Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 27.1910-1911

DOI Artikel:
Utitz, Emil: Heimatkunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7379#0388

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Heimatkunst.

er seine Iphigenie schrieb , und Böcklin, auch
wenn uns aus manchem seiner Werke Italiens
blauer Himmel entgegenlacht. Und schließlich
kommt es ja unter dem Gesichtspunkt rein
künstlerischer Wertung gar nicht darauf an,
welche Rasse — im ethnologischen oder völker-
psychologischen Sinne — aus einem Kunstwerke
spricht, sondern ob es eben ein gutes oder
schlechtes Kunstwerk ist, ob sich eine künst-
lerisch machtvolle Persönlichkeit uns offenbart,
oder schwächlich langweiliges Menschentum.
Wir hatten z. B. diesen Sommer in München
Gelegenheit, eine Fülle edelster Meisterwerke
mohammedanischer Kunst zu bewundern und
ließen uns in dem reichen Schwelgen in erlesenen
Kunstgenüssen sicherlich nicht durch Unter-
suchungen stören, wie weit die Eigenart dieser
Werke auf Rasseneinflüsse zurückgeht, die uns
fremd, vielleicht sogar feindlich und unsym-
pathisch sind. Ich will nicht leugnen, daß es
sich hierbei um sehr fesselnde und auch be-
deutungsvolle Fragen handelt, wenn man genau
und sorgsam all den Beziehungen nachspürt,
die von den Besonderheiten der Rasse zu der
Ausprägung im Kunstwerke leiten; aber der
ästhetische Genießer hat damit unmittelbar nur
so weit zu tun, als er vielleicht durch diese
Einblicke in fremdes Kulturleben in seinem Ge-
nüsse gefördert wird; keineswegs darf er aber
irgendwie diese Rassenfragen seinen Wertungen
unterschieben und etwa zu Behauptungen ge-
langen, dieser Künstler sei besonders schätzens-
wert, weil er „deutsch" ist. Dem Kunst-Lieb-
haber wird man natürlich derartige persönliche
Vorlieben gerne gönnen; der eine sammelt nur
Gemmen, ein anderer Bronzen; dieser Land-
schafts-Darstellungen, jener religiöse Bildwerke.
Und warum sollte man da nicht auch Kunst-
freunden das Recht zugestehen, die Werke vor-
zuziehen, mit denen sie deswegen ein besonders
inniges Band verbindet, weil der nationale
Geist, der aus ihnen entgegenschlägt, nach-
fühlenden Wiederhall findet, oder weil die
gleiche Liebe zur Heimat, die sie beseelt, warm
und freudig aus den Bildern ihnen entgegen-
lacht ? Hier wäre Rigorosität ungerechtfertigte
Intoleranz; aber eine gleiche Intoleranz ist es
nun — wie wir bereits erörtert haben —, wenn
nun diese persönlichen Vorlieben zur Grund-

lage allgemeiner Gebote erhoben werden. Dann
muß man gegen sie Stellung nehmen als brutale
Vergewaltigungen fremder Rechte im Namen
persönlicher Neigungen.

— So — vorsichtiger gefaßt — und in dem be-
schränkten Rahmen, den wir abzustecken ver-
suchten, hat nun die „Heimatkunst" ihre volle
Berechtigung. Denn wenn es Aufgabe des Künst-
lers ist, die Schönheit all der unzähligen Dinge,
die Welt und Leben in unübersehbarer Fülle
darbieten, durch seine Werke zu verherrlichen,
warum sollte er nicht auch die Schönheit der
Heimat und des heimatlichen Volkes zum Gegen-
stande sich wählen, warum sollten diese Ge-
gebenheiten nicht im Stande sein, ihn zu seinem
Schaffen zu begeistern? Dagegen wird wohl
kein Urteilsfähiger irgendwelche Bedenken er-
heben können; nur muß man sich klar sein, daß
es sich hier nur um eine Aufgabe unter vielen
anderen handelt, gleichsam um einen einzigen
Bezirk im großen Reiche der Kunst. Und man
darf nicht verlangen, daß das ganze Reich leide
zu Gunsten dieses einen Bezirkes.

Wenn wir uns nun all dessen aber bewußt
sind, können wir ruhig die Vorzüge anerkennen,
die eine richtig angewandte „Heimatkunst" mit
sich bringt, ohne fürchten zu müssen, dabei in
einseitigen Dogmatismus zu verfallen. Die
Kunst, die an heimatliche Besonderheiten der
Landschaft oder der Bevölkerung anknüpft,
wird die Augen öffnen für die Schönheiten und
charakteristische Eigenart der Umgebung und
so reiche Ströme ästhetischer Lust ins Leben
tragen. Es entsteht auf diese Weise eine Art
„Kleinkunst", die sich nur an einen kleinen
Kreis wendet und gar nicht allzu hohe An-
sprüche stellt, aber den Alltag verklärt und ver-
schönt, wie der wilde, sich rankende Wein die
grauen Wände eines Hauses. Und hier und da
wird doch aus diesen bescheidenen Blüten auch
eine sich strahlend erheben, deren Schönheit
über den Zaun des Gärtchens reicht, dem sie
entsprossen. Sie gehört dann der ganzen Welt
und ist wohl die edelste Frucht der „Heimat-
kunst", gerade weil sie die engen Fesseln der
Heimat sprengt, und doch ein Stück Heimat in
sich birgt. Dies ist der Sinn, in dem ich eine
„Heimatkunst" warm befürworte und ihr kräf-
tigstes Gedeihen von Herzen wünsche. —

BRIEFSIGNET
 
Annotationen