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Gast, Uwe; Rauch, Ivo
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.52850#0137

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i36

ERBACH • SCHLOSS


Fig. 68. Ornamentfeld.
Stadtprozelten, Pfarr-
kirche Mariä Himmel-
fahrt, Chor I, 6b.

war dabei durchaus rätselhaft, was dieser Hochmeister \..I\fiir
einen Einfluß in die Pfarrey gehabt haben könne. Erwägt man
demgegenüber eine Lokalisierung des Hochmeister-Wappens
nach Stadtprozelten, so ist daraus auf eine Entstehung vor 1483
zu schließen, d.h. bevor Burg und Stadt Prozelten an Mainz
übergingen.
CVMA G 8942

48. RUNDSCHEIBE MIT WAPPEN STRÖLIN(?)
Fig. 69k, Abb. 39
Pasticcio(?), Durchmesser 28,5 cm. - Rittersaal, Fenster VII,
3a. Zuvor Hubertus-Kapelle, Fenster II, 2a (s. Reg. Nr. 18).
Ort und Zeitpunkt des Erwerbs und der ursprüngliche Stand-
ort sind nicht überliefert.
Unpubliziert.

Fig. 69. ES Nr. 48.
M 1:15


tern, die aus einer Ornamentverglasung stammen müssen und
zwischen denen Stücke eines blauen, marmorierten Grundes
aus anderem Kontext erscheinen. Drei Stücke der Wappen-
rundscheibe sind ergänzt, deren blaue Passlappen und Zwickel-
stücke rückseitig flächig korrodiert. Einige wenige Sprünge.
Im Zuge der Neuverbleiung im 19. Jh. wurde die Komposition
leicht deformiert; zwei bernsteingelbe Stücke sind seitenver-
kehrt eingesetzt worden.
Ikonografie, Komposition, Ornament, Farbigkeit: Im Zentrum
das Wappen der Hochmeister des Deutschen Ordens: In Silber
ein schwarzes durchgehendes Kreuz, belegt mit einem goldenen
Lilienkreuz, dieses belegt mit einem Herzschild, der in Gold
einen schwarzen Reichsadler zeigt105.
Der Wappenschild wird von blauen, mit Blattranken besetz-
ten, abwechselnd halbkreisförmigen und dreieckigen Stücken
eingefasst, sodass der Eindruck entsteht, er liege auf einem
- unregelmäßig geformten - Dreipass, den ein gleichseitiges
Dreieck durchdringt; in den Zwickeln vermitteln Stücke einer
bernsteingelben, dem Kontur des Dreipasses folgenden archi-
tektonischen Einfassung zum Rand, der ursprünglich mit einer
umlaufenden Inschrift versehen gewesen sein könnte.
Technik, Stil, Datierung: Das mit einer Schablone aufgetragene
Weinlaub des rahmenden Blattkranzes ist älter als das Wappen
im Zentrum. In Form und Zeichnung steht es nicht zuletzt je-
nen Ornamentscheiben nahe, die im Chorfenster I der ehern.
Spital- und heutigen Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Stadt-
prozelten erhalten sind (6-8a/b, 1 AB; Fig. 68), was die oben an-
gestellten Überlegungen zur Herkunft der vorliegenden Schei-
be bzw. Scheibenreste bekräftigt. Der Stadtprozeltener Bau
und seine im Achsenfenster partiell erhaltene ursprüngliche
Farbverglasung dürften im zweiten Viertel des 14. Jh. entstan-
1 -106
den sein
Das Hochmeister-Wappen wurde von Graf Franz I. mit Lud-
wig von Erlichshausen in Verbindung gebracht (s. Reg. Nr. 16,
pag. 386E, Nr. 7 mit Anm.), der 31. Hochmeister des Deutschen
Ordens gewesen ist (1450-1467)107. Die Identifizierung beruhte
jedoch auf dem Irrtum, dass Eschau als ursprünglicher Standort
der Scheibe anzusehen und die Jahreszahl 1476 über der Türe
zur Sakristei der Pfarrkirche »1456« zu lesen sei. Dem Grafen

Erhaltung: Der auf einem vollständig erneuerten roten Grund
liegende Wappenschild und die umlaufende blaue, z.T. ergänzte
Bordüre sind nicht sicher als zusammengehörig zu betrachten;
sie könnten im 19. Jh. zu einer Rundscheibe zusammengesetzt
worden sein. Im Schild mehrere geklebte Sprünge; Bemalung
vorzüglich erhalten.
Ikonografie, Farbigkeit: Das Wappen vermutlich das der Ulmer
Familie Strölin von Böfingen: auf Schwarz ein steigendes gol-
denes Einhorn108.
Technik, Stil, Datierung: Rückseitig mit Silbergelb hinterlegt,
ist das Einhorn in delikater Radier- und Stupftechnik aus
einem wässrig-braunen Halbton herausmodelliert. Das Wap-
pen dürfte aufgrund seiner Schildform kaum vor dem 2. Viertel
des 16. Jh. entstanden sein; die vielleicht ältere, möglicherweise
aber auch gleichzeitige Bordüre ist wie das Wappen in den süd-
deutschen Raum zu lokalisieren109.
CVMA RT 511 (MF), Großdia RT 06/180
105 VgJ hierzu Hans-Georg Boehm, Hochmeisterwappen des Deut-
schen Ordens 1198-1618, Tauberbischofsheini 1990.
106 p)ie Bearbeitung Stadtprozeltens als Glasmalereistandort befindet
sich in Vorbereitung (CVMA Deutschland IX). Heinrich Ragaller,
Die Glasgemälde des 15. und 16. Jahrhunderts in Mainfranken, Phil.
Diss. Würzburg 1955 (Typoskript), S. 211, hat den Bestand zu spät da-
tiert (»Frühes 15. Jahrhundert«). Demgegenüber hat erstmals Parello
2001, S. 118, eine frühere Datierung erwogen (nach Mitte 14. Jh.), doch
legen die engen Zusammenhänge mit den Resten der Farbverglasung
aus der ehern. Stiftskirche St. Bartholomäus in Frankfurt/M., um
I33°/35 (s- Hess 1999, S. 92-107, bes. Farbtaf. IV, Abb. 25, 39!.), eine
Entstehung im 2. Viertel des 14. Jh. nahe.
107 Bernhart Jähnig, Ludwig von Erlichshausen (Ellrichshausen), in:
Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190-1994, hrsg. von Udo
Arnold (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens
40), Marburg 1998, S. 131-138.
NS Abgestorbener Württemberger Adel, bearbeitet von Gustav A.
Seyler, Nürnberg 1911, in: Die Wappen des Adels in Württemberg (J.
Siebmacher’s großes Wappenbuch 23), Neustadt a.d. Aisch 1982, S. 67
mit Taf. 42.
N9 Hinsichtlich der Schildform vgl. das Wappen »von Stain« einer
1538 datierten, aus dem schwäbischen Raum stammenden Scheibe in
 
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