OPPENHEIM • KATHARINENKIRCHE
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gern und Burgmannen geprägter Zeit vielleicht schon ab ca. 1260/70, Bernhard Schütz zufolge ab 1275/80 - ein zuerst
von Johann H. Andreae erwähntes, auf der Chronistik des 17. Jahrhunderts beruhendes Gründungsdatum 1262 ist
nicht zu verifizieren -, der heutige Bau, dessen Ostteile, d.h. Hauptchor und Nebenchöre mit Querhaus, unter Beteili-
gung des Königs als des Patronatsherrn in einem ersten längeren Bauabschnitt bis um 1300 errichtet wurden (s. hierzu
auch Kapitel 1), die zweite große Kampagne bestand dann im Bau des Langhauses, das im Wesentlichen, jedoch nicht
ohne vorbereitende Arbeiten am Ostjoch des Mittelschiffs und des südlichen Seitenschiffs, ab dem Jahr 1317 - so wird
es in einer Bauinschrift überliefert - bis um 1332/33 (Südseite) bzw. um 1340 (Nordseite) entstand6 7 8, forciert durch die
gleichzeitige Umwandlung der Pfarrkirche St. Katharinen in ein Kollegiatstift durch Erzbischof Peter von Aspelt, der
nach der Verpfändung Oppenheims an das Erzstift Mainz im Jahr 1315 gewissermaßen zum »Stadtherrn« geworden
war.
Die Ostteile der Kirche bestehen aus einem hohen, einjochigen Hauptchor mit 5/8-Schluss, zwei niedrigeren, zum
Chorjoch und zum Querhaus hin geöffneten Nebenchören mit 3/8-Schlüssen und einem geräumigen, aus drei großen
quadratischen Jochen gebildeten Querhaus mit Vierungsturm (Fig. 173—175). Fünf hohe, schmale zweibahnige Fens-
ter9, die in der Achse von drei gestapelten Dreipässen und an den Seiten von jeweils einem großen Dreipass bekrönt
werden, durchlichten den Chor. Das Chorjoch weist oberhalb seiner steil aufragenden Arkaden lediglich zwei ver-
kürzte, z.T. vermauerte zweibahnige Fenster mit identischen Maßwerkfiguren wie in den Chorflankenfenstern auf,
und in gleicher Weise sind die Fenster über den Arkaden in den Querhaus-Ostwänden gestaltet. Auch die jeweils
drei Fenster der Nebenchöre sind zweibahnig und, einschließlich ihrer Kopfscheiben, siebenzeilig10; sie tragen im
Maßwerk einen Kreis, dem ein liegender, an den Spitzen mit Lilien besetzter Dreipass eingeschrieben ist. Erst mit
den Prachtfenstern in den Querhaus-Stirnwänden wird dieser gleichförmige Rhythmus aufgegeben: Beide Fenster
sind vierbahnig, mit Kopfscheiben 13- bzw. 10-zeilig11 und gegenüber den Fenstern in den Chören durch reichere
Profilierung und aufwändigeres, aus Doppellanzetten, Kreisen und mit Lilien besetzten Vierpässen bestehendes Cou-
ronnement in mehrfach gestufter Ordnung ausgezeichnet. Sie stehen somit, wie auch die nun dreibahnigen, aus ge-
staffelten Lanzetten gebildeten Fenster in den Querhaus-Westwänden, vermittelnd zwischen Chor und Langhaus,
dessen Kapellen-, Seitenschiff- und Mittelschiffwände vollständig in Maßwerkfenster von kaum zu überbietendem
Formenreichtum aufgelöst sind (Fig. 173E, 176). Im Grundriss besteht das Langhaus aus drei nahezu gleich breiten
Schiffen zu vier kurzen, querrechteckigen Jochen. Zwischen den Strebepfeilern sind Kapellen mit je zwei kleinen, zu
Paaren angeordneten Spitzbogenfenstern eingebaut; auf der Südseite weisen diese Fensterpaare zentrierte, in die Ab-
folge a-b-a-b gebrachte Maßwerkfiguren auf, wohingegen sie auf der Nordseite jeweils unterschiedlich, aber dafür fast
durchgängig auf dem Grundmotiv der Unterteilung in Bahnen gestaltet sind. Oberhalb der Kapellen, die ursprünglich
durch etwas weiter in die Seitenschiffe hineinreichende, frei stehende, rhythmisierte Arkadenstellungen gegen den
Innenraum »geschlossen« waren (Fig. 173)12, besteht die Wand auf beiden Seiten aus vier, in der Reihung weniger hoch
als vielmehr breit wirkenden Fensteröffnungen. Dabei ist die Südseite als auf die Stadt hin ausgerichtete Schaufassade
6 Siehe hierzu Clemm 1938, S. 66, und bes. Schütz 1982, S. 122. Vgl.
dagegen Rauch 1997, der schon im romanischen Bau der Katharinen-
kirche vorrangig die »Burgkirche der Reichsfestung Oppenheim« er-
kennen zu dürfen glaubte (S. 38—51, 52) und deren Neubau daher im
Wesentlichen politisch begründet sah, indem er ihn und seine Farbver-
glasung gleichsam als ein Zeichen der »Vorrangstellung und Präsenz
König Rudolfs von Habsburg und seiner Lehensträger in Oppenheim«
interpretierte (S. 53L). Vgl. hierzu die kritischen Anmerkungen bei
Gast 2005.
7 Schütz 1982, S. 83-145, zum Baubeginn S. 71L, 115L, 133—137.
Das von Andreae 1779, S. 74, genannte Datum 1262 war bereits von
Clemm 1938, S. 66, kritisch besprochen worden. Schütz’ Spätdatie-
rung des Baubeginns wurde in der Folge nicht nur in die monografi-
sche Literatur zur Katharinenkirche aufgenommen (Arens 1989, S. ii;
Dölling 2000, S. 6, 8; Wegner 2005, S. 88f.), sondern auch in allge-
meine Arbeiten zur Architektur der Gotik (Nussbaum *1994, S. 123;
Bruno Klein, in: Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland, III:
Gotik, hrsg. von Bruno Klein, München u.a. 2007, S. 269h, Nr. 47).
Neuerdings wird wieder eine Frühdatierung des Baubeginns disku-
tiert; s. hierzu S. 254 mit Anm. 13L
8 Schütz 1982, S. 147-266, zur Datierung S. 208-217. Fie erwähnte,
von Schütz ausgiebig diskutierte Inschrift am mittleren Strebepfeiler
der Langhaus-Südseite lautet: DO ■ DAZ • BROD / VIR HALLER /
GALT ■ DO W/ART DflESJE / CAPPE[LL]E // PfANIS] // • ANE
■ GEHAB/EN • / • + • AN(N)O ■ D(OMI)NI ■ / • M ■ CCC • XVII •.
Zu ihrer Deutung s. auch Düll 1984, S. XIX, 7, Nr. 7, und jüngstens
Rüdiger Fuchs, Medieval Inscriptions in the Mainz and Oppenheim
Area: New Ideas and New Research, in: Engel/Gajeweski 2007,
S. 132-141, hier S. 135-137.
9 Zur Frage der ursprünglichen, durch Versetzung der Quereisen ver-
änderten Zeilenzahl der Chorfenster s. Kapitel 1, S. 278, 280, 282L Das
Fenster Chor s III ist wegen des auf der Südseite anschließenden, spät-
gotisch veränderten Sakristeianbaues (Schütz 1982, S. 97) in seinen
unteren Zeilen vermauert.
U Aufgrund äußerer Anbauten - im Norden ein Wendelstieg, im Sü-
den die bereits erwähnte Sakristei (s. Anm. 9) - sind die Fenster s IV
und n VI z.T. vermauert.
11 Während das Qhs.-Fenster n VII seine ursprüngliche Unterteilung
in insgesamt 13 Zeilen bewahrt haben dürfte, erhielt das Fenster s VII
für den Einbau des Katharinenfensters von 1889 eine neue, den monu-
mentalen Standfiguren angepasste Armierung, die mit Kopfscheiben
nur zehn Zeilen ausbildet.
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gern und Burgmannen geprägter Zeit vielleicht schon ab ca. 1260/70, Bernhard Schütz zufolge ab 1275/80 - ein zuerst
von Johann H. Andreae erwähntes, auf der Chronistik des 17. Jahrhunderts beruhendes Gründungsdatum 1262 ist
nicht zu verifizieren -, der heutige Bau, dessen Ostteile, d.h. Hauptchor und Nebenchöre mit Querhaus, unter Beteili-
gung des Königs als des Patronatsherrn in einem ersten längeren Bauabschnitt bis um 1300 errichtet wurden (s. hierzu
auch Kapitel 1), die zweite große Kampagne bestand dann im Bau des Langhauses, das im Wesentlichen, jedoch nicht
ohne vorbereitende Arbeiten am Ostjoch des Mittelschiffs und des südlichen Seitenschiffs, ab dem Jahr 1317 - so wird
es in einer Bauinschrift überliefert - bis um 1332/33 (Südseite) bzw. um 1340 (Nordseite) entstand6 7 8, forciert durch die
gleichzeitige Umwandlung der Pfarrkirche St. Katharinen in ein Kollegiatstift durch Erzbischof Peter von Aspelt, der
nach der Verpfändung Oppenheims an das Erzstift Mainz im Jahr 1315 gewissermaßen zum »Stadtherrn« geworden
war.
Die Ostteile der Kirche bestehen aus einem hohen, einjochigen Hauptchor mit 5/8-Schluss, zwei niedrigeren, zum
Chorjoch und zum Querhaus hin geöffneten Nebenchören mit 3/8-Schlüssen und einem geräumigen, aus drei großen
quadratischen Jochen gebildeten Querhaus mit Vierungsturm (Fig. 173—175). Fünf hohe, schmale zweibahnige Fens-
ter9, die in der Achse von drei gestapelten Dreipässen und an den Seiten von jeweils einem großen Dreipass bekrönt
werden, durchlichten den Chor. Das Chorjoch weist oberhalb seiner steil aufragenden Arkaden lediglich zwei ver-
kürzte, z.T. vermauerte zweibahnige Fenster mit identischen Maßwerkfiguren wie in den Chorflankenfenstern auf,
und in gleicher Weise sind die Fenster über den Arkaden in den Querhaus-Ostwänden gestaltet. Auch die jeweils
drei Fenster der Nebenchöre sind zweibahnig und, einschließlich ihrer Kopfscheiben, siebenzeilig10; sie tragen im
Maßwerk einen Kreis, dem ein liegender, an den Spitzen mit Lilien besetzter Dreipass eingeschrieben ist. Erst mit
den Prachtfenstern in den Querhaus-Stirnwänden wird dieser gleichförmige Rhythmus aufgegeben: Beide Fenster
sind vierbahnig, mit Kopfscheiben 13- bzw. 10-zeilig11 und gegenüber den Fenstern in den Chören durch reichere
Profilierung und aufwändigeres, aus Doppellanzetten, Kreisen und mit Lilien besetzten Vierpässen bestehendes Cou-
ronnement in mehrfach gestufter Ordnung ausgezeichnet. Sie stehen somit, wie auch die nun dreibahnigen, aus ge-
staffelten Lanzetten gebildeten Fenster in den Querhaus-Westwänden, vermittelnd zwischen Chor und Langhaus,
dessen Kapellen-, Seitenschiff- und Mittelschiffwände vollständig in Maßwerkfenster von kaum zu überbietendem
Formenreichtum aufgelöst sind (Fig. 173E, 176). Im Grundriss besteht das Langhaus aus drei nahezu gleich breiten
Schiffen zu vier kurzen, querrechteckigen Jochen. Zwischen den Strebepfeilern sind Kapellen mit je zwei kleinen, zu
Paaren angeordneten Spitzbogenfenstern eingebaut; auf der Südseite weisen diese Fensterpaare zentrierte, in die Ab-
folge a-b-a-b gebrachte Maßwerkfiguren auf, wohingegen sie auf der Nordseite jeweils unterschiedlich, aber dafür fast
durchgängig auf dem Grundmotiv der Unterteilung in Bahnen gestaltet sind. Oberhalb der Kapellen, die ursprünglich
durch etwas weiter in die Seitenschiffe hineinreichende, frei stehende, rhythmisierte Arkadenstellungen gegen den
Innenraum »geschlossen« waren (Fig. 173)12, besteht die Wand auf beiden Seiten aus vier, in der Reihung weniger hoch
als vielmehr breit wirkenden Fensteröffnungen. Dabei ist die Südseite als auf die Stadt hin ausgerichtete Schaufassade
6 Siehe hierzu Clemm 1938, S. 66, und bes. Schütz 1982, S. 122. Vgl.
dagegen Rauch 1997, der schon im romanischen Bau der Katharinen-
kirche vorrangig die »Burgkirche der Reichsfestung Oppenheim« er-
kennen zu dürfen glaubte (S. 38—51, 52) und deren Neubau daher im
Wesentlichen politisch begründet sah, indem er ihn und seine Farbver-
glasung gleichsam als ein Zeichen der »Vorrangstellung und Präsenz
König Rudolfs von Habsburg und seiner Lehensträger in Oppenheim«
interpretierte (S. 53L). Vgl. hierzu die kritischen Anmerkungen bei
Gast 2005.
7 Schütz 1982, S. 83-145, zum Baubeginn S. 71L, 115L, 133—137.
Das von Andreae 1779, S. 74, genannte Datum 1262 war bereits von
Clemm 1938, S. 66, kritisch besprochen worden. Schütz’ Spätdatie-
rung des Baubeginns wurde in der Folge nicht nur in die monografi-
sche Literatur zur Katharinenkirche aufgenommen (Arens 1989, S. ii;
Dölling 2000, S. 6, 8; Wegner 2005, S. 88f.), sondern auch in allge-
meine Arbeiten zur Architektur der Gotik (Nussbaum *1994, S. 123;
Bruno Klein, in: Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland, III:
Gotik, hrsg. von Bruno Klein, München u.a. 2007, S. 269h, Nr. 47).
Neuerdings wird wieder eine Frühdatierung des Baubeginns disku-
tiert; s. hierzu S. 254 mit Anm. 13L
8 Schütz 1982, S. 147-266, zur Datierung S. 208-217. Fie erwähnte,
von Schütz ausgiebig diskutierte Inschrift am mittleren Strebepfeiler
der Langhaus-Südseite lautet: DO ■ DAZ • BROD / VIR HALLER /
GALT ■ DO W/ART DflESJE / CAPPE[LL]E // PfANIS] // • ANE
■ GEHAB/EN • / • + • AN(N)O ■ D(OMI)NI ■ / • M ■ CCC • XVII •.
Zu ihrer Deutung s. auch Düll 1984, S. XIX, 7, Nr. 7, und jüngstens
Rüdiger Fuchs, Medieval Inscriptions in the Mainz and Oppenheim
Area: New Ideas and New Research, in: Engel/Gajeweski 2007,
S. 132-141, hier S. 135-137.
9 Zur Frage der ursprünglichen, durch Versetzung der Quereisen ver-
änderten Zeilenzahl der Chorfenster s. Kapitel 1, S. 278, 280, 282L Das
Fenster Chor s III ist wegen des auf der Südseite anschließenden, spät-
gotisch veränderten Sakristeianbaues (Schütz 1982, S. 97) in seinen
unteren Zeilen vermauert.
U Aufgrund äußerer Anbauten - im Norden ein Wendelstieg, im Sü-
den die bereits erwähnte Sakristei (s. Anm. 9) - sind die Fenster s IV
und n VI z.T. vermauert.
11 Während das Qhs.-Fenster n VII seine ursprüngliche Unterteilung
in insgesamt 13 Zeilen bewahrt haben dürfte, erhielt das Fenster s VII
für den Einbau des Katharinenfensters von 1889 eine neue, den monu-
mentalen Standfiguren angepasste Armierung, die mit Kopfscheiben
nur zehn Zeilen ausbildet.