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Sommer, Gustav
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 1): Die Kreise Zeitz, Langensalza, Weissenfels, Mühlhausen und Sangerhausen — 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.41153#0323

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(Gross-) Grabe.

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(Gross -) Grabe.
Pfarrkirchdorf im Gebiete von Mühlhausen, 6 Km. östlich von der Stadt.
Es giebt zwei Dörfer Namens Grabe (997 Grabaha, seit 1144 regelmässig Graba
geschrieben): Gross- und Klein-, früher auch Wester- und Ostergrabe genannt,
die beide dicht neben einander im Thale der Notter liegen, nur durch diesen Fluss
von einander getrennt. Da in den älteren, und auch in Urkunden des späteren
Mittelalters beide Orte ohne nähere Bezeichnung „Graba“ genannt werden, so lässt
sich schwer entscheiden, welcher von beiden gemeint ist. In einer Urkunde von 1293
(Herquet Nr. 407) kommt eine „superior ecclesia“ in Graba vor, so dass damals
wenigstens bereits zwei Kirchen vorhanden gewesen sein müssen, und in einer
anderen Urkunde vom J. 1315 (ebd. Nr. 692) finden sich „Graba inferior“ (Gross-
Grabe) und „Graba superior“ (Klein - Grabe) ausdrücklich von einander geschieden.
Ursprünglich haben wohl beide Dörfer nur eine Ortschaft gebildet, aber unter
verschiedenen Lelms-, Afterlehns- und Besitzverhältnissen,1 die leicht die Veran-
lassung zur späteren Breitung gegeben haben können. Die Stadt Mühlhausen
wurde 1334 von dem Landgrafen Friedrich von Thüringen mit Graba belehnt oder
vielmehr in diesem schon länger bestandenen Yerhältniss nur bestätigt. (Her-
quet Nr. 505; vergl. Nr. 863).
Die dem h. Georg geweihte Kirche von 24 X 8m Fläche mit 36m hohem
Thurm ist im J. 17-14 erweitert und 1817 restaurirt worden. Unter dem Singe-
chor ist ein beschädigter, dem 15. Jahrh. entstammender bemalter und vergoldeter
Schnitzaltar aufgestellt, welcher in der Mitte die Kreuzigung mit Maria und
Johannes und daneben einerseits die Apostel Andreas, Bartholomäus und Matthäus,
andrerseits die Heiligen Georg, Stephanus und Nicolaus enthält; die Klappen sind
nicht mehr vorhanden. Der jetzige Altar der Kirche ist nach einem Entwürfe des
aus Mühlhausen gebürtigen, berühmten Architekten König’s Friedrich Wilhelm IV.,
Friedrich August Stiller, im edelsten Stile ausgeführt.
Die beiden Glocken datiren aus dem 15. und Br Jahrhundert. Die kleinere
von 0,82m Durchmesser hat die Minuskelinschrift:
nno (iflni!) m rccc° Htutt 1 l|oc opus fccit nirol aus tupcitcffcr
öc molljufctt.
1 Im J. 997 schenkte Kaiser Otto III, sein Gut in „Grabaha der Kirche S, Victor vor
Mainz, deren Lehnsrecht noch 1293 hei einer Gutsübertragung Berücksichtigung fand (Her-
quet Nr. 17 und 407). Bedeutend war die Begüterung des Klosters Volkerodc in Graba. Es
erhielt durch Schenkung der Herzogin Gertrud von Sachsen, der einzigen Erbin des Allodial-
gutes ihres Vaters K. Lothar, 1139 die (noch heute existirende und als Gothaische Enclave zu
Kleingrabe gehörende) Fort- (oder Furth-) Mühle und ein Drittel des Gehölzes „silva ducis,“
des sogen „Grass," einer Flurgegend, die noch itzt zwischen dem Gothaischen Volkerode, Gross-
und Kleingraba getheilt ist (ebd. Nr. 37 und 42); ferner als Entschädigung für vielfältige
frühere Bedrückung 1269 vom Landgrafen Albert von Thüringen die Kirche und das Patronats-
recht in Graba (ebd. Nr. 194); endlich durch Kauf 1277 von Heinrich Camcrarius von Mühl-
hausen 5 Hufen und gewisse Realrechte zu Graba „in villa regia'1 (ebd. Nr. 262). -— Ausserdem
hatte auch das Brückenkloster in Mühlhausen seit 1290 einen Hof und Aecker in Graba er-
worben, die es aber 1315 an das Deutschordenshaus der Altstadt Mühlhausen wieder veräusserte.
— Endlich besass auch eine Familie de Graba im 13. und 14. Jahrh. Erbgüter in dem Orte,
nach welchem sie sich nannte.
 
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