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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Aus dem Wiener Künstlerhause
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https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0091

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Aus dem Wiener Künstlerhause.

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kennzeichnet. Die schönsten der Blätter, welche alle
nicht übermäßig hoch im Preise stehen (2—300 Fl.
etwa), waren gleich in den ersten Tagen der Aus-
stellung von hiesigen Licbhabern angekauft (so die
Weide am Wasser und das Schloß am Loch Awe in
Schottland), und es sollte uns wundern, wenn sie!
nicht sämtlich in Wien blieben.

Wir durchschreiten die kleinen Säle links, in
welchen Franz Alt und I. v. Berres ganze Samm-
lungen ihrer ansprechenden Studien und Skizzen aus-
gestellt haben, und stehen in dem zu einem förmlichen
Kunsttheater umgeschafsenen „deutschen Saal" welcher
Victor Tilgners plastisches Projekt sür die Umge-
staltung des Rathausparkes enthält. — Es mögen
etwa 12—15 Jahre verflossen sein, seit die ersten
Beratungen über die Anlage dieses architektonisch .
glänzendsten Platzes im neuen Wien gepflogen wurden.
Ein vom Biirgermeister Felder einberufenes Komitee,
dem u. a. die bedeutendsten Architekten und Kunst-
gelehrten Wiens angehörten, sprach sich für eine vor-
wiegend architektonische Lösung der Platzanlage, d. h.
für einen regelmäßig angelegten Park mit geraden
Verbindungswegen, stimmetrisch angeordneten Brunnen,
Sitzplätzen u. dergl. aus. Die Mitte vor dem Rat-
hause blieb einem großen Denkmal vorbehalten. Dieser
gewiß im Wesentlichen zutreffende Vorschlag ist nur
zur Hälfte verwirklicht worden. Der damalige Stadt-
gärtner Siebeck hat aus dem Rathausplatz einen Park
gemacht, der nls Garten sehr schön und erfrischend,
aber inmitten von vier großen Monumentalbauten und
als Centrum eines stets wachsenden Verkehrs nicht
praktisch ist. Das Bedürfnis einer Änderung des

Bestehenden macht sich daher seit längerer Zeit
fühlbar.

Ein angesehener Wiener Kunstfreund, Baron
Leitenberger, stellte unserem rühmlichst bekannten
Bildhauer Tilgner die Mittel zur Verfügung, um
ein von ihm entworfenes Projekt Plastisch darzustellen.
Jn der Größe von 1:24 der Natur (etwa 15 Meter
lang) sehen wir den Platz in einen Park nach alt-
französischem Muster umgewandelt, mit figurenreichen
Brunnen, schlanken Taxusbäumchen, niedrigen be-
schnittenen Hecken, Blumenbeeten in regelmäßig ge- !
wundenen Linien, dazwischen bekieste Wege, von Stein-
brüstungen begleitet, au den beiden Enden zwei ^
säulengetragene Wandelbahnen und in der Mitte gegen
den Ring zu ein großes, von einem Baldachin über-
ragtes Monument. Die drei mächtigen Bauten, welche
den Platz umsäumen, Parlament, Rathaus und Uni- >
versität, sind nebst den sie verbindenden Häusergruppen ^
als Umrahmung dazu gemalt. Der Slandpunkt ist vor
dem neuen Burgtheater angenommen. Es ist unleug-
bar ein überraschendes Ensemble, das als verkörperter

Gedanke eines patriotischen Kunstfreundes gewiß alle
Anerkennung verdient.

An die Ausführung des Projektes wird jedoch
im Ernst wohl niemand denken wollen. Ganz abge-
sehen davon, daß der plastische Teil des Entwurfes
jeder Originalität entbehrt — es sind dazu bei einem
halben Dutzend einheimischer und auswärtiger Monu-
mente denn doch gar zu handgreifliche Anleihen ge-
macht — so würde die Wiener Bevölkerung sich schwer-
lich einen so sonnigen und staubigen Platz mit diesen
niedrigen, kleinlichen Zierpflanzen und Hecken an Stelle
des grünen Rathausparkes gefallen lassen. Auch die
Tilgnerschen Wandelbahnen, selbst wenn man sie rück-
wärts verglasen wollte, böten uns nur einen ärm-
lichen Trost für die in Wien schmerzlich vermißten
Arkadengänge. Zu einer Anlage, wie sie den Parisern
in ihrem Palais Royal, den Münchenern in ihrem
Hofgarten geboten ist, kann auf dem Rathausplatze
nun und nimmermehr die Möglichkeit geschaffen wer-
den. Das muß dem im Werke begriffenen Zukunftswien
mit seinem neuen Boulevard und seiner neuen Radial-
straße vorbehalten bleiben. Das Einzige, was man
dem Siebeckschen Park ernsthaft wünschen muß, ist
eine bessere Kommunikation für die Hauptverkehrs-
liuien und die Anlage schöner, mit Plastik reich aus-
gestatteter Brunnen. Die letzteren denken wir uns
aber nicht als billige Nachahmungen der Fontainen auf
der Piazza Navona oder von Versailles oder Schön-
brunn, mit ihren barocken Wassergöttern und Najaden,
sondern als wahrhaft moderne Schöpfungen von ori-
gineller Erfindung, um eudlich auch auf diesem Ge-
biete von der gedankenlosen Zopfsimpelei loszukommen.

Das Künstlerhaus enthält serner zwei Nachlaß-
kollekiionen eines uugarischen und eines österreichischen
Landschafters, deren Durchsicht dem Kunstfreunde
mannigsachen Genuß gewährt. Ein Saal im Par-
terre umfaßt die Studien und Skizzen des trefflichen
G. v. Meszöly, lauter kleine, fein gestimmte Bild-
chen von der schlichtesten, aber zum Herzen sprechen-
den Poesie, in deren oft nur hingehauchten Tönen
eine echte, tiefe Naturempfindung atmet. — Umfassen-
der nach Zahl und Stoffgebiet ist der im oberen
Mittelsaal vereinigte Nachlaß des uns im letzten
Sommer plötzlich entrissenen Leopold Munsch (geb
15. Juni 1826). Die reiche Schönheit der öster-
reichischen Alpenwelt, der liebliche Wiener Wald, die
wildromantischeu Donauufer, die !>lauen Seen des
Salzkammergutes, die gewaltigen Gletscher Tirols,
die sonnigen Küsten der Adria, alles liegt in diesen
srisch und lebendig aufgefaßten Studien, Zeichnungen,
Aquarellen und Ölbildern vor uns ausgebreitet. Vor-
zugsweise aus den kleinen Ölgemälden mit Motiven
aus den Alpen und dem niederösterreichischen Wald-
 
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