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Gast, Uwe; Rauch, Ivo
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.52850#0030

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KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG

Mit ca. 2030 Scheiben und Fragmenten sowie diversen, nicht quantifizierten Scherbenbeständen an insgesamt 92
Standorten besitzen das Land Hessen und das rheinland-pfälzische Rheinhessen einen so großen Bestand an mittel-
alterlichen Glasmalereien, dass deren Bearbeitung in drei Teilbänden erfolgen musste. Hiervon sind mit den Arbeiten
von Daniel Hess (CVMA Deutschland III,2, 1999), der noch von einer kleineren Zahl ausging1, und Daniel Parello
(CVMA Deutschland III,3, 2008) bereits jene beiden Teilbände erschienen, in denen alle Glasmalereien nördlich von
Rhein und Main behandelt werden. Der nunmehr vorgelegte Teilband CVMA Deutschland III, 1 ist den Glasmalereien
in Oppenheim, Rhein- und Südhessen gewidmet, wobei die geografische Festlegung des Bearbeitungsgebiets in dessen
nachmittelalterlicher Entwicklung begründet liegt:
Bis zur Auflösung des Alten Reichs bildete die Region zwischen Worms und Mainz - linksrheinisch das rheinhes-
sische Hügelland, rechtsrheinisch die Rhein-Main-Ebene einschließlich des Odenwaldes - keine territoriale Einheit;
sie war seit alters in zahlreiche Herrschaften zersplittert, die, ihren partikularen Interessen folgend, um Besitz und
Einfluss rangen. Zwar gab es mit dem Mainzer Erzbistum, der Pfalzgrafschaft bei Rhein und der Landgrafschaft von
Hessen-Darmstadt drei bedeutende Territorialmächte, doch blieben deren Besitzungen zerstreut. Erst nachdem in den
Revolutionskriegen 1792-1802 die Gebiete links des Rheins an Frankreich gefallen waren (1801) und per Reichsdepu-
tationshauptschluss 1803 festgelegt worden war, wie die dort von Verlusten betroffenen weltlichen Reichsfürsten zu
entschädigen seien, erwuchs in Hessen-Darmstadt, das rund um das ursprüngliche, 1567 geschaffene Kerngebiet der
Landgrafschaft beachtliche Zuwächse verbuchen konnte, ein künftiger Staat. Denn mit seinem Beitritt zum Rhein-
bund im Jahr 1806 wurde es von Kaiser Napoleon I. zum souveränen Großherzogtum erhoben und abermals um neue
Gebiete - u.a. die Herrschaft Breuberg und die Grafschaft Erbach - erweitert. Als der Bund während der Befreiungs-
kriege 1813-1815 wieder zerbrach und es auf dem Wiener Kongress 1814/15 zur Neuordnung Europas kam, konnte das
Großherzogtum schließlich auch die ehemals mainzischen und pfälzischen Gebiete links des Rheins an sich bringen,
womit die Ausbildung seines Territoriums im südlichen Landesteil im Wesentlichen abgeschlossen war. Das gesamte
Land, zu dem stets auch große Gebiete nördlich des Mains gehörten, wurde in der Folge in drei Verwaltungseinheiten
eingeteilt, in die Provinzen Rheinhessen (Regierungssitz Mainz), Starkenburg (Regierungssitz Darmstadt) und Ober-
hessen (Regierungssitz Gießen), die bis 1937 existierten2.
Auch wenn Rheinhessen nach dem Zweiten Weltkrieg als Teil der bis zum Rhein reichenden französischen Besat-
zungszone dem 1946 gegründeten Land Rheinland-Pfalz zugeschlagen wurde, während Starkenburg und Oberhessen
unter amerikanischer Verwaltung im bereits 1945 gebildeten Groß-Hessen, dem heutigen Land Hessen aufgingen,
hat seine rund 120 Jahre währende Zugehörigkeit zu Hessen in landesgeschichtlicher Hinsicht so viele bleibende Spu-
ren hinterlassen, dass es angeraten erschien, die Bearbeitung seiner mittelalterlichen Glasmalereien an die Bearbei-
tung Hessens anzubinden. So werden in diesem Teilband 26 Standorte mit ca. 580 Scheiben und Fragmenten bzw.
Scherbenbeständen erfasst, von denen zehn Standorte in Rheinhessen und sechzehn Standorte in Südhessen liegen.
Der von Suzanne Beeh-Lustenberger in den Jahren 1967 und 1973 publizierte Bestand des Hessischen Landes-
museums Darmstadt ist dabei nur insofern in diese Zählung eingegangen, als er Glasmalereien aus Ersheim, Lorsch,
Neckarsteinach, Partenheim und Oppenheim enthält. Lediglich sie konnten für den vorliegenden Teilband nach den
Richtlinien des Corpus Vitrearum bearbeitet werden, während alle übrigen Glasmalereien in Darmstadt aus äußeren
arbeitstechnischen Gründen von der Bearbeitung ausgenommen bleiben mussten und daher, getrennt nach Werken ge-
sicherter und ungeklärter Herkunft, nur aufgelistet werden (vgl. auch S. 93). Über die erwähnten 26 Standorte hinaus
werden im Anhang 24 Standorte mit verschollenen oder verlorenen Glasmalereien erfasst; hinzu kommt ein Nachtrag
zum Teilband III,2, in dem vier Standorte mit bislang unbekannten oder bei Hess 1999 übergangenen Scheiben- und
Scherbenbeständen des Rhein-Main-Gebiets publiziert werden.

1 Hess 1999, S. 21.
2 Zur Geschichte von Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, Großher-
zogtum und späterem Volksstaat Hessen s. Demandt 1980, S. 299-
314, 561-576, 599-608. Vgl. auch Eckhart G. Franz, Fritz Kallen-
berg und Peter Fleck, Großherzogtum Hessen (1800) 1806-1918, und

Eckhart G. Franz, Volksstaat Flessen, in: Handbuch der hessischen
Geschichte, IV,2 (3. Lfg.): Hessen im Deutschen Bund und im neuen
Deutschen Reich (1806) 1815 bis 1945, Marburg 2003, S. 673-884 und
S. 885-933.
 
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