der Hand des Künstlers 1827
vutstanden sein, wonach es scheint, daß diese Studie
schon unter Lawrence's Leitung oder Einfluß in Eng-
land gemalt ist.')

Unter dem ausgesprochenen Einslusse des be-
beutenden englischen Porträtmalers stehcn dann Amcr-
lings Bilder wohl noch zwei Dezennien lang nach
sviner Rückkehr aus England und Frankreich. Es
flnd das seine besten Werke, von denen die Aus-
llellung auch cine hübsche Anzahl aufzuweisen hat,
wenn man von einigen großen Bildnissen höchstgestellter
Persönlichkeiten absehen will, die in jener Periode
vNtstanden sind. Da ist gleich das kleine Brustbild
bvn einem seiner Brüder, das sich durch überraschende
lliimittelbarkeit auszeichnet (Nr. 40). Es trägt das

1) Die Nummer 189 ist von Hauptmann O. Beutel
uusgestellt, Nr. 79 van Fürst Joh. v u. z. Liechtenstein,
Ar. 89 von H. L. Pollak. — Amerlings Gedächtnis war in
ietzter Zeit unzuverlässig geworden. Jndes stammen die
Beischnsten auf Nr. 189 und 89 nicht aus den alten Tagen
bes Knnstlers und beziehen sich auf Zeitpunkte und Ereig-
uisse, die Amerling gewiß unwandelbar im Gedüchtnis hatte.
^ie Reiie von Prag nach England war sa doch das Ereig-
nis seines Lebens.

Datum 1829. Der blonde, mit einer Mütze be-
deckte Kopf des Knaben ist in freiem Licht gemalt,
das von rechts einsällt. Vollkommene Freiheit der
Hand verbindet sich hier mit der Gewissenhastigkeit des
strebsamen Jünglings, der noch dazu hier ein Vorbild
wiedcrgiebt, mit dem er höchst vertrant geworden sein
mußte.') Ein ähnliches Zusammentreffen günstiger
Umstände wird man auch bei dem glänzend gemalten
Profil annehmen dürfen, das den Bruder Josef des
Künstlers, den nachmaligen österreichischen Oberst dar-
stcllt.'ch Das erwähnte Bild (Nr. 36) stamnit aus
dem Jahre 1835. Auf einem anderen, in demselben
Jahre entstandenen Bilde, das einen „Ritter im Har-
nisch" vorstellt, werden die Vorzüge, die auch diesem
Werke innewohnen, durch die Fadheit des Gegenstandes
fast illusorisch gemacht.

Gesunder Farbensinn, grvße Klarheit der Form-
gebnng nnd flotte Malerei zeichnen diese Periode von
Amcrlings Schafsen aus, während welcher eine Reihe
der reizendsten Mädchenköpse und Frauenbildnisse ent-
standen sind. Unter den ansgestellten Werken aus jener
Zeit hebe ich noch hervor: die Halbfigur eines Türken
von 1832 3), das sittenbildartige Gemälde mit den
Fignren von Hofrat v. Littrow und seiner Frau, welcher
er eben diktirt^), ferner das Brustbild eines schönen
Mädchens ^), die Bildnisse von Schadow und Rauch "),
(beide aus dem Jahre 1837), das Porträt des jungen
Fürsten Jos. Adols zu Schwarzenberg (1838 gemalt).
Aus der Mitte der vierziger Jahre stammt eines der
vielen ausgestellten Selbstbildnisse (Nr. 23), das sür
Amerlings mittlere Zeit sehr bezeichnend ist. Nicht
zu vergessen sind auch ein kleines Hundeporträt vom
Jahre 1839 (Nr. 39), sowie die großen Genrebildcr
mit dem „Tanbenmädchen" (1840) »nd dem sog.
„Leiermädchen" (Nr. 55), das sich dnrch interessante
Lichtführung auszeichnet. Der „Studirende Jude"
ist ein hochbedentendes Genrebild. (Nr. 49.)

Die späte unangenehm bunte und weichliche Mal-
weise des Künstlers ist nach unserem Geschmack auf
der Ausstellung durch allzuviele Beispiele vertreten.
Der alte Amerling war kraftlos geworden nnd konnte
niit den Modernen nicht mehr Schritt halten.

Eine bisher wenig bekannte Seite von Amerlings
Talent, die Begabung für die heroische Landschaft,

1) Das kleine Bild ist im Besitz des Grasen Joh. A.
Breunner-Enkevoerth, dessen Sammlung viele der besten Ge-
mälde in der Ausstellung entnommen sind; so die weiter
unten erwähnte Nr. 26, 39, 55, 49 und 30.

2) Ausgestellt von Frau Hermine Amerling.

3) Nr. 26, im Besitz des Grasen Breunner.

4) Ausgestellt von Frau von Littrow-Bischoff.

5) Nr. 46, ausgestellt von Fürst Schwarzenberg.

6) Nr. 140 und >41 aus dem Nachlaß Amerlings.
 
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