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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 11.1866

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https://doi.org/10.11588/diglit.13558#0178

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ich nur im Interesse des Vereins selber Ausdruck zu geben mich für
verpflichtet hielt, Rechnung tragen.

Der ältere Kunst verein hat ebenfalls am 1. d. M. eine kleine,
aber recht hübsche Ausstellung eröffnet. Es fehlen zwar durchaus
Werke von hervorragender Bedeutung, auch sind fast alle Bilder von
kleinem Formate, so daß sie mehr den Eindruck einer kleinen Privat-
sammlung, mit Raumbeschränkung, als der einer öffentlichen Aus-
stellung macht. Aber es ist so recht heimlich unter diesen kleinen
Sächelchen, wovon einige ganz allerliebst sind. — Natürlich herrscht
die Landschaft wie immer sehr vor; von Werken anderer Fächer dürften
der schöne weibliche „Studienkopf" von Raab und Friedländer's
„Nach der Lotto-Ziehung" die bedeutendsten sein. Dagegen hat die
Landschaft eine sehr große Menge, nicht vorzüglicher aber guter und
ansprechender Leistungen aufzuweisen, worunter vorzugsweise Fritsch's
„Gegend an der Donau", Bühlmayer's „Partie aus der Ramsau"
namhaft zu machen sind, da sie eine gediegene Farbe mit schöner
Gesammtwirkung verbinden. Das letztgenannte zeichnet sich außerdem
durch eine recht gut behandelte Thierstaffage aus, obgleich es etwas
manierirt in der Technik und Zeichnung erscheint. — Lichtenfels'
„Alt Aussee" ist eine feine Gebirgslandschaft; — Aug. Schäffer's
„Motiv an der Westküste von Helgoland" ist recht wirkungsvoll,
erscheint aber dabei zu sehr gemacht; — auch Halauska's „Motiv
vom Kochelsee in Bayern" ist mit Anerkennung zu erwähnen. —
Ich bemerke schließlich, daß der ältere Kunstverein diese Ausstellung
in drei auf einander folgenden Monaten — falls es die Zeituinstände
gestatten — mit regelmäßigem Wechsel der Bilder wiederholen
will. Hoffentlich ist die nächstmonatliche zahlreicher und bietet mehr
Hervorragendes. Denn unter den 38 Nummern war kaum eins,
das einen wiederholten Besuch lohnte.

1i. Paris, Mitte Mai. (Der Pariser Salon. I. Historie.)
Ein Besuch des diesjährigen Salon erinnert daran, was Didsrot
erzählt, der bekannte Künstler Chardin habe, wenn er ihn
und seine Freunde im Salon umherführte, nicht aufgehört, ihnen
Nachsicht und Milde im Urtheil zu empfehlen und auf die Sorgen
und Mühen hinzudeuten, welche ein oft unbedeutendes Werk gekostet.
Kurz vor Eröffnung der diesjährigen Ausstellung meldeten die Jour-
nale den Selbstmord eines Künstlers deutschen Namens, dessen Bil-
der zurückgewiesen worden waren, und doch kann man der Jury keine
Strenge vorwerfen, auch finden die immer wiederkehrenden Gerüchte
von Parteilichkeit keinen Glauben mehr, seitdem der Salon der Re-
füsirten vor 2 Jahren jene Verläumdungen so glänzend widerlegt
hat. Der Grund, daß eine auf gewandte glänzende Mache beruhende
Mittelmäßigkeit täglich mehr die Oberhand gewinnt, liegt darin, daß
die besten Kräfte der Kunst sich an zu billigen Triumphen genügen
lassen, ohne das Höchste, was in ihrer Macht läge, zu erreichen,
oder wenigstens zu erstreben.

Der Katolog schließt mit No. 3338 ab und hat in Folge der
geringeren Betheiligung des Auslandes etwa 230 Nummern weniger
als der des vorigen Jahres. In welchem Lande könnte und müßte
die Historienmalerei wohl mehr blühen als hier, wo die Regierung
für hervorragende Werke Ehren aller Art und Preise bis zu Hun-
derttausenden von Franken bietet? Aber das mühsame Studium der
Geschichte, wie es die historische Malerei erfordert, widerstrebt dem
französischen Charakter im Allgemeinen, und Gold und Ehren ver-
dient der Künstler, der sich mit irgend einer Specialität in seinen
Leistungen hervorzuthun weiß, in dem niederen Genre leichter und
schneller. So ist denn auch in dieser Ausstellung in der eigentlichen
Historie wieder ein Rückgang sichtbar und nur Weniges bemerkens-
wertst: —•

Den ersten Platz möchten wir einem Bilde von Bonnat
einräumen, in welchem „Vincent de Paul den Platz eines Ga-

leeren-Sträflings einnimmt." Der Heilige steht mit edlen, verklärten
Zügen und gen Himmel erhobenem Blicke da, während zwei Wärter
ihm die Fesseln des befreiten Sträflings anlegen, der sich, gerührt
und beschämt zugleich, demselben au die Brust wirft. Der Kampf
zwischen Vorurtheil und Mitgefühl, welcher sich bei dem anwesenden
Offizier ausspricht, sowie der theilnahmslose Ausdruck der abgehär-
teten, markigen Gefängnißdiener sind in glücklicher Weise dargestellt,
und die vollendete Komposition wird durch ein der Situation ange-
messenes kräftiges Kolorit wirksam unterstützt. — Weniger gelungen in
der Komposition, aber immerhin ein viel versprechendes Werk ist eine
Scene, „Warschau, den 8. April 1861", in welcher ein junger Maler
Tony Robert Fleury, ein Sohn des bekannten Künstlers dieses
Nainens, nach dem Moniteur-Berichte vom 12. April 1861 einen
Angriff des Militairs auf eine wehrlose Volksmenge darstellt: im
Vordergründe liegt ein Jüngling mit durchschossener Brust in den
Armen des greisen Vaters; um sie herum eine bunte Gruppe von
Gestalten verschiedenen Alters und Geschlechts, die sich den feindlichen
Kugeln mit Todesverachtung entgegenstellen; an der Spitze des Volkes
halten zwei Priester das Kreuz ihren Angreifern entgegen, von deren
Kugeln getroffen der Eine im Begriff ist niederzusinken. Während
die Lichtwirkung auf diese Mittelscene ungemein lebhaft ist, treten
aus dem Hintergründe auf beiden Seiten, in nur unbestimmten Um-
rissen, wie daö dunkle Fatum, die Linien der russischen Reiterei
hervor, welche auf der einen Seite heranrückt, um jeden Rückzug ab-
znschneiden, während die Infanterie auf der anderen Seite sich zu
einer neuen Charge rüstet. Das Bild hat in der Komposition, der
Perspektive und Lichtwirkung manche Mängel, wie sie auch bei dem
begabtesten Anfänger natürlich sind, aber es hat in hohem Grade
die Absicht des Künstlers erreicht, sein Publikum zu ergreifen, so daß
sich diesem Gefühle auch ein russisches Herz schwer entziehen möchte.
Diesem Erfolge verdankt das Werk denn auch eine über seine künst-
lerische Bedeutung hinausgehende Beachtung, zumal es indem großen
Ehrensaalc einen Platz erhalten. — Neben demselben, an der Haupt-
wand dieses Saales, und jedem Besucher somit zuerst in die Augen
fallend, hängt das in uinfänglicher Beziehung größte Bild der Aus-
stellung: „L’enfant prodigue“ von Ed. Dubufe. Wenn der junge
Robert Fleury in der Wahl seines Stoffes auf die warmen po-
litischen Sympathieen der Franzosen für die Polen gerechnet hat, so
spekulirt Dubufe auf den verweichlichten Kunst-Mode-Geschmack der
vornehmen Menge und deren Vorliebe für Scenen k la D^cameron,
in deren bildlicher Darstellung die Künstler mit gewissen Autoren zu
wetteifern suchen. Der jugendliche Verschwender ist in einer zaube-
rischen Umgebung, den gefüllten Pokal in der Hand, im Kreise seiner
männlichen und weiblichen Genossen, dargestellt, die sich mit Tanz
und Würfelbecher die Zeit vertreiben. Neben diesem umfangreichen,
die zahlreichen Figuren in Lebensgröße darstellenden Bilde hat der
Künstler in zwei kleinen schmalen Seitcnstücken den verschwenderischen
Sohn als „Hüter der Schweine," und an der anderen Seite „die
Rückkehr desselben zu dem Vater" dargestellt. Es wäre vielleicht ein-
facher und künstlerischer gedacht gewesen, das unvermeidliche Heran-
nahen der Nemesis schon in dem Hauptbilde, in den Zügen des
Jünglings anzudeuten. Diese Seitenbilder sind in mattgrauem Tone
ausgeführt und gewinnen durch diese Anspruchslosigkeit der Dar-
stellung; sie gewähren dem Auge zugleich eine angenehme Erholung,
wenn es sich von den schreienden Farben des Hauptbildes abwendet,
dem gerade mit Rücksicht auf sein zu blendendes Kolorit ein weniger
günstiger Platz in der Aufstellung zu wünschen wäre. Der Künstler
hat offenbar die Manier Paolo Veronese's nachahmen wollen.
Die Tüchtigkeit desselben als Portraitmaler für den Geschmack der
hiesigen vornehmen Damenwelt ist unbestritten; Zeichnung und Kolorit
sind aber vielfach unkünstlerisch. (Fortsetzung folgt.)
 
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