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Baumeister: das Architektur-Magazin — 9.1911

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Heft 2
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Behrendt, Walter Curt: Kirchenbauten, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.54602#0264

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Beilage BAUMEISTER monatshefte für ARCHITEKTUR
1910, NOVEMBER IX. JAHRGANG, HEFT 2


Arch. Jürgensen & Bachmann, Charlottenburg.

Kapelle in Hessenwinkel b. Berlin.

Kirchenbauten.

11. Jürgensen & Bachmann.
Wenn man sich, um ein übersichtliches Bild von der bau-
künstlerischen Entwicklung unserer Zeit zu gewinnen, die
Fortschritte in der künstlerischen Gestaltung moderner Bau-
gedanken für jedes Einzelgebiet — Landhausbau, Wohnhaus-
bau, Geschäftshausbau, Theaterbau usw. — in einer Tabelle
graphisch aufgetragen denkt, so würden sich ohne Zweifel für
die Monumentalarchitektur die geringsten Staffelwerte ergeben.
Es kann diese Erscheinung damit erklärt werden, dass heute
noch auf allen Einzelgebieten die prinzipiellen Fragen im
Vordergrund stehen. Ihre Lösung erfordert die dringlichste
Arbeit der Architekten und beansprucht den besten Teil ihrer
Organisationskraft. Erst wenn diese sozusagen nur vor-
bereitende Arbeit infolge einer allgemeinen Klärung der Bau-
ideen sich von selbst erledigen wird, wenn das, was heute
noch Prinzipienfragen sind, schon Gemeinbesitz geworden ist,
wird auch die Monumentalarchitektur neu erstarken und zu
selbständigen Formen gelangen.
Auf keinem ihrer Gebiete sind diese prinzipiellen Fragen
weniger noch gelöst als auf dem der Sakralbaukunst. Da der
neue religiöse Geist, dem sie einen monumentalen Ausdruck
sucht, bis heute in keinem Punkte schon über sich selbst Klar-
heit gewonnen hat, geschweige denn greifbare Formen hat
ausbilden können, so ist auch die Sakralarchitektur am meisten
noch auf stilistische Anlehnungen angewiesen. In ihren besten
Leistungen aber ist sie Tendenzkunst, erfüllt von den Forde-
rungen, die im Programm der modernen architektonischen
Bewegung an erster Stelle stehen: Zweckmässigkeit und Pflege
heimischer Bauweise. In diesem Sinne sind die hier veröffent-
lichten drei Kirchenneubauten der Architekten Jürgensen
und Bachmann, Charlottenburg wertvoll nicht durch die
Fülle grundsätzlich neuer Gedanken, sondern durch eine im
charaktervollen Betonen des Negativen ausgezeichnete Ge-
staltungskraft, und vorbildlich als Beispiele, wie die schwierige,
aber darum nicht seltene Aufgabe des protestantischen Kirchen-

I baues mit den schlichten Ausdrucksmitteln der modernen Bau-
kunst sachlich und ausdrucksvoll gelöst werden kann.
Die Kirchen in Flensburg, Karlshorst und Hessenwinkel
repräsentieren drei verschiedene Typen: die völlig isolierte
Stadtkirche mittlerer Grösse, die kleinere Stadtkirche, kombi-
niert mit Pfarrhaus, Küsterwohnung und Konfirmandensaal
und endlich die einfache Dorfkirche bescheidenster Abmessun-
gen. In der Grundrissbildung haben die Architekten jedes
Zugeständnis an das hergebrachte Schema vermieden. Sie
gingen davon aus, dass das protestantische Gemeindehaus ein
Saalbau sein muss. Ihre Grundrisse zeigen durchweg, eine
oblonge Grundform, die den Zwecken der Predigthalle am
besten entspricht. Auf die falsche, weil durch die gottesdienst-
liche Handlung nicht geforderte Betonung der Chorpartie wird
verzichtet und die Altarwand gerade, ohne Apsis geschlossen.
Gegenüber der Kanzel- und Altarseite ist die Orgel- nnd Sänger-
empore angeordnet, an den beiden Längsseiten ziehen sich
schmale Emporen für die Gemeinde hin. Die Längenausdeh-
nung ist im Verhältnis zur Breite nur gering, sodass im Innern
eine Konzentration der Plätze um die Kanzel ermöglicht wird.
Es ist also gewissermassen in der Grundrissdisposition der
Charakter der Zentralanlage gesucht, wie sie für den pro-
testantischen Gottesdienst wünschenswert erscheint, dessen
wesentlicher Teil die Predigt ist. Vielleicht wäre darum eine
noch nachdrücklichere Betonung der Kanzel am Platze, die
fast immer seitlich angeordnet wird, während der Altar in der
Hauptachse liegt.
Bei der Neustadtkirche in Flensburg ist, gemäss der durch
das ansteigende Gelände bedingten Situation, der Haupteingang
an die Seite gelegt, zugänglich von einer breiten Freitreppe,
die sehr glücklich zum architektonischen Hauptmotiv der Front-
durchbildung gemacht wurde. Durch das Portal betritt man
die breite Vorhalle, in deren Unterbau ein Konfirmandensaal
angeordnet ist. Bei der Kirche in Karlshorst, für die ein sehr
günstiger, regelmässiger Bauplatz in noch unbebauter Gegend
 
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