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Gast, Uwe; Rauch, Ivo
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.52850#0221

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220

EHEMALS NECKARSTEINACH • PFARRKIRCHE / OBER-INGELHEIM • BURGKIRCHE

Ikonografie, Komposition: Die Darstellung der Jungfrau Maria,
die, gekrönt, mit dem Kind im Arm in einem Strahlenkranz er-
scheint, repräsentiert einen im Spätmittelalter beliebten, ja all-
gegenwärtigen Bildtypus. Ihre Besonderheit gegenüber anderen
zeitgenössischen Fassungen in der Glasmalerei, wie sie etwa im
Kreis der Straßburger Werkstattgemeinschaft ausgeführt wor-
den sind, ist das dort ungebräuchliche Motiv der Engel, die den
Akt der Krönung vollziehen49. Bezeichnenderweise begegnet
es dafür in der Gruppe der Arbeiten der jüngeren Kamberger-
Werkstatt (Langenburg, Stadtkirche)50, was als weiteres Indiz
für einen Zusammenhang zwischen den Scheiben aus Neck-
arsteinach und den Verglasungen in Ingelfingen, ehern. Klein-
bottwar und Langenburg zu werten sein dürfte (s. S. 216E).
Die architektonische Umrahmung war wie bei Nr. 183 mit Sta-
tuetten besetzt. Die erhaltene Eigur links ist aber nicht, wie
Stizanne Beeh-Lustenberger vermutet hat, als Eva zu iden-

tifizieren51; sie stellt ohne Zweifel den nackten Adam dar, der
in einer verlorenen Figur der Eva sein Pendant hatte. Eine ent-
sprechende Komposition ist bereits auf einer kleinen Madon-
nentafel aus der Werkstatt Rogiers van der Weyden in Wien
überliefert ist5 .
Ornament: Zusammengestückter violetter, mit Nr. 182 iden-
tischer Damastgrund (Muster III,14).
Farbigkeit, Technik: Maria in rotem Gewand und tiefblauem
Mantel vor goldgelbem Strahlenkranz, in ihrer Rechten das
auf einem weißen Tuch sitzende Kind, in ihrer Linken eine sil-
bergelbe Rose(?) haltend; Inkarnat und Haare beider Figuren
eisenrot und silbergelb, ebenso die Nimben; Mariens Krone
goldgelb. Die Engel in weißen Gewändern, mit griinen/blau-
en bzw. roten Flügeln; Inkarnatpartien und Haare wiederum
eisenrot und silbergelb. Blasser Damastgrund, die rahmende
Architektur in lichtem Gelb mit brauner Schattierung.
CVMA RT 13225, Großdia RT 05/020

ANHANG: VERLORENE GLASMALEREIEN

Aus der ältesten Beschreibung der Farbverglasung der Neckarsteinacher Pfarrkirche in den »Vaterländischen Blättern«
(1812), die in der Bibliografie zitiert wird (s. S. 205), geht hervor, dass es außer den vier erhaltenen Scheiben eine fünfte
Darstellung gegeben zu haben scheint, die »eine Geißlung« zeigte, vermutlich eine Darstellung der Geißelung Christi.
Diese Scheibe ist heute ebenso verloren wie jene »Landschadensche Harfe«, die sich laut J. Schneider noch um 1900
im Chor unter der Scheibe mit der Madonna im Strahlenkranz befunden hat (s. ebenfalls S. 205). Sofern sich daran
Überlegungen zum ikonografischen Programm und zur Rekonstruktion der Verglasung anknüpfen lassen, ist dies
oben im entsprechenden Abschnitt thematisiert worden.

49 Im deutschen Südwesten fand das Motiv wohl vor allem durch
den Stich L. 40 von Martin Schongauer Verbreitung; Schmitt 1999,
S. 109!., Nr. 40.
50 CVMA Deutschland 1,2, 1986, Abb. 139.

51 Beeh-Lustenberger 1973, S. 180, 181 (Nr. 236).
52 Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv. Nr. 951; s. zuletzt: AK
Frankfurt/M. und Berlin 2008, S. 313-316, Nr. 28 (Stephan Kemper-
dick).

OBER-INGELHEIM • BURGKIRCHE

Bibliografie: Johann W. Goethe, Im Rheingau Herbsttage. Supplement des Rochus-Festes, 1814, in: Ästhetische
Schriften 1816-1820. Über Kunst und Altertum I—II, hrsg. von Hendrik Birus (Goethes sämtliche Werke 1,20),
Frankfurt/M. 1999, S. 209 (»Uralte Glasscheiben brechen nach und nach selbst zusammen«); Johann I. von Gerning,
Die Rheingegenden von Mainz bis Cölln, Wiesbaden 1819, S. 87 (»Glasgemälde die Thaten darstellend, des, vom Pabst
heilig gesprochenen Karls des Großen«); Lotz 1863, S. 354 (Erwähnung dieser Glasmalereien); Oidtmann 1898,
S. 255 (verweist auf Lotz’ Erwähnung von Glasmalereien aus dem Leben Karls des Großen); Dehio 1911, S. 298 (spät-
gotische Glasmalereien im Chorachsenfenster und in den Ostfenstern der Seitenschiffe); Diehl 1932,5. 343 (zitiert einen
Passus aus der Pfarrchronik, der von der Zerstörung der Glasmalereien im Chor in der Zeit der französischen Besat-
zung handelt; Wiederherstellung der Kirchenfenster 1849-1851); Rauch 1934, S. 516, 518, Abb. 424 (knappe, mit etli-
chen Irrtümern behaftete Bearbeitung und Rekonstruktion des Bestandes; Lokalisierung an den Mittelrhein und Da-
tierung ins ausgehende 14. bzw. frühe 15. Jh.; überliefert im Lhs.-Fenster s IV zudem ein heute verlorenes Glasgemälde
mit einem Hl. Bischof^?]); Dehio Rheinfranken 1943, S. 55 (Glasmalereien im Chor und im südlichen Seitenschiff);
 
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