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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Aus der Sammlung Lobmeyr in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0260

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501

Aus der Sammlung Lobmeyr in Wien,

502

Aus der 5ammlung Lobmeyr in lVien.

I.

R. Or. Nachdem der Hammer des Auktionators
die Schätze der Sammlung Klinkosch aus dem Wieuer
Künstlerhause in alle Winkel verstreut hat, siud in
demselben Raume ausgewählte Ölgemälde und Stu-
dien im Besitze L. Lobmeyrs zu einer kleiuen Leih-
ausstellung vereiuigt worden. Kaum sind es huudert
Werke, die da um die Beachtung des Besuchers werbcn,
aber gar manche Perle moderner Malerei ist darunter
und bietet dem, der dic Säleflucht der großen Jahres-
ausstelluug im Erdgeschoß durchmustert hat, noch ein
Viertelstündchen beguemen Genießens und beruhigen-
der Sammlung.

Da prangen vor allem die beiden Achenbachs
niit köstlichen Probcn ihrer Kunst. Oswald führt uns
nach Sonnenuntergang an den Tiber bei Rom und
breitet vor unseren Augen unendliche Weiten des
Firmamentes aus. Schon hat die Dunkelheit ihreu
Schleier entfaltet und die letzten Strahlen der Sonne
verscheucht, in ungewissem Scheine ruht die ewige
Stadt, aber hinter dem Vatikan uud den Ausläufern
der Stadt nach Nordosten zu strahlt freier Himmel
mit einer Klarheit, daß sich die Silhouette der Land-
schast hart nnd scharf abhebt. Jn die feierliche Ruhe
und Majestät dieses Naturbildes tritt, die Stimmung
vermittelnd, als belebendes Moment hinzu die Staffage
— Ächenbachsche Staffage. Keine gleichgültigenPuppen
und landschaftlichen Lückenbüßer, aber kühn hin-
gestrichene Gestalten, voller Leben, voller Charakteri-
stik und Entschiedenheit. Es sind Geistliche, die ein
Fackelträger geleitet hinab zu einem harrenden Boote
am Ufer des Tiber, dessen Wasser im Spiegelbilde
eine Ahnuug giebt von der großartigen Erscheinung
des nächtlichen Himmels. Das Bild stammt aus dem
Jahre 1881. Fünfunddreißig Jahre älter ist Oswald
Achcnbachs Ansicht des Nemisees, eine frühreife Frucht
der ersten italienischen Reise, farben glühend im
Sonnenuntergang und umwoben von romantischem
Zauber.

Aber auch der ältere Bruder, Andreas, ist mit
zwei vorznglichen Bildcrn zur Stelle. Ein anderer
Geist beseelt sie. Sie erzählen von Laune und Leiden-
schaft der Natur, nicht von beseligender Ruhe und
stiller Größe. Das Strandbild von 1875 zeigt Luft
und See bewegt noch nach einem Aufruhr der Ele-
mcnte, und über die Landschast (1870) ergießt sich
nach einem Gewitterregeu, der die Riunsale schwellen
ließ uud alles Grün zu frischcm Leben erweckt hat,
die ganze Herrlichkeit der Sonne, die siegend den
Nebeldunst verscheucht und mehr und mehr die Ferne
licht und klar durchwärmt.

Wie nnchtern nimmt sich gegen diese vier Werke
eine große bayerische Landschaft aus und Munschs
Motiv aus den Praterauen, wenngleich diese Bilder,
für sich betrachtet, manchen Reiz entfalteu! Calame
ist bei Lobmeyr mit einer Studie und einem aus-
geführten Bilde, einer Banmgruppe mit Ziegen (von
Verboeckhoveu) — natürlich Schweizer Motive —
gut vertreten; auch des Wieners Darnaut „Prater-
studie", ein kleines lachendes Frühjahrsbildchen, muß
hervorgehoben werden und ebenso A. Schelfhouts
holländische Landschaft. Auch Ed. Lichtenfels' Bildcr
würden wir nennen, wenn wir nicht bessere Arbeiten
dieses Künstlers im Sinuc hätten.

Von Troyou hat Lobmeyr zwei Werke ausge-
stellt. Eine flüchtige Skizze (Gänseherde) und eine
warme duftige Landschaft mit Mühle. Eugöne Jsa-
bey's Strandbild vom Jahre 1856 erreicht mit
wenigen Mitteln eine große koloristische Wirkung uud
leidet nicht an jeuer Körperlosigkeit und mangelnden
Ausdrücklichkeit der Zeichnung, die den einst über-
großen Ruf dieses sehr fruchtbaren und infolgedessen
oft flüchtigen Malers mit Recht geschmälert hat.

Eine Gruppe für sich bilden die Pettenkofen
der Sammlung Lobmeyr. Mehr als ein Dutzend
Gemälde und Gemäldeskizzen sind ausgestellt; sie geben
eine gute Vorstellung von der Vielseitigkeit und tech-
nischen Gewandtheit des Meisters, dem die Zeitschrift
demnächst eine eingehende Würdigung widmen wird.
Die Zigeunerhütte im Walde, ein ungarisches Fuhr-
werk, ein ungarischer Markt sind erlesene, vorzügliche
Werke. Spitzweg ist mit fünf allgemein bekannt
gewordenen Bildern vertreten. Der Bettelflötist, der
Besuch des Landesvaters, die nächtliche Runde, das
Mondscheinständchen und der Briefbote — sie atmen
alle den echten Spitzwegschen Humor uud redcn teil-
weise ebensowohl dem feinsinnigen Landschafter als
auch dem Architekturmaler das Wort.

Noch mancher Namen von stolzem oder bekanntem
Klange rühmt sich die Lobmeyrsche Galerie, Gauer-
mann, Rottmann, Danhauser, Waldmüller,
Markö, dann Piloty, Vautier (die Traucrbot-
schaft, Mädchen im Walde), Kurzbauer (die Karten-
schlägeriu), Seitz (die arme Geigersfamilie, der Zei-
tungsleser), Makart (Waldnymphe mit Fauu), Mu u-
kacsy, Jutz (Tierstück), Willems, Schmitson
(Schiffszug), Schoenu (Hochzeitszug in Ägypten)
Rud. Alt (Caual grande in Venedig), Eybl, Canon,
Ziem, v. Blaas (ein Czikos, der uns weit lieber
ist als alle die Ninettas in verschiedenen Varianten),
Aigner (Studienkopf) und endlich Pecht mit seinem
Goethe am Hofe zu Darmstadt.

Diese bunte Liste, welche auf Vollständigkeit keinen
Anspruch erhebt, begreift Maler unseres Jahrhunderts.
 
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