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Kunststatistische Uebersicht.
eine Art von basilikaler Höhenidrche um gebaut erscheint, aber der Gewölbe ent-
behrt und sich im Innern unfertig, wie das Altarhaus der MarktMrche, mit flachen
Holzdecken begnügt hat, wird durch die fünf Staffelgiebel ihrer Seitenschiffe vom
J. 1394 insofern interessant, als diese sainrnt ihrer Yierpassgallerie nach der Marien-
kirche zu Mühlhausen zwar in minder schlanken Verhältnissen, aber sonst getreu
copirt sind, und man daraus ersieht, dass diese, von Schnaase (6,241) als „etwas
spiessbürgerlicher Putz“ bezeichnete Decoration in nächster Nachbarschaft Beifall
gefunden hatte. Der die Südwestecke des Gebäudes einnehmende Thurm, im
Unterbau Ueberrest einer älteren Kirche, hat leider seine ursprüngliche Steinpyra-
mide mit einer modern gothischen Spitze vertauschen müssen. Die alte Pyramide
zeigte den Einfluss des heimischen Materials, der sich im gemeinen Bedürfnissbau
auf die Technik der Einfriedigungsmauern und Dorfbrunnenschreine etc. geltend
macht, in seiner Anwendung auch auf die Construction eines Kunstbaues. Der
oben S. 5 und 17 bereits näher besprochene Kalktuff des Langensalzaer Thal-
beckens lagert der Natur seiner Entstehung zufolge mit horizontalen Trennungs-
fugen in Schichten von 0,10 bis 0,90m Stärke, die ein Abspalten mittelst Keilen
erleichtern und Platten von verschiedener Dicke und verschiedener Qualität des
Kornes liefern, und zwar ist die Festigkeit und Dichtigkeit eine um so grössere,
die poröse Structur eine um so geringere, je mehr die Dicke dieser Platten zu-
nimmt, Die stärkeren und dichteren Platten, die man zu Quadern und zu Statuen
gebrauchte, zeigen eine solche Festigkeit, dass sie viele Jahrhunderte lang ihre an-
fänglichen scharfen Kanten bewahren. Ja, man will bemerkt haben, dass die an-
schlagenden und daran herablaufenden Regentropfen und die feuchten Nebel eine
Art Sinterung bewirken, dass also der Tuff oberflächlich nochmals aufgelöst wird,
um dann den Stein mit einer kieselharten Epidermis zu überziehen: eine Erschei-
nung, die sich auch bei den sogenannten Butter- oder Mehlpatzenstemen, -woraus
der Naumburger Dom und die Kirche zu Freiburg a/U. erbaut sind, gezeigt hat,
nur dass die Mehlpatzen gleich aus dem Bruche sich leicht, der Kalktuff sich
schwer bearbeiten lässt, und jene erst an der Luft erhärten, dieser aber von Hanse
aus hart gewonnen wird. Schwache Platten finden ihre Anwendung zu Trottoirs,
Wandbekleidungen, Brunneneinfassungen, Grabsteinen, Kreuzen; stärkere zu
Quadern, Säulen, Gesimsen, Thür- und Fenster - Einfassungen, zu Sculptur-
arbeiten. *) Eine häufige practische Anwendung ist die, dass man zur Einfassung
von Grundstücken (Gärten, Aenger etc.) hohe Falzsteine in die Erde setzt und
Platten von oben einschiebt. Auf letzterem Princip nun beruhte auch die oben
S. 46 speciell beschriebene Construction der alten Pyramide auf dem Bergthurm:
man stellte in die acht Grate der Pyramide Falzsteine (in Langensalza auch
Docken genannt) und liess in die Falze schwache Steinplatten ein.
Wegen der Thurmstellung ist die Pfarrkirche zu Tennstedt bemerkenswert!!,
obwohl die beiden das Altarhaus westlich flankirenden Thürme an Fläche und
Höhe und im Aufbau verschieden sind. — Hübsche von Holzgespärre construirte,
mit Schiefer gedeckte Thürme, die in einer schlanken, spitz ausgezogenen Mittel-
spitze mit vier Eckthürmchen bestehen, finden sich einer in Thamsbrück und zwrei
in Grossgottern; ausserdem besitzt die Stadt Langensalza zwei Thorthürme mit
*) Im Artikel „Nägelstedt“ sind Brunnen, Thore, Thiiren u. dgl. namhaft gemacht.
Kunststatistische Uebersicht.
eine Art von basilikaler Höhenidrche um gebaut erscheint, aber der Gewölbe ent-
behrt und sich im Innern unfertig, wie das Altarhaus der MarktMrche, mit flachen
Holzdecken begnügt hat, wird durch die fünf Staffelgiebel ihrer Seitenschiffe vom
J. 1394 insofern interessant, als diese sainrnt ihrer Yierpassgallerie nach der Marien-
kirche zu Mühlhausen zwar in minder schlanken Verhältnissen, aber sonst getreu
copirt sind, und man daraus ersieht, dass diese, von Schnaase (6,241) als „etwas
spiessbürgerlicher Putz“ bezeichnete Decoration in nächster Nachbarschaft Beifall
gefunden hatte. Der die Südwestecke des Gebäudes einnehmende Thurm, im
Unterbau Ueberrest einer älteren Kirche, hat leider seine ursprüngliche Steinpyra-
mide mit einer modern gothischen Spitze vertauschen müssen. Die alte Pyramide
zeigte den Einfluss des heimischen Materials, der sich im gemeinen Bedürfnissbau
auf die Technik der Einfriedigungsmauern und Dorfbrunnenschreine etc. geltend
macht, in seiner Anwendung auch auf die Construction eines Kunstbaues. Der
oben S. 5 und 17 bereits näher besprochene Kalktuff des Langensalzaer Thal-
beckens lagert der Natur seiner Entstehung zufolge mit horizontalen Trennungs-
fugen in Schichten von 0,10 bis 0,90m Stärke, die ein Abspalten mittelst Keilen
erleichtern und Platten von verschiedener Dicke und verschiedener Qualität des
Kornes liefern, und zwar ist die Festigkeit und Dichtigkeit eine um so grössere,
die poröse Structur eine um so geringere, je mehr die Dicke dieser Platten zu-
nimmt, Die stärkeren und dichteren Platten, die man zu Quadern und zu Statuen
gebrauchte, zeigen eine solche Festigkeit, dass sie viele Jahrhunderte lang ihre an-
fänglichen scharfen Kanten bewahren. Ja, man will bemerkt haben, dass die an-
schlagenden und daran herablaufenden Regentropfen und die feuchten Nebel eine
Art Sinterung bewirken, dass also der Tuff oberflächlich nochmals aufgelöst wird,
um dann den Stein mit einer kieselharten Epidermis zu überziehen: eine Erschei-
nung, die sich auch bei den sogenannten Butter- oder Mehlpatzenstemen, -woraus
der Naumburger Dom und die Kirche zu Freiburg a/U. erbaut sind, gezeigt hat,
nur dass die Mehlpatzen gleich aus dem Bruche sich leicht, der Kalktuff sich
schwer bearbeiten lässt, und jene erst an der Luft erhärten, dieser aber von Hanse
aus hart gewonnen wird. Schwache Platten finden ihre Anwendung zu Trottoirs,
Wandbekleidungen, Brunneneinfassungen, Grabsteinen, Kreuzen; stärkere zu
Quadern, Säulen, Gesimsen, Thür- und Fenster - Einfassungen, zu Sculptur-
arbeiten. *) Eine häufige practische Anwendung ist die, dass man zur Einfassung
von Grundstücken (Gärten, Aenger etc.) hohe Falzsteine in die Erde setzt und
Platten von oben einschiebt. Auf letzterem Princip nun beruhte auch die oben
S. 46 speciell beschriebene Construction der alten Pyramide auf dem Bergthurm:
man stellte in die acht Grate der Pyramide Falzsteine (in Langensalza auch
Docken genannt) und liess in die Falze schwache Steinplatten ein.
Wegen der Thurmstellung ist die Pfarrkirche zu Tennstedt bemerkenswert!!,
obwohl die beiden das Altarhaus westlich flankirenden Thürme an Fläche und
Höhe und im Aufbau verschieden sind. — Hübsche von Holzgespärre construirte,
mit Schiefer gedeckte Thürme, die in einer schlanken, spitz ausgezogenen Mittel-
spitze mit vier Eckthürmchen bestehen, finden sich einer in Thamsbrück und zwrei
in Grossgottern; ausserdem besitzt die Stadt Langensalza zwei Thorthürme mit
*) Im Artikel „Nägelstedt“ sind Brunnen, Thore, Thiiren u. dgl. namhaft gemacht.