Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 27.1910-1911

DOI Artikel:
Schmid, Max: Wettbewerb für das Bismarck-National-Denkmal
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7379#0458

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Wettbewerb für das Bismarck-National-Denkmal.

den, warum sie wider Erwarten nicht in erster
Linie unter den Preisgekrönten erscheinen, muß
bei anderer Gelegenheit an der Hand reichen
Abbildungsmaterials nachgegangen werden.
Angekauft wurden außerdem die Entwürfe von
Kirchbauer und C. Burger-Aachen, Pech-
stein, H. Schmidt und Wünsche in Berlin,
Baumgarten und Amberg in Berlin.

Daß viele, die zu den Besten in der deutschen
Künstlerschaft zählen, hier erfolglos mitge-
kämpft, ist bekannt. Bei Eröffnung der Aus-
stellung am 11. Februar sollen ihre Namen, so-
weit jene beistimmen, genannt werden — denn
in solchem Kampfe mitgestritten zu haben, ist
in jedem Falle rühmlich, auch für den Unter-
legenen. Die öffentliche Ausstellung wird auch
Gelegenheit bieten, den Vorzügen dieser Werke
noch gerecht zu werden. it. sch.

£

Nachdem im vorstehenden die Gesichts-
punkte, die bei der Preisverteilung maß-
gebend waren, von einem Mitgliede der Jury dar-
gelegt sind, mögen, um den Streit der Meinun-
gen zu kennzeichnen, noch einige Abschnitte
aus den Äußerungen der Kunstreferenten zweier
angesehenen Tagesblätter Aufnahme finden.

Dr. Fritz Stahl-Berlin schreibt im „Ber-
liner Tageblatt" u. a. folgendes:

„Der Gedanke, dem großen Kanzler am
Rhein ein Denkmal zu errichten, erscheint so
selbstverständlich, die Aufgabe, die damit der
deutschen Kunst gestellt wurde, ist so groß
und fördernd, daß die verhältnismäßig geringe
Anteilnahme der Nation an dieser Angelegen-
heit auffallen muß. Sie wird dadurch bewiesen,
daß trotz der großen Propaganda die Mittel für
dieses Monument bei weitem noch nicht zu-
sammengebracht worden sind. Nur die Wer-
bekraft eines schönen Entwurfes wird
das noch ändern können.

Einen solchen Entwurf hat die erste Kon-
kurrenz nicht gebracht. Es gibt zwar noch
kein Bismarckmonument, das offiziell den Na-
men eines Nationaldenkmals führt, den die Ur-
heber dieses Planes gewählt haben. Aber Hugo
Lederers Hamburger Bildsäule hat sich, ohne
ernannt zu sein, diese Stellung errungen. Und
kein Werk wird sie aus ihr verdrängen, das sie
nicht übertrifft, das nicht wenigstens neben ihr
bestehen kann. Mit diesem Maßstab muß man
also messen.

Der Gesamteindruck der Konkur-
renz-Entwürfe ist schlecht; die Ab-
lehnung steigert sich b ei wiederhol-
ter Betrachtung bis zum Ekel. Der
gute Geschmack, nein, schon der gesunde
Menschenverstand wird auf Schritt und Tritt

schwer beleidigt. Das ist nicht mehr Verehrung,
das istVergötzung, was hier von Hunder-
ten mit dem Helden getrieben wird. Und es
ist unmöglich, dieses schwüle Pathos auch nur
für ehrlich zu halten. In den meisten Fällen
wenigstens handelt es sich um denselben kalten
Wahnsinn, dem wir auch sonst in der Kunst
von heute oft begegnen.

Von der Pyramide und dem Obelisken über
die orientalische Grabmoschee, den antiken
Tempel und die Kirche aller Stile bis zum mo-
dernen Wasserturm gibt es keine monumentale
Bauform, mit der es nicht jemand versucht
hätte. Es ist eine wahre Orgie polytechnischer
Architektur. Und die Bildhauer? Der Aus-
gangspunkt ist zumeist Lederers Bismarck.
Fast alle sind sie von diesem Bilde besessen.
Die einen machen es nach, die andern suchen
es zu vermeiden und zu übertrumpfen. Dazu
brauchen sie andere Muster kolossaler Plastik;
urchaldäische Sitzbilder, ägyptische Pharaonen
und Sphinxe, chinesische Buddhas. Armer
Bismarck! Oder sie stellen ihn auf irgend ein
Vieh. Oder sie bauen ihn als Turm. Man
könnte Seiten mit der Aufzählung der greulich-
sten Verzerrungen füllen. Es ist so schlimm,
daß man jede menschliche Darstellung des Hel-
den, selbst eine konventionelle, aufatmend,
wie das erlösende Aufwachen aus einem schlech-
ten Traume begrüßt.

Der begreifliche Widerwillen gegen das ganze
kolossalische Getue führte die Jury zu einer
prinzipiellen Ablehnung, zu der in einzelnen
Fällen, wo es sich um talentvolle Leistungen
handelte, die Überschreitung der Mittel über-
dies gezwungen haben mag.

Sie hat, wenigstens mit den Hauptpreisen,
nur solche Entwürfe gekrönt, die sich in maß-
voller Größe und in anständigen Formen be-
wegen. Alle haben bei sonst oft unbestreitbaren
Vorzügen den Fehler, daß sie keine Beziehung
zu dem Platz, der Landschaft, dem Helden haben,
irgendwo für irgendwen errichtet werden könn-
ten oder--nirgends und für keinen passen

würden. Riemerschmids Rundbau, mit den ba-
rocken Voluten und der grünen Kuppel, ist aus-
gesprochen Münchnerisch. Der Fischer-Kniebe-
sche antike Tempel wäre vielleicht am Golf von
Neapel an seiner Stelle. Der runde Brunnenhof
mit der doppelten Säulenreihe von Kurz-Bleeker
paßt nur auf eine flache Terrasse und wird nur
oben wirken. Dasselbe gilt von dem Pfeilerrund
Hermann Hahns mit dem Jungsiegfried, das den
ersten Preis erhalten hat, und dessen Vorzüge
ich zu würdigen weiß. Bleibt nur Brantzkys
Entwurf, dessen Unterbau ein großes Relief
Bismarcks als Panzerreiter zeigt, und das mit

443
 
Annotationen