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Gast, Uwe; Rauch, Ivo
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.52850#0190

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MAINZ • BISCHÖFLICHES DOM- UND DIÖZESANMUSEUM

I 89

einem möglicherweise von Martin Schongauer beeinflussten mittelrheinischen Meister zu und datiert sie um 1500);
Franz Th. Klingelschmitt, Führer durch das Bischöfliche Dom- und Diözesan-Museum zu Mainz, Mainz 1925,
S. 48, Nr. $f. (schreibt die Scheiben - sich auf Ludwig Neundörfer berufend - »einer vom Hausbuchmeister beein-
flussten Gruppe« zu und datiert sie um 1480); Rauch 1934, S. 6, 182, 188, Abb. 149 (nennt als ursprünglichen Standort
sowohl das Kloster Nothgottes als auch, darin Dehio 1911 folgend, die alte Pfarrkirche; die Scheiben seien 1910 nach
Mainz verkauft worden; spricht von »Arbeiten des ausgehenden 15. Jahrhunderts«); Wilhelm Jung, Mainz. Führer
durch das Bischöfliche Dom- und Diözesanmuseum, Mainz 1971, S. 54 (Erwähnung mit Datierung um 1480); Glatz
1977, S. 132 (Erwähnung); Hess 1999, S. 62, 118, 272 (weist bezüglich des ursprünglichen Standorts der Scheiben auf
einen fehlenden Nachweis für das Kloster Nothgottes hin; wertet sie stilistisch als Bindeglied zwischen den spät-
gotischen Glasmalereien in den Kirchen St. Valentin in Kiedrich und St. Leonhard in Frankfurt/M.).
Zur Frage der Herkunft: Da die bestehende, dem Hl. Michael gewidmete katholische Pfarrkirche in Appenheim,
aus der die Fragmente mit den Hll. Petrus und Antonius stammen, erst in den Jahren 1773-1775 erbaut worden ist1 2,
kann sie nicht der ursprüngliche Standort der Scheiben gewesen sein. Als solcher werden in der Literatur - jeweils
ohne Nachweis - zwei andere Bauten gehandelt: zum einen die unter Pfalzgraf Ottheinrich reformierte alte Micha-
elskirche in Appenheim, zum anderen die ehemalige Wallfahrts- und Klosterkirche Nothgottes im Rheingau. Was die
alte, 13 6S(?) erstmals erwähnte Pfarrkirche in Appenheim betrifft3, so scheint es wenig wahrscheinlich zu sein, dass
dieser kleine, wiederholt als baufällig bezeichnete, im Pfälzischen Erbfolgekrieg zudem verwüstete und schließlich
vom Einsturz des Chorturms betroffene Bau bis zu seiner grundlegenden barocken Erneuerung in den 1760/706^
Jahren Glasmalereien in vergleichsweise intaktem Zustand bewahrt hatte; mit Altären, die dem Hl. Michael, dem
Hl. Nikolaus und der Jungfrau Maria geweiht waren, wies er auch keine Altarpatrozinien auf, auf die das Figurenpaar
Petrus/Antonius unmittelbaren Bezug genommen haben könnte. Aber auch dessen bereits von Johannes Würth über-
lieferte Herkunft aus Nothgottes - einer Wallfahrtsstätte bei Rüdesheim, die im ausgehenden 14. Jahrhundert eine
noch bestehende Kapelle erhielt (Weihe 1390) und von 1620 an bis zu ihrer Aufhebung 1813 von Kapuzinermönchen
besiedelt wurde4 - ist nicht zu verifizieren; die im Zuge der Aufhebung verschenkten Ausstattungsstücke - im Übrigen
auch das Hochaltarretabel - gingen offenbar ausnahmslos an Kirchen des rechtsrheinischen Herzogtums Nassau5.
Woher die Scheiben ursprünglich stammen und wie sie in die Michaelskirche in Appenheim gelangt sind, kann ange-
sichts dieser Überlieferung nicht beantwortet werden.
Erhaltung: Abgesehen davon, dass die rahmende Architektur, in der die Figuren einmal standen, verloren ist, be-
finden sich die Scheiben in vergleichsweise gutem Zustand. Die Ergänzungen, die verschiedenen Restaurierungen zu
entstammen scheinen, beschränken sich auf kleine, zumeist marginale Stücke (Fig. 117L), und die B emalung der Gläser
ist noch weitgehend intakt, nur an einzelnen Stellen ist sie berieben bzw. abgängig. Beide Scheiben sind jedoch stark
verschmutzt: durch Farbspritzer, verbräunte Überzüge (im Petrus-Gewand), verbräunte Kittreste und Schwitzwasser.
Auf den Rückseiten punktförmiger Lochfraß auf blauen, roten und rotvioletten Gläsern und gelegentlich auch auf dem
farblosen Glas. Verbleiung wohl 19. Jahrhundert.
Rekonstruktion, Komposition: Aufgrund ihrer Ausrichtung auf ein Gegenüber, wie sie für Heiligenpaare üblich
ist, waren die wohl im frühen 20. Jahrhundert in zwei separate, farblich geschmacklose Sechseck-Blankverglasungen
eingesetzten Figuren ursprünglich entweder Teile einer Scheibe, in der sie sich als Paar gegenüberstanden, oder sie
gehörten zu zwei Scheiben, deren eine Hälfte - zufälligerweise - jeweils verloren wäre. Da dies wenig wahrscheinlich
ist und beide Stücke sich im kompositorischen Aufbau - Heiligenfiguren auf konsolenartigen Standflächen vor blauem
Fiederrankengrund - ebenso gleichen wie ergänzen, sind in ihnen die Reste einer Scheibe zu sehen. Aus dem Stück

1 Hinzu kommt das »Sühne-Fenster« (2002) von Johannes Schreiter,
Inv. Nr. V 05861; vgl. hierzu: Dommuseum Mainz. Führer durch die
Sammlung, hrsg. von Hans-Jürgen Kotzur, bearbeitet von Alexandra
König, Diana Ecker u. Bettina Schüpke, Mainz 2008, S. 92k, Nr. 107.
2 Rauch 1934, S. 182, 184, 186; Dehio Rheinland-Pfalz/Saarland
*1984, S.38.

Würth 1908 (s. Bibi.), S. 76-86; Diehl 1932, S. 446t.; Rauch 1934,
S. 180-182.
4 Herchenröder 1965, S. 341-345.
5 Wiesbaden, HHStA, Abt. 238, Nr. 21 (Aufhebung des Kapuziner-
klosters Nothgottes 1813-1815). Vgl. hierzu die gründliche Auswer-
tung von P. Kilian Müller, Die Aufhebung der Wallfahrt Nothgottes
 
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