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EHEMALS PARTENHEIM • PFARRKIRCHE
Ersatz mit weissem Glas« zu bekommen. Die hessische Regierung untersagte diesen Tausch unter Berufung auf die
1818 erlassene Verordnung zur Erhaltung der Baudenkmäler; vielmehr sollten die Scheiben nach Darmstadt abgegeben
werden, was im Herbst 1819 und im Frühjahr 1820 so auch geschah.
Ihr Ausbau wurde einem Darmstädter Glaser überantwortet, offensichtlich dem Glasermeister und nachmaligen Hof-
glaser Ludwig Noack (J 1843)10, der auch erste Restaurierungsarbeiten an den Scheiben unternahm, wie eine Einrit-
zung auf der Rückseite von Nr. 168 (H L Noack 1820) und das Monogramm LN in Nr. 161 und 165 erkennen lassen.
Dabei handelte es sich um Neuverbleiungen und Ersetzen von Fehlstellen »mit mattem, weissem Glase«11, sodass die
noch am besten erhaltenen Scheiben - insgesamt 24 Stück - museal präsentiert werden konnten (vgl. hierzu S. 94E).
Dieser Kernbestand hat Darmstadt niemals verlassen. Dafür wurde eine Anzahl nicht »benötigter« Scheiben und
Fragmente um 1842-1844 nach Worms abgegeben, wo man damals Glasmalereien zur Ausstattung der Rosenfenster
im Westchor zusammentrug (s. Anhang S. 490; Textabb. 4). Überzählige Stücke scheinen noch im Laufe des 19. Jahr-
hunderts weiterverkauft worden zu sein und gelangten auf diesem Weg in verschiedene auswärtige Sammlungen. Die
in Worms verbliebenen Scheiben und Fragmente wurden 1930 vom Hessischen Landesmuseum zurückgekauft.
Erhaltung: Als Hans Carl Freiherr von Zwierlein sich in der Zeit um 1819/20 um den Scheibenbestand in Partenheim
bemühte, scheinen sich die Fenster der Kirche in keinem guten Zustand befunden zu haben; in dem von Ferdinand
W. E. Roth ausgewerteten Schriftwechsel zwischen Zwierlein und der hessischen Regierung ist mehrfach davon die
Rede, dass sie »teilweise verfallen« bzw. »sehr beschädigt« seien12. Dem entspricht, dass die heute nachweisbaren Ver-
glasungsreste nur noch zu einem geringen Teil aus mehr oder weniger intakten, nur wenig ergänzten Scheiben beste-
hen, während sie überwiegend zahlreiche Ergänzungen aufweisen oder überhaupt nur als Fragmente erhalten sind.
Die 1819/20 nach Darmstadt überführten Scheiben wurden damals, wie erwähnt, zu Ausstellungszwecken zum ers-
ten Mal wiederhergestellt, indem sie - offenbar scharf - gereinigt13 und neu verbleit wurden und ihre Fehlstellen mit
mattem weißen Glas geflickt wurden. Diese Flickungen dürften um 1900 beseitigt und gegen farblich und stilistisch
an den Bestand angepasste Ergänzungen ausgetauscht worden sein, als die Glasmalereien des Großherzoglich Hes-
sischen Landesmuseums im Messel-Bau neu präsentiert wurden. Eine zweite Restaurierungsphase um 1930/35 betraf
vor allem die 1930 aus Worms erworbenen Scheiben, doch müssen damals auch einige der bereits in Darmstadt vor-
handenen Scheiben von Otto Linnemann noch einmal übergangen worden sein (s. z.B. Nr. 155E). Die bisher letzte,
nicht immer sorgfältig durchgeführte Restaurierung der Scheiben durch Gottfried Frenzei in den ^bo/yoer-Jahren
diente vor allem der Sicherung des Bestandes, wozu auch Doublierungen gesprungener Gläser gehörten (s. Nr. 148,
158, 165)14.
Alle Glassorten des Darmstädter Scheibenbestandes weisen Lochfraß auf, wobei der Schädigungsgrad von Schei-
be zu Scheibe unterschiedlich ist; die etwas jüngeren Scheiben Nr. 173E sind grundsätzlich stärker geschädigt. Viele
Scheiben haben Sprünge, die ihre Lesbarkeit beeinträchtigen. Ihre Bemalung ist in den Halbtönen oftmals verloren,
und auch die Konturmalerei ist mitunter von inselartigen Ausbrüchen des Schwarzlots betroffen. Dem entsprechend
sind auf einigen Scheiben Kaltretuschen und Übermalungen zu konstatieren, die entlang von Sprüngen oder in groß-
flächigen Partien aufgebracht wurden. Optisch sind viele Scheiben durch verbräunte Kittreste und Kleberückstände
verunstaltet. Die Verbleiungen sind durchweg neu und stammen von den Restaurierungen im 19./20. Jahrhundert.
Rekonstruktion, ikonografisches Programm: Von der ehemaligen Farbverglasung im Chor der Pfarrkirche zu
Partenheim ist etwa noch ein Drittel des ursprünglichen Bestandes erhalten: eine Scheibe mit einer Darstellung der
Kreuzigung Christi, vermutlich der Rest eines Zyklus mit der Passion Christi (Abb. 247), sechs Scheiben mit Dar-
stellungen aus dem Leben Mariä (Textabb. 21, Fig. 365, 368, Abb. 241-246), fünf Scheiben mit Darstellungen von
Heiligen (Fig. 363, 367, Abb. 248-251, 259), fünf Scheiben mit Vollwappen adeliger, am Mittelrhein ansässiger Familien
Darmstadt, HStA, Best. D 4, Nr. 682/37 (Gesuch um Ernennung
zum Hofglaser, 1830), und Best. G 28 Darmstadt, Nr. F 2332/6 (Todes-
anzeige).
11 Müller, 2i837, I, S. 17; Walther (1842), S. 107; Walther 1844,
S.102.
12 Roth 1913 (s. Bibi.), S. 6, 7.
13 Das Wappen der Seltin (Salentin) von Saulheim weist am rechten
Rand möglicherweise Spuren eines Reinigungsversuchs mit Säure auf;
s. Katalog S. 426, Nr. 161.
14 Zu den Maßnahmen Frenzeis s. Beeh-Lustenberger 1973, S. 6f.
15 Ehemals Darmstadt, HStA, Best. E 5 C (alt), Nachweis. Hierzu und
zum Folgenden s. auch Beeh-Lustenberger 1973, S. 146t.
Auch für die Fragmente von Stifterscheiben in Sigmaringen und
Leobendorf ist dies zu vermuten (s. S. 431).
EHEMALS PARTENHEIM • PFARRKIRCHE
Ersatz mit weissem Glas« zu bekommen. Die hessische Regierung untersagte diesen Tausch unter Berufung auf die
1818 erlassene Verordnung zur Erhaltung der Baudenkmäler; vielmehr sollten die Scheiben nach Darmstadt abgegeben
werden, was im Herbst 1819 und im Frühjahr 1820 so auch geschah.
Ihr Ausbau wurde einem Darmstädter Glaser überantwortet, offensichtlich dem Glasermeister und nachmaligen Hof-
glaser Ludwig Noack (J 1843)10, der auch erste Restaurierungsarbeiten an den Scheiben unternahm, wie eine Einrit-
zung auf der Rückseite von Nr. 168 (H L Noack 1820) und das Monogramm LN in Nr. 161 und 165 erkennen lassen.
Dabei handelte es sich um Neuverbleiungen und Ersetzen von Fehlstellen »mit mattem, weissem Glase«11, sodass die
noch am besten erhaltenen Scheiben - insgesamt 24 Stück - museal präsentiert werden konnten (vgl. hierzu S. 94E).
Dieser Kernbestand hat Darmstadt niemals verlassen. Dafür wurde eine Anzahl nicht »benötigter« Scheiben und
Fragmente um 1842-1844 nach Worms abgegeben, wo man damals Glasmalereien zur Ausstattung der Rosenfenster
im Westchor zusammentrug (s. Anhang S. 490; Textabb. 4). Überzählige Stücke scheinen noch im Laufe des 19. Jahr-
hunderts weiterverkauft worden zu sein und gelangten auf diesem Weg in verschiedene auswärtige Sammlungen. Die
in Worms verbliebenen Scheiben und Fragmente wurden 1930 vom Hessischen Landesmuseum zurückgekauft.
Erhaltung: Als Hans Carl Freiherr von Zwierlein sich in der Zeit um 1819/20 um den Scheibenbestand in Partenheim
bemühte, scheinen sich die Fenster der Kirche in keinem guten Zustand befunden zu haben; in dem von Ferdinand
W. E. Roth ausgewerteten Schriftwechsel zwischen Zwierlein und der hessischen Regierung ist mehrfach davon die
Rede, dass sie »teilweise verfallen« bzw. »sehr beschädigt« seien12. Dem entspricht, dass die heute nachweisbaren Ver-
glasungsreste nur noch zu einem geringen Teil aus mehr oder weniger intakten, nur wenig ergänzten Scheiben beste-
hen, während sie überwiegend zahlreiche Ergänzungen aufweisen oder überhaupt nur als Fragmente erhalten sind.
Die 1819/20 nach Darmstadt überführten Scheiben wurden damals, wie erwähnt, zu Ausstellungszwecken zum ers-
ten Mal wiederhergestellt, indem sie - offenbar scharf - gereinigt13 und neu verbleit wurden und ihre Fehlstellen mit
mattem weißen Glas geflickt wurden. Diese Flickungen dürften um 1900 beseitigt und gegen farblich und stilistisch
an den Bestand angepasste Ergänzungen ausgetauscht worden sein, als die Glasmalereien des Großherzoglich Hes-
sischen Landesmuseums im Messel-Bau neu präsentiert wurden. Eine zweite Restaurierungsphase um 1930/35 betraf
vor allem die 1930 aus Worms erworbenen Scheiben, doch müssen damals auch einige der bereits in Darmstadt vor-
handenen Scheiben von Otto Linnemann noch einmal übergangen worden sein (s. z.B. Nr. 155E). Die bisher letzte,
nicht immer sorgfältig durchgeführte Restaurierung der Scheiben durch Gottfried Frenzei in den ^bo/yoer-Jahren
diente vor allem der Sicherung des Bestandes, wozu auch Doublierungen gesprungener Gläser gehörten (s. Nr. 148,
158, 165)14.
Alle Glassorten des Darmstädter Scheibenbestandes weisen Lochfraß auf, wobei der Schädigungsgrad von Schei-
be zu Scheibe unterschiedlich ist; die etwas jüngeren Scheiben Nr. 173E sind grundsätzlich stärker geschädigt. Viele
Scheiben haben Sprünge, die ihre Lesbarkeit beeinträchtigen. Ihre Bemalung ist in den Halbtönen oftmals verloren,
und auch die Konturmalerei ist mitunter von inselartigen Ausbrüchen des Schwarzlots betroffen. Dem entsprechend
sind auf einigen Scheiben Kaltretuschen und Übermalungen zu konstatieren, die entlang von Sprüngen oder in groß-
flächigen Partien aufgebracht wurden. Optisch sind viele Scheiben durch verbräunte Kittreste und Kleberückstände
verunstaltet. Die Verbleiungen sind durchweg neu und stammen von den Restaurierungen im 19./20. Jahrhundert.
Rekonstruktion, ikonografisches Programm: Von der ehemaligen Farbverglasung im Chor der Pfarrkirche zu
Partenheim ist etwa noch ein Drittel des ursprünglichen Bestandes erhalten: eine Scheibe mit einer Darstellung der
Kreuzigung Christi, vermutlich der Rest eines Zyklus mit der Passion Christi (Abb. 247), sechs Scheiben mit Dar-
stellungen aus dem Leben Mariä (Textabb. 21, Fig. 365, 368, Abb. 241-246), fünf Scheiben mit Darstellungen von
Heiligen (Fig. 363, 367, Abb. 248-251, 259), fünf Scheiben mit Vollwappen adeliger, am Mittelrhein ansässiger Familien
Darmstadt, HStA, Best. D 4, Nr. 682/37 (Gesuch um Ernennung
zum Hofglaser, 1830), und Best. G 28 Darmstadt, Nr. F 2332/6 (Todes-
anzeige).
11 Müller, 2i837, I, S. 17; Walther (1842), S. 107; Walther 1844,
S.102.
12 Roth 1913 (s. Bibi.), S. 6, 7.
13 Das Wappen der Seltin (Salentin) von Saulheim weist am rechten
Rand möglicherweise Spuren eines Reinigungsversuchs mit Säure auf;
s. Katalog S. 426, Nr. 161.
14 Zu den Maßnahmen Frenzeis s. Beeh-Lustenberger 1973, S. 6f.
15 Ehemals Darmstadt, HStA, Best. E 5 C (alt), Nachweis. Hierzu und
zum Folgenden s. auch Beeh-Lustenberger 1973, S. 146t.
Auch für die Fragmente von Stifterscheiben in Sigmaringen und
Leobendorf ist dies zu vermuten (s. S. 431).