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Baumeister: das Architektur-Magazin — 9.1911

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Heft 10
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Westheim, Paul: Der Stadtbaumeister
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https://doi.org/10.11588/diglit.54602#0127

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DER BAUMEISTER • 1911 JULI.

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Kleinwohnungen für gemeindl. Bedienstete und Arbeiter, München. Ansicht Thalkirchnerstrasse.

wohl aber eine Unterordnung des technischen Konstrukteurs
unter den Architekten, der räumlich und weiträumig Städtebilder

und zwar für unsere Begriffe wäre es das einzig Mögliche,
eine Vereinigung in der Hand des architektonisch schöpferi-


von grossem Zug entwickeln soll. Es ist wohl nicht zu hart ge-
sagt, wenn man den heutigen Zustand, der dem Stadtbaumeister
die Aufgabe gibt, monumentale und repräsentative Bauten zu
errichten in den Brennpunkten einer Anlage, auf die er keiner-
lei Einfluss ausüben konnte, als Dilettantismus bezeichnet.
Ein Dilettantismus, der mit verantwortlich ist für so manchen
schlimmen Zug in der Physiognomie der neuen Grossstädte.
Eine solche Trennung zwischen der Stelle, die den Stadtplan
gestaltet und der anderen, die dann in diesen Plan hinein
ihre Bauten setzt, erscheint uns einigermassen unverständlich.
Das Natürliche wäre doch eine Vereinigung dieser Gewalten

sehen Gestalters. In dieser Richtung scheinen ja auch die
Erwägungen zu liegen, die neuerdings — in Preussen wenig-
stens — die massgebenden Regierungsstellen beschäftigen.
Womit keineswegs gesagt sein soll, dass für die Stadtbau-
ämter eine Erweiterung des Arbeitsbereiches zu erwünschen
wäre. Im Gegenteil. Gerade die heutige Ueberlastung, dieses
beinahe unmögliche Verhältnis zwischen Arbeitslast und
Arbeitskraft bringt diese Institution um ihre fruchtbarsten
Möglichkeiten. Abgesehen von den selten erquicklichen Aus-
einandersetzungen, die nun einmal dazu gehören, wo nicht
ein Einzelner, sondern eine von parlamentarischen Kollegien
abhängige Verwaltung der Auftraggeber ist,
sieht sich die Mehrzahl dieser kommunalen
Architekten gezwungen, ihre Kräfte an gleich-
gültige Tagesaufgaben, an Flickarbeiten klein-
lichster Art zu verzetteln. Und zwar so sehr,
das sie über diesem Wust immer mehr
die Initiative und den Blick ins Weite
verlieren müssen. Es ist fast immer ein
aussergewöhnlicher Glückszufall, wenn der
Stadtbaumeister die Person ist, von der gross-
zügige Anregungen ausgehen. Meistens hat er
alle Not, fertig zu werden mit dem, was Tag
für Tag an ihn herankommt. Sehr zum Schaden
unserer Städte. Die verpassten Gelegenheiten,
über die immer geklagt wird, müssen sich not-
wendigerweise einstellen, wenn man den
Menschen, der berufen wäre, die Initiative zu
ergreifen, mit lähmenden Bleigewichten behängt.
Schumacher betont ganz mit Recht: „Was wir
an ästhetischer Städtekultur schon erreicht
haben, es hängt nicht an Organisationen, son-
dern an einzelnen Persönlichkeiten, welche die
gute Organisation, die Vorbedingung ist, erst
fruchtbar machen. Und erstaunlich ist es zu
sehen, welch eine Kulturwelt Einzelne haben
entstehen lassen können, wenn ihnen der Macht-
strom, der durch die Verwaltung einer Stadt
geht, in die Hand geführt wurde. In wenigen
Jahren vermögen sie das zu leisten, was sonst
nur Generationen ausgestalten konnten. Das
künstlerische Bild aber dessen, was der richtige
Mann als künstlerischer Interpret einer Stadt
zu schaffen vermag, zeigt natürlich mit gleicher
Schärfe, was alles verloren geht, wo ein Gleich-
gültiger oder gar ein Unrichtiger auf demselben
Posten steht.“
An einzelnen Orten ist man ja schon zu einer
Entlastung geschritten. Man hat nämlich, wenn
sich ganz grosse Bauaufgaben boten,
wenn ein Rathaus oder sonst ein hervorragen-
des Gebäude zu errichten war, den Stadtbau-
meister einfach ausgeschaltet. Ein
Preisausschreiben wird erlassen und einem der
Privatarchitekten schliesslich die Ausführung
übertragen. Dieses Verfahren hat gewiss seine
Vorzüge. Die Konkurrenz kann einer Gemeinde
eine überraschend glückliche Lösung erbringen.
Andererseits ist sie wünschenswert im Interesse
aller nichtbeamteten Architekten, die durch sie
die Möglichkeit haben, vor bedeutende öffent-
liche Aufgaben gestellt zu werden. Prinzipiell
etwas dagegen zu sagen, wäre verfehlt. Allein
vom Stadtbaumeister aus gesehen, kann es
nicht gerade anregend wirken, wenn er be-

Arch. Rob. Relilen, München.

Kleinwohnungen für gemeindl. Bedienstete und Arbeiter, München.
Einfahrt Thalkirchnerstrasse.

schränkt bleibt auf das tägliche Kleinwerk und
sich ausgeschlossen sieht von jeder monumen-
 
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