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Gast, Uwe; Rauch, Ivo
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.52850#0092

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BÜTTELBORN • PFARRKIRCHE

91

Büttelborner Scheiben mit der Darstellung der Hl. Sippe im Chorfenster nord VI der Marienkirche7 * 9 auf das Engste
zusammen - eine Zuschreibung, die sich z.B. an der Gegenüberstellung beider Muttergottesfiguren (Abb. 14) oder der
Figuren des Gekreuzigten (Abb. 12) und des Bärtigen zur Rechten Mariens10 leicht nachvollziehen lässt: Hier wie dort
handelt es sich um eng verwandte, wenn nicht, wie bei den Frauen mit ihren glatten, ovalen Gesichtern, um dieselben
Typen, für deren Charakterisierung der Glasmaler mit identischen grafischen Formeln arbeitete. Sein Typenschatz
und Malstil lassen auf eine künstlerische Herkunft aus Straßburg schließen, wo er sich in den späten 1470er- und frü-
hen i4Soer-Jahren im Kreis der Werkstattgemeinschaft um Peter Hemmel von Andlau aufgehalten haben muss. Am
Beispiel Hanau hat Daniel Hess bereits auf die Zusammenhänge mit der um 1482 entstandenen Verglasungsgruppe in
Lautenbach im Renchtal hingewiesen11; nimmt man die Büttelborner Scheiben hinzu, von denen die Figur des Klaus
Waszmaut im Stifterbild Bernhards aus dem Sulzbad in Lautenbach ein eng verwandtes Vorbild hat (Fig. 1 $f.), wird
das Hervorwachsen des später am Mittelrhein tätigen Glasmalers aus dem Hemmelkreis - d.h. aus dem Kreis jener
Glasmaler, die für den Großteil der Chor- und Langhausverglasung der Lautenbacher Pfarr- und Wallfahrtskirche
verantwortlich waren12 - noch deutlicher. Dennoch fällt es schwer, seine Mitarbeit in Lautenbach oder an anderen
straßburgischen Verglasungen der Zeit um 1480 eindeutig festzumachen13. Einerseits unterscheiden sich die Scheiben
in Hanau und Büttelborn, trotz der Verwandtschaft in den Typen, von den Werken in Lautenbach vor allem in ihrer
technisch andersartigen, weniger aufwändigen Ausführung, die auf eine Modellierung z.B. der Köpfe mittels aus dem
Halbton gestupfter Lichter verzichtet. Andererseits ist nicht daran zu zweifeln, dass seine Vorliebe für - wenn auch zur
Formel erstarrte - Parallelschraffuren in den verschatteten Partien von dort ihren Ausgang nimmt. Da die stilistische
»Versprödung« nicht zuletzt auf das späte Entstehungsdatum beider Verglasungen zurückzuführen sein dürfte - die
Hl. Sippe in Hanau ist zwischen 1492 und 1496/97 entstanden (s. Kunstgeschichtliche Einleitung S. 66), die Verglasung
in Büttelborn bald nach Vollendung des Chores 1497 ist nicht auszuschließen, dass ihr Schöpfer rund eineinhalb De-
zennien zuvor tatsächlich für Lautenbach gearbeitet hat. Die Abweichungen in Technik und Malstil wie im Übrigen
auch die Verwendung eines im CEuvre der Werkstattgemeinschaft und ihrer Nachfolge nicht geläufigen Madonnentyps
wären dann als Folge einer persönlichen Entwicklung zu werten, die der Glasmaler im Lauf der 1480er- und 1490er-
Jahre außerhalb Straßburgs genommen haben muss. Möchte man seine Person schließlich mit einem Namen verknüp-
fen, so kommt Hess’ Hinweis auf Werner Störe, der 1472 in Straßburg eingebürgert worden war, 1477-1481 als einer
der fünf glasere der Werkstattgemeinschaft angehört und 1484 die Stadt wieder verlassen hatte, insofern Gewicht zu,
als dessen Arbeit für Hanau sich historisch ohne Weiteres erklären ließe14. Ohne ein gesichertes Werk seiner Hand
bleibt Störes Tätigkeit für Lantenbach, Hanau und Büttelborn freilich nicht mehr als eine Vermutung.
Mittelrhein, um 1497.
Vorbemerkung zum Katalog: Die drei Scheiben wurden bereits im Oktober 1991 im Rahmen der Vorarbeiten zum
Band CVMA Deutschland III,2, 1999 fotografiert; ihre Untersuchung erfolgte im Frühjahr 2005 im eingebauten Zu-
stand.

7 Auszuschließen ist daher, dass der Gekreuzigte Teil einer auf drei
Fensterbahnen ausgedehnten Komposition war, zu der Maria und
Johannes Ev. gehörten, wie sie z.B. die Heininger-Stiftung für das
Freiburger Münster überliefert; vgl. hierzu zuletzt Daniel Parello,
Die ersten Glasmalereien für den Hochchor des Freiburger Münsters.
Rekonstruktion zweier Straßburger Scheiben aus dem Jahr 1494, in:
Jb. der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg 34, 1997,
S. 6-31, hier S. 19-22, und neuerdings Becksmann 2010,1, S. 391-396,
Fig. 461-463.
Verschiedene mittelalterliche Flickstücke in der Figur des Stifters
und der im Anhang erwähnte Verlust eines mittelalterlichen(?) Frau-
enkopfs (S. 93) lassen auf weitere Heiligen- und Stifterdarstellungen
schließen.
9 Vgl. Hess 1999, bes. S. 252E, Farbtaf. XXV, Abb. 190E, 202-205.
CVMA Deutschland III,2 1999, Abb. 191.

11 Hess 1999, S. 57 mit Textabb. 46t., S. 246, 252E Zur Farbverglasung
der Lautenbacher Pfarr- und Wallfahrtskirche s. Becksmann 1979,
S. 153—189, Farbtaf. X-XII, Abb. 183-254, zu den einzelnen Vergla-
sungsphasen bes. S. 162E,176E
12 Auf die problematische Bezeichnung »Lautenbacher Meister« sei
hier verzichtet; s. hierzu zuletzt Scholz 1995, S. 18.
D Hess 1999, S. 253, Anm. 25, hat lediglich auf »verwandte Kopfbil-
dungen« im Münchner Scharfzandt-Fenster hinzuweisen vermocht
und hat zugleich dessen übliche Datierung »1493« (zuletzt Susanne
Fischer, Die Fenster der Münchner Frauenkirche, in: Monachium
sacrum. FS zur 500-Jahr-Feier der Metropolitankirche Zu Unserer
Lieben Frau in München, II, hrsg. von Hans Ramisch, München 1994,
S. 395-436, hier S. 418-420) in Zweifel gezogen. Zu Recht plädiert er
mit Scholz 2000, S. 21, für eine Entstehung im Jahr 1483.
Hess 1999, S. 246 mit Anm. 14.
 
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