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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 27.1910-1911

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Utitz, Emil: Heimatkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7379#0387

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Dr. Emil Utitz—Rostock:

ZWERG-GROTESKEN. NÜRNBERG-ST. JOHANNIS.

dann wird sie sich nur im Umgang mit anderen
vervollkommnen und entwickeln, vertiefen und
bereichern, ja sie wird sich dabei immer schär-
fer und klarer ausprägen.

Nun wird es wohl auch an der Zeit sein,
wiedervom künstlerischen Schaffen zu sprechen,
soweit es zu der Frage der „Heimatkunst" in
Beziehung steht. Der Künstler, der aus seiner
Heimat heraus gestaltet aus den ihn umgeben-
den, ihm vertrauten Verhältnissen, läuft nicht
so leicht Gefahr, in leere Abstraktionen sich zu
verlieren. Bekanntes ist es ja, dem sein Sinn
sich zuwendet, und da vermag er eher die in
ihm schlummernden ästhetischen Möglichkeiten
zum Leben zu erwecken und in seinem Werke
zur Darstellung zu bringen. Hier werden wir
also dieses Ausgehen von der heimatlichen
Scholle als eine günstige Bedingung für das
künstlerische Schaffen ansehen dürfen; aber es
wäre eine voreilige und ungerechtfertigte Ver-
allgemeinerung , zu wähnen, ohne Erfüllung
dieser Bedingungen könnten keine trefflichen
Kunstwerke entstehen. Die Erfahrung zeigt ja
deutlich das Gegenteil. Viele sehr bedeutende
Künstler fanden erst in der Fremde den ihnen
gemäßen Stil, und ihre Schaffenskraft erstarkte
unter den Anregungen, die ihnen die Fremde
bot. Sagten wir, das Ausgehen von der heimat-

AUFGENOMMEN VON ARCH. FR. AUG. NAGEL.

liehen Scholle könne günstige Bedingungen für
das künstlerische Schaffen bieten, so ist dies
jedenfalls nicht in der Art zu verstehen, daß
ein Künstler sich in seinen Kreis einspinnt, alle
fremden Einflüsse feindlich abwehrt und sich
damit der vielfachen Anregungen beraubt, die
ihm die Welt und die Kunst der anderen ent-
gegentragen. Eine derartige Abgeschlossenheit
könnte höchstens einen reifen Künstler fördern,
indem sie ihn vor Ablenkungen bewahrt und ihm
die für sein Schaffen nötige Ruhe und Samm-
lung gewährt, aber niemals einen jungen Künst-
ler, der erst lernen und sich entwickeln muß.
Wir dürfen nicht vergessen, daß z. B. die mo-
derne deutsche Kunst Italien, Frankreich, Spa-
nien, ja selbst Japan viel verdankt und ohne
diese Einflüsse, die sie kraftvoll und selbstän-
dig verarbeitete, sicherlich nicht auf der Höhe
stünde, die sie heute einnimmt.

Wir sollten überhaupt nicht, wenn wir von
rasseneigentümlicher Kunst sprechen wollen,
unseren Standpunkt so oberflächlich wählen,
daß wir lediglich oder in erster Linie auf die
Stoffwahl sehen, während sich doch die künst-
lerische Leistung erst durch die ästhetische Be-
wältigung des Stoffes offenbart. Und dringen
wir so tiefer, dann erkennen wir auch, daß ein
Goethe deutsch, kerndeutsch war, selbst als

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