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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Aus dem Wiener Künstlerhause
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Pariser Eindrücke
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https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0092

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Pariser Eindrücke.

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gebiete spricht Munschs Talent mit unmittelbar fesseln-
Überzeugnngskraft. Die ganze Sammlung kommt
diesen Tagen durch Herrn I. C. Wawra nnter
^kn Hammer und wird gewiß ihren Anwert finden.

Auch unter den einzelnen Neuigkeiten der Perma-
"knten Ausstellung, für welche das Künstlerhaus in den
Eleineren Sälen und Zimmern des Neubaues jetzt eiu
^hr günstiges Lokal besitzt, findet sich noch manches Be-
"chtenswerte, auch zu Festgeschenken Geeignete. So
ä- B. die reizvollen kleinen Landschaften von C. v.
^ialchus,Zetsche, Melch.Fritsch, OlgaWisinger-
8lorian, die Blumenstücke undStilllebenmalereien von
^chuster und Camilla Friedlaender, die Genre-
dilder vou Emil v. Strecker, Temple u. a. Eine
lvstliche Uferpartie von Ed. v. Lichtenfels und zwei
bollendet ausgeführte Studien aus Ägypten von Marie
dÄüller, der feinbegabten Schwester unseresberühm-
^n Orientmalers, wurden in diesen Tagen von Sr.
^iajestät dem Kaiser angekaust. Mit zwei vortreff-
lßhen Porträts junger Damen kündigt Alex. Golz,
der ehemalige Schüler Feuerbachs, nach mehrjährigem
Aufenthalt in München seine Rückkehr nach Wien an.
^>e offenbar von Herkomer inspirirten, licht in licht
geinalten Bildnisse find von sprechender Wahrheit und
seiner Farbenempfindung und bekunden gegenüber den
"lteren und neueren historischen Gemälden des Künst-
lers einen erfreulichen Fortschritt.

pariser Lindrücke.

I.

Wenn ich hiermit mein Versprechen einlöse und
>chiien über meine diesjährige Fahrt nach Paris einen
lleinen Reisebericht erstatte, so bitte ich von vorne-
herein, darin keine weltüberraschenden Entdeckungen
oder kritische Erörterungen über den Staud der fran-
övsischen Kunst zu erwarten.

Es sind schlichte Notizen eines ruhigen Beob-
"chters, Spiegelbilder der mannigfachen Eindrücke,
bielche der Fremde in der buntbewegten Weltstadt
hkute empfängt. Das pvlitische Tischtuch ist seit
l^ngem zwischen uns Deutscheu uud unsern westlichen
^achbnrn entzweigeschnitten, und die neuesten Paß-
blackereien sind auch nicht gerade geeiguet dazu, daß
^ich die getrennten Fäden wieder zusammen finden.
^st es ja doch der ausdrückliche Wille der Macht-
hober, die Kommunikation mit Frankreich möglichst zu
beschränken, ja, wenn es anginge, ganz aufzuheben,
bamst die geschlagenen Wunden in der Abgeschlossen-
heit ruhiger vernarben können. Nun — Gott gebe
daß die Maßregel vom Erfolg gekrönt werde!
Bis dahin aber — und es dürfte noch einige Zeit
bauern — müssen wir, um mit der Seinestadt im
^ontakt zu bleiben, unseren Weg über Basel nehmen:

' die französischen Revisoren in ?stit-6roix sind die
gefälligsten Leute von der Welt und xasss-xar-touts
kennt man nur vom Hörensagen. Es sei damit ge-
sagt, daß trotz der deutschen Grenzsperre also Paris
noch zu erreicheu ist, und sogar recht billig und an-
genehm! Auf dem Münchener Centralbahnhof löst
man sein Rundreisebillet um 100 Mark, fährt über
Basel an die Seine, und über Bingen-Frankfurt wie-
der zurück.

Wir halten des Wagenwechsels wegen kurze Rast
in Zürich und bemerken, daß die beiden gipsernen
Kolossallöwen am neuangelegten Hafen nunmehr in
Stein gemeißelt eine bleibende Zierde der herrlichen
Anlage bilden. Dann geht es die Höhenzüge des Jura
hinan. Wir verlassen den Zug, um im alten Basel
einzukehren.

Steigt man doch gern wieder einmal zu der alten
Rheinbrücke hinab oder ergötzt sich auf der schattigen
Domterrasse am Anblick des ruhig dahinflutenden
Stromes und der an den Ufern friedlich gelagerten
Stadt, die immer mehr und mehr sich in ein modernes
Gewand hüllt. Altes Gemäuer wird fleißig nieder-
gerissen, um Neubauten Raum zu verschaffen und reiz-
volle Anlageu drängen sich zwischen die Häusermassen.
Der prächtige Münsterbau aber blickt, nunmehr voll-
ständig restaurirt, stolz von der Höhe auf die Stadt
hernieder. Nnd welche seltenen Genüsse bietet dem
Kunstsreunde das Museum mit seinen Holbein-Schätzen!
— Als man vor etwa fünfzehn Jahren in Paris
daranging, ein umfassendes Vorlagenwerk für das
Figurenzeichnen an höheren Kunstschulen herauszugeben
und Goröme die Auswahl der Blätter übernahm,
wurde Bargue, der treffliche Zeichner, zunächst nach
Basel geschickt, um die berühmten Holbeinköpfe zu
kopiren; sie zieren die Wände der Zeichenschulen in
Frankreich, und wir beziehen die Blätter um teueres
Geld von den Pariser Verlegern. Es ist dies cha-
rakteristisch für die Nation, die gewiß genug Hand-
zeichnungen ihrer großen Maler zur Verfügung hat,
daß sie in Sachen des Kunstunterrichts sich über den
nationalen Standpunkt hinwegsetzt und das Beste dort
nimmt, wo es eben liegt. — Holbeiu, seine Zeich-
nungen und Gemälde einerseits, andererseits aber auch
die Bilder der berühmten Schweizer neuester Zeit —
ich nenne Calame, Böcklin, Vautier, Koller — bereiten
dem Besucher des Museums die glücklichsten Stunden.
Vautiers „Verschuldeter Bauer" ist vielleicht das tiesst-
empfundene Gemälde, das der unübertroffene Meister
gemalt hat, und Calame's „Wetter- und Schreckhorn"
dürfte den Höhepunkt der Kunst des großen Land-
schafters bezeichnen. Böcklin, der sich seine dämonische
Wasserwelt selbst geschaffen hat, brachte auf der
Münchener Ausstellung ein Gegenstück zu seinem
 
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