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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Berliner Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.6239#0059

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99

Chr. Mohr f.

199

regatta auf der Spree" von neuem seiu glückliches
Talent für lebendige Schilderung des modernen
Lebens bewährt, hier freilich mehr nach der Seite der
Jllustration, über welche die Darstellungen, bei denen
von Komposition im künstlerischen Sinne keine Spur
zu finden ist, nicht hinauskommen. Ein Bildnis des
verstorbenenPredigers Sydow von Kreyher in Bres-
lau imponirt ebensosehr durch die Energie und Tiefe
der Charakteristik als durch die plastische Kraft der
Modellirung und durch die ernste Haltung des Kolo-
rits. Die Bedeutung einer so gediegenen Arbeit fällt
um so schwerer ins Gewicht, wenn man die für Por-
träts ausgegebenen Grimassen der neuesten Natura-
listen zum Vergleiche heranzieht, wofür die Ausstellung
ebenfalls gesorgt hat. Eine achtungswerte Leistung
ist auch ein etwas phantastisch inscenirtes Selbstbild-
nis (Kniestück) vou H. Kuhtz, einer Dame, welche
sich bisher nur in Stillleben versucht, hier aber den
Beweis geliefert hat, daß sie ernste Studien nach van
Dyck, Rembrandt und ähnlichen Mustern gemacht, die ^
zunächst in der glücklichen Behandlung des Helldunkels
und in der glänzenden Wiedergabe der Stoffe zum
Ausdruck gekommeu sind.

Die Ausstellnng von Eduard Schulte glänzt
wie gewöhnlich durch eine lange Reihe großer Namen
unter denen auch interuationale Bernhmtheiten wie
Meissonier, Troyon, Diaz und Herkomer ver-
treten sind, die drei ersteren freilich mit Bildern, welche
man höflich als „Visitenkarten" zu bezeichnen pflegt.
Herkomers Porträt Stanley's steht mit seinem derben
robusten Malwerk in schroffem Gegensatze zu dem
duftig hingehauchten, zart vertriebenen Kolorit, wel- ^
ches der Miß Grant einen wesentlichen Teil ihres
Nimbus verschafft hat. Zu diesen vier Ausländern
gesellt fich noch der Spanier Josä Alcazar Tejedor
mit einer Taufe in der Sakristei, deren zahlreiche
Figuren in der koketteu Tracht aus dem Ende des
Vvrigen Jahrhunderts in dem bekannten prickelnden
Stil der Fortuny-Nachahmer gezeichnet, kolorirt und
blank und nett herausgeputzt sind, und der Jtaliener
Dall'Oca Bianca, dessen venetianische Straßen-
scene „Die Lästermäuler" etwas tiefer in die Cha-
rakteristik geht, als es sonst bei den italienischen
Genremalern der Fall ist. Solidere Vorzüge hat
Vautiers neuestes Bauernbild „Ein neues Gemeinde-
mitglied", ein zur Kirche getragener Täufling, wel-
cher unter der Vorhalle von den Kirchgängerinnen
gemustert wird. Wenn Vautier auch hinter der mo-
dernen koloristischen Bewegung stark zurückgeblieben
ist, so wird die Liebenswürdigkeit und Mannigfaltig-
keit seiner Charakteristik doch immer den Sieg im Wett-
kampf mit den Kostümmalern der neuesten Schule da-
vontragen, welche gegenwärtig bei Schulte durch M.

Volkhart, E. Meisel, C. Kiesel, A. Schröder,
einen Nachahmer von Klaus Meyer, und Hugo König
vertreten ist, welcher letztere übrigens ernstere Eigen-
schaften zu besitzen scheint und sich auch als Kolorist
von der leeren Atlas- und Sammetwämsermalerei
emanzipirt. Mit den in Öl gemalten Bildnissen von
Koppay, welcher auf dem besten Wege ist, an den
europäischen Fürstenhöfen die Rolle von Stieler und
Winterhalter wiederaufzunehmen, kann man sich nicht
ernsthaft befassen. Der junge König von Spanien,
welchen der Künstler anf einem Wiegenpferde sitzend
in Lebensgröße und noch dazu mit einer riesigen Da-
mastgardine im Hintergrunde porträtirt hat, ist noch
wehrlos und muß alles Ilnheil über sich ergehen lassen.
Wenn aber die erwachsenen Damen, deren Bildnisse
gleichfalls ausgestellt sind, eine derartige Be- oder
eigentlich Mißhandlung ruhig mit ansehen, so hat der
Kritiker noch weniger Ursache, ihre Sache gegen den
Maler zu führen. Zwei ganz neue neapolitanische
Abendlandschaften von Oswald Achenbach zeugen
wiederum für die erstaunliche Produktionskraft des
Meisters, die trotz der Massenarbeit anch ein ver-
wöhntes Auge noch zu erfreuen, nicht selten sogar zu
überraschen weiß.

Nekrolog.

Z Christian Mohr ch. Um die Mittagstunde des
13. September ist der Bildhauer Christian Mohr,
im 65. Lebensjahre an einem Herzleiden zu Köln sanft
verschieden. Jn ihm ist eine Persönlichkeit dahin-
gegangen, welche über vier Jahrzehnte lang als aus-
übender Künstler wie als Kenner des Altertums und
als Kunstschriftsteller eine bedeuteude Wirksamkeit in
nud um Köln und weit über die niederrheinischen
Lande hinaus entfaltet hat.

Mohr war zu Andernach geboren. Nach einem
gediegenen Mittelschulunterricht trat er bei einem köl-
nischen Bildhauer bescheidenen Ranges in die Lehre,
arbeitete dann bei tüchtigen Meistern zu Koblenz und
Mainz, worauf er im Jahre 1845 seine eigene Werk-
stätte zu Köln gründete. Eine ösientliche Kunstlehr-
anstalt hat Mohr nie besucht. Frei auf sich selbst ge-
stellt, ansgerüstet mit einer seltenen Energie des
Willens und getragen von einer mit Eifer erstrebten
klassischen Bildung, deren Einwirkungen er seiu ganzes
Leben hindurch treu hütete, gelang es seinem hoch-
begabten Geist, die kunstakademischen Hilfswissenschaften
in so ungewöhnlichem Grade sich anzueignen, daß bei-
spielsweise seine Kenntnis der Anatomie des mensch-
lichen Körpers selbst den gewiegtesten Fachmännern,
Arzte nicht ausgenommen, imponirte.

Jm Beginn seiner Laufbahn mehr der Orna-
mentik zugeneigt, ging er alsbald zur Figurenplastik
über. Mit welchem Erfolg dies geschah, bezeugen
seine Erstlingswerke auf diesem Gebiet, zwei Mas-
caronköpfe in Holz an der Thüre eines kölnischen
Privathauses und die Steinstatue des Apostels Matthias
in der Kapelle auf der Burg zu Kobern an der Mosel.
 
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