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Gast, Uwe; Rauch, Ivo
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.52850#0487

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4S6

ANHANG: VERSCHOLLENE ODER VERLORENE GLASMALEREIEN

offenbar nicht ganz zuverlässigen Ansicht von Franz Graf von
Kesselstatt handelte es sich um einen Saalbau mit polygonalem
Chor, dessen Fenster auf halber Höhe geteilt waren. Zu Beginn
des 19. Jh. wurde das Kloster aufgehoben und das Areal an den
französischen General Lauer versteigert, der die Kirche 1812
zur Vergrößerung seines Gartens abreißen ließ; heute erinnert
nur mehr der barocke »Fremdenbau« an die einstige Existenz
der Anlage.
Wie verschiedene, der Memoria der Wohltäter gewidmete Ein-
träge in dem Kalendarium bzw. Nekrolog aus Weißfrauen ver-
muten lassen, waren die Kirche und der Kapitelsaal des Klosters
reich mit Glasmalereien versehen. Insgesamt sechs Personen
werden genannt (s. Reg. Nr. 38), die je ein Fenster - zweifellos
ein Farbfenster - gestiftet hatten, wobei die Stifter teils dem
Kloster selbst (Friedrich von Hebenstein), teils der hohen Geist-
lichkeit (Richard vom Stein, f 1487)73, teils (Handels-)Familien
in Frankfurt/M. und Mainz (Bechtold Heller, f 1499; Eligius
[gen. Loy] Jostenhöffer zum Schenkenberg, f 1507; Andreas
Gostenhofer zum Fulker) angehörten74; lediglich bei Heinrich
Fürstenberg bleibt unklar, ob er mit Heinrich zum Fürsten-
berg (f 1474?) aus dem Familienverband der Löwenhäupter von
Mainz zu identifizieren ist75 oder ob es sich bei ihm um eine
andere Person gehandelt hat, etwa jenen Heinrich Fürstenberg
aus Köln, für den Andreas Gostenhofer in den Jahren 1480 und
1483 auf der Messe in Bergen op Zoom als Faktor tätig war.
Für die genannten Familien war das Kloster Versorgungsstätte
vieler ihrer weiblichen Angehörigen: Bechtold Hellers Tochter
Luckel war dort ebenso Nonne wie Loy Jostenhöffers Tochter
Veronika, und Dorothea, die Schwester des Andreas Gosten-
hofer, stieg bis zur Äbtissin auf.
Während die für die Kirche bestimmten Stiftungen, u.a. von
Richard vom Stein und Bechtold Heller, noch in das 15. Jh. zu
datieren sind, ist mit zwei der Glasmalereien für den Kapitel-
saal eine Entstehung im frühen 16. Jh. verbunden (1503, 1514).
EHEMALS MAINZ, DOMHERREN-TRINKSTUBE
Bibliografie: Adam B. Gottron, Johann von Hattstein, ein
Mainzer Domherr im Zeitalter des Humanismus, in: AHG
NF 24, 1952/53, S. 37-62, hier S. 44 (Neuverglasung der Dom-
herren-Trinkstube durch Konrad Tüncher, 1509).
Das nicht mehr bestehende, in den Mainzer Stadtaufnahmen
des 17. Jh. noch nachgewiesene Gebäude mit der Domherren-
Trinkstube lag nordwestlich der Gotthard-Kapelle am Dom,
zwischen Höfchen und Markt76. Im Jahr 1509 hatte die Trink-
stube Fenster mit den Wappen der Domherren erhalten, die von
dem Glaser Konrad Tüncher gefertigt worden waren (s. Reg.
Nr. 39).
Nr. 88 (Norbert Suhr).
73 Richard vom Stein-Oberstein war in den Jahren 1460/61-1475 De-
kan des Mainzer Domkapitels und seit 1464 bis zu seinem Tod 1487
auch Propst des Stiftes St. Peter und Alexander in Aschaffenburg;
s. Hollmann 1990, S. 456.
74 Zu Bechtold Heller: Frankfurter Chroniken und annalistische
Aufzeichnungen des Mittelalters, bearbeitet von R. Froning (Quellen
zur Frankfurter Geschichte 1), Frankfurt a. M. 1884, S. 423. Er war
weitläufig mit Loy Jostenhöffer verwandt, dessen Schwiegermutter
eine Schwester von Katharina Blum, der Ehefrau Bechtold Hellers
war. Eine Zusammenstellung der bekannten Daten zu Eligius (gen.

EHEMALS NIEDER-INGELHEIM,
AUGUSTINER-CHORHERRENSTIFT IN DER PFALZ
Bibliografie: Joseph Neuwirth, Zur Geschichte der Bauten in
Ingelheim. Nach brieflichen Aufzeichnungen in einer Hand-
schrift der Prager Universitätsbibliothek, in: Westdeutsche Zs.
für Geschichte und Kunst 9, 1890, S. 92-96, hier S. 96 (erste
Veröffentlichung eines im Jan. 1638 abgefassten Briefes von
Nikolaus Lindenmayr, in dem dieser ein Glasgemälde mit der
Darstellung Kaiser Karls des Großen in Ingelheim erwähnt;
vgl. Reg. Nr. 44); Oidtmann 1929, S. 469 (Erwähnung der von
Neuwirth 1890 publizierten Quelle im Kontext des Umgangs
mit Glasmalereien in nachmittelalterlicher Zeit); Adolf Zel-
ler, Die Auswertung des Befundes früher Bauanlagen im Saale
in Ingelheim. Reichsaal und Kaiserwohnung (Forschungen
an karolingischen Bauten im Rheingau und in Rheinhessen,
Heft 1), Berlin 1935, S. 18 (das erwähnte Glasgemälde mit der
Figur Karls des Großen sei »unter Wegschneiden der Linken
mit dem Reichsapfel nach Herausnahme aus seinem ursprüng-
lichen Standorte, wohl dem Chorfenster der abgebrochenen
Kapelle, die demnach dem heiligen Karl gewidmet gewesen
wäre, in einem profanen Wohnraume wieder untergebracht«
worden, »um die Erinnerung an die Bedeutung des Baues als
Kaiserwohnung festzuhalten«); Ernst Emmerling, Ein Bild
Kaiser Karls des Großen in der Ingelheimer Saalkirche, in: Zs.
des Aachener Geschichtsvereins 66/67, I954yZ555 S. 5—11, hier
S. 9L (fasst als ursprünglichen Standort des erwähnten Glas-
gemäldes die Saalkirche ins Auge; erwägt eine Entstehung im
späten 12. Jh., gleichzeitig mit vier nach Ingelheim zu lokali-
sierenden Scheiben in Berlin [Kriegsverlust] und Wiesbaden);
Ernst Emmerling, Die Ingelheimer Bau- und Kunstdenk-
mäler, in: Ingelheim am Rhein. Forschungen und Studien zur
Geschichte Ingelheims, hrsg. von Johanne Autenrieth, In-
gelheim am Rhein 1964, S. 275-295, hier S. 279k, 282 (vermutet
Herkunft aus einem »größeren kirchlichen Bildzyklus«); Hess
1999, S. 311 (Zusammenfassung der Überlieferung zur »Rund-
scheibe mit dem Bildnis Karls des Großen«; Datierung 14. Jh.).
Mit einer am 14. Jan. 1354 in Nidern Ingelnheim ausgestellten
Urkunde begründete König Karl mit Erlaubnis des Mainzer
Erzbischofs Gerlach von Nassau und des Domkapitels in Pala-
tio Caesareo Ingelnheim - d.h. an jenem Ort, wo, wie eigens er-
wähnt wird, Karl der Große geboren worden sein und wo ihm
von einem Engel das »Triumphschwert des rechten Glaubens«
{orthodoxe fidei gladius triumphalis) überreicht worden sein soll
- ein Augustiner-Chorherrenstift zu Ehren Jesu Christi, des
Erlösers, und der seligen Wenzel und Karl, seiner Vorgänger;
dieses reich ausgestattete, innerhalb der karolingischen Pfalz
gelegene Stift war abhängig von dem wenige Jahre zuvor in der
Prager Neustadt gegründeten Stift auf dem Karlshof (Karlov)
Loy) Jostenhöffer zum Schenkenberg und Andreas Gostenhofer zum
Fulker verdanke ich Herrn Hauke Hillebrecht M.A., Trier. Siehe auch
Hauke Hillebrecht, Das Haus- und Familienbuch der Gostenhofer
zum Schenkenberg. Eine Aufsteigerfamilie im spätmittelalterlichen
Mainz, in: MZ 104, 2009, S. 159-162.
75 Flug 2004, S. 58.
76 Die Mainzer Stadtaufnahmen von 1657 und 1687, hrsg. von Hein-
rich Schrohe (Beiträge zur Geschichte der Stadt Mainz 7), Mainz
1930, S. 73, Nr. 5, 626.
77 Adalbert Erler, Das Augustiner-Chorherrenstift in der Königs-
 
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