Metadaten

Gast, Uwe; Rauch, Ivo
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2011

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52850#0088

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
BEERFELDEN • PFARRKIRCHE

87

Theologie und mehrmaliger Rektor der Universität (1479, 14S3,
1488) ohnehin seine Wurzeln in Heidelberg31. So sprechen die
geografische Nähe und die persönlichen Bindungen der Beer-
feldener Bauherren zwar für Heidelberg als Entstehungsort des
Kreuzigungsfensters, doch gehen gerade die Bezüge zu jenen
Glasmalereien, die mit Sicherheit nach Heidelberg lokalisiert

werden können (s. S. 147-150, 174, 215-217), über Gemeinsam-
keiten des Zeitstils nicht hinaus.
Mittelrhein (Heidelberg?), um 1500-1503.
CVMA G S799, Großdia G III 62 (Gesamtaufnahmen)
CVMA G 8800-8814 (Einzelfelder und Details)

ANHANG: ABGEWANDERTE GLASMALEREIEN

ERBACH • SCHLOSS, RITTERSAAL (Nr. 15, 16)

Fig. 12E, 33, Abb. 7L

Das dritte Fenster auf der Westseite des Rittersaals beherbergt seit jeher Wappenscheiben einiger Herren und Grafen
von Erbach und deren Ehefrauen. Die im Folgenden zu besprechenden Rundscheiben sind in die Kopfscheiben 4a/b
eingelassen; dort wurden sie bereits von Graf Franz I. zu Erbach-Erbach in seinem 1805 angelegten Sammlungskatalog
beschrieben (s. Reg. Nr. 16, pag. 383) und von Johann Wilhelm Wendt in einer aquarellierten Zeichnung wiedergege-
ben.

15, 16. ZWEI RUNDSCHEIBEN MIT DEN WAPPEN
ERBACH-BICKENBACH UND WERDENBERG
Fig. 12E, Abb. 7E
Von Graf Franz I. zu Erbach-Erbach 1804 erworben.
Bibliografie: Kat. Erbach 1868, S. 12E (knappe Beschreibung
des Fensters III im Rittersaal, »bis 1805 im Chor der Michel-
städter Kirche«; die Wappen unter Nr. 482, 486 aufgeführt);
Morneweg 1910, Nr. 140 (nur »letzte Reste« der Scheiben seien
nach Erbach gelangt; gibt als Herkunftsort Michelstadt an);
Morneweg, Erbach, 1924, S. 66 (Erwähnung); s. auch Biblio-
grafie S. 80.
Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Obgleich sich bereits
im ältesten Katalog der Erbacher Sammlung - in der hand-
schriftlichen Beschreibung des Rittersaals von Graf Franz I. zu
Erbach-Erbach (s. Reg. Nr. 16, pag. 383) - der Hinweis findet,
dass die Rundscheiben aus der Stadtkirche in Michelstadt stam-
men, ist diese Angabe anzuzweifeln. In allen Auflistungen der
Erbach’schen Glasgemälde sind niemals mehr als vier Scheiben-
paare überliefert, die sich auf Angehörige des Hauses beziehen:
zum einen ein aus 3x2 Rechteckscheiben bestehendes, 1543
datiertes und nachweislich aus Michelstadt stammendes En-
semble (s. S. 195-204), zum anderen jenes ältere Scheibenpaar
mit der Wappenallianz Erbach-Bickenbach und Werdenberg,
das sich auf Erasmus Schenk von Erbach (J 1503) und dessen
- ab 1504 in zweiter Ehe verheiratete - Frau Elisabeth von Wer-
denberg bezieht. Erasmus war, wie erwähnt, Patronatsherr der
Pfarrkirche von Beerfelden, sodass jene zwey herrschaftliche^
Wappen, die 1804 von dort an Graf Franz I. abgegeben worden
sind (vgl. Reg. Nr. 5-7), mit den beiden Rundscheiben identisch
sein müssen. Ihr Standort in der ehemaligen Kirche in Beer-
felden ist nicht überliefert.
Technik, Stil, Datierung: Die Fiederranken in den Wappen sind
aus einem gestupften braunen Halbton ausradiert, die silbernen
Sterne im Wappen Erbach-Bickenbach aus einem Rotüberfang


Fig. 12. ES Erbach
Nr. 15. M 1:15


Fig. 13. ES Erbach
Nr. 16. M 1:15

ausgeschliffen. In ihren Formen sind die Ranken, deren Blätter
teils stumpf abgerundet, teils hakenförmig zugespitzt enden,
typisch für die Zeit um 1500; dabei besteht - auch technisch -
eine gewisse Verwandtschaft zu der Verzierung der Nimben
einiger Heiligenfiguren in Hanau32. Wie bei der Kreuzigung
Christi (s.o.) könnte wiederum ein engerer Zusammenhang
vorliegen, sodass sich die Rundscheiben über den Umweg Ha-
nau auch mit dem Kreuzigungsfenster verbinden lassen.
Mittelrhein (Heidelberg?), um 1500-1503.
15. WAPPEN ERBACH-BICKENBACH Fig. 12, Abb. 7
Durchmesser 39,5-40 cm.
Erhaltung: Wappenschild mit zahlreichen Ergänzungen. Deren
Großteil ist auf die vorzügliche, hier mit waagerechten Schraf-
furen versehene Restaurierung von 1903 durch die Werkstatt
Müller-Hickler zurückzuführen, bei der auch die - ursprüng-
lich wohl nicht vorhandene - Inschrift mit den um 1500 noch
nicht gebräuchlichen Frakturversalien nach dem Vorbild der Mi-
chelstädter Scheiben hinzugefügt wurde33; die wenigen jünge-
ren Ergänzungen dürften 1912 von der Werkstatt Linnemann,
Frankfurt/M., vorgenommen worden sein34 und werden als vor-
letzte Restaurierung ausgewiesen. Die mittelalterlichen Gläser
sind in Substanz und Bemalung gut erhalten. Verbleiung 20. Jh.

31 Zusammenfassend s. Scholz, Odenwaldkreis, 2005, S. 57k (Nr. 72).
32 CVMA Deutschland III,2, 1999, Abb. 199, 201, 213.

33 Vgl. hierzu Scholz, Odenwaldkreis, 2005, S. 59 (Nr. 73).
34 Zur Tätigkeit Linnemanns in Erbach vgl. S. n6f.
 
Annotationen