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Sommer, Gustav
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 1): Die Kreise Zeitz, Langensalza, Weissenfels, Mühlhausen und Sangerhausen — 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.41153#0275

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Weissenfels.

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1301 das in Jahresfrist neu erbaute Kloster in der Stadt zwischen dem Saal- und
Niclasthor an der Stadtmauer. Der Leichnam Friedrich des Stammlers wurde
aus der alten in die neue Kirche übertragen, wo auch seine Mutter Helene 1304
„in der Bruder Chor“*) ihr Grab fand. — Wahrscheinlich in Folge der Hussiten-
ziige und des Bruderkrieges war das Kloster im 15. Jahrli. zum Verkauf seiner
meisten Liegenschaften genöthigt gewesen und befand sich zu Anfang des 16. Jahr-
hunderts' finanziell in ziemlicher Zerrüttung, und die Anstrengungen, einen geord-
neten Zustand wieder herbeizuführen, konnten bei der nun eintretenden Reformation
einen dauernden Erfolg nicht haben. Bei der ersten Kirchenvisitation waren ein-
schliesslich der Aebtissin 18 Schwestern vorhanden, die man auf den Aussterbe-
Etat setzte. Das Kloster bestand indess noch längere Zeit, anscheinend in der
Eigenschaft eines weltlichen Frauenstifts, fort. Die Gebäude gingen an das landes-
herrliche Amt über und wurden zu verschiedenen, auch zu kirchlichen und Schul-
zwecken benutzt. Seit 1837 ist das bereits seit 1795 in Weissenfels bestehende
Schullehrerseminar in das Kloster verlegt, und einen kleinen Theil der Gebäude
hat zurZeit die Freimaurerloge inne. Die Kirche diente dem Gemeindegottesdienst
und erfuhr deshalb 1560 durch Hinzuziehung des Bruderchores eine Verlängerung
nach Osten und 1670 auf der Südseite eine entstellende theilweise Verbreiterung!
auch fanden (seit 1687 gegen hohe Taxen) Begräbnisse in derselben statt. Im
J. 1734 schlug der Blitz in die Kirche, zwar ohne zu zünden, das darauf befindliche
Steinkreuz aber wurde herabgeschleudert. Gegen Ende des Jahres 1805 musste
der gottesdienstliche Gebrauch aufhören, da sich die Franzosen des Gebäudes ohne
weiteres bemächtigten und zu Magazinzwecken profanirten, wobei-das Innere
schonungslos verwüstet wurde. Unter der preussischen Regierung war die wenig-
stens noch unter Dach gehaltene Kirche lange Jahre Wollniederlage eines Kauf-
manns, ist aber, der Bedachung beraubt, gegenwärtig auch dazu nicht mehr brauchbar.
Bereits seit 1810 wurden zwar Pläne und Anschläge zur Wiederherstellung ge-
macht, kamen aber nicht zur Ausführung, und zurZeit denkt man an den Abbruch
der Ruine,
Die langgestreckte einschiffige Kirche (s. umst. Fig. 41 **) enthält in ihrem west-
lichen Theile die massive Nonnenempore; der östliche Theil ist der Chor des mit dem
Kloster verbundenen Mönchsconvents; der mittlere Theil nahm Kirchgänger aus
der Laiengemeinde auf; die unverhältnissmässige Länge des Gebäudes erklärt sich
also aus dieser dreifachen Bestimmung desselben. Nur der östliche, dreiseitig aus
dem Achteck geschlossene Brüderchor war, wie die an den übrigen Theilen nicht
vorhandenen Strebepfeiler beweisen, auf Einwölbung berechnet, die jetzigen Ge-
wölbe gehören aber nicht mehr der Erbauungszeit der Kirche an. Sie sind aus
Ziegeln construirt mit nur decorativen Sandsteinrippen und liegen so tief, dass

*) Bereits in einer Urkunde von 1292 (Lepsins, Kl. Sehr. 2, 260) kommt eine „domus
fratrnm minornm,“ ein Terminirhans, als besonderes Gebäude vor, dessen Brüder eine eigene,
aber mit dem Nonnenkloster in gewisser Verbindung stehende Corporation bildeten. Die dazu
gehörigen Mönche warteten den Gottesdienst im Chore der Klosterkirche ah, während die Nonnen
ihren besonderen Chor auf einer Empore am Westende der Kirche hatten.
**) Die Details in Fig. 41 (rechts oben) stellen dar: 1. das Hauptgesims, 2. das ab-
geschrägte Gurtgesims und 3. das Fussgesims der Kirche. — Das unterste Profil ist der Thür"
gliederung entnommen.
 
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