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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 27.1910-1911

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Schmid, Max: Wettbewerb für das Bismarck-National-Denkmal
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https://doi.org/10.11588/diglit.7379#0459

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Wettbewerb für das Bismarck-National-Denkmal.

diesem Unterbau die Form des Hügels ausnützt
und mit diesem Relief die Bestimmung des Mo-
numentes anzeigt. Aber, selbst wenn das Relief
viel besser wird, als es ist, und auch der Säulen-
bau, in dem übrigens noch ein Bismarck steht,
charaktervoller durchgebildet wird, mehr als
gutes Mittelmaß kann das Ganze auch nie sein.

Für heute ist es wichtig, zu fragen, was nun
weiter für die Sache des Bismarck am Rhein
geschehen soll. Daß die Prämiierung dieser
Entwürfe praktische Konsequenzen hat, halte
ich für ausgeschlossen. Aber die Konkur-
renz, die dem Komitee hunderttausend Mark
und den beteiligten Künstlern vielleicht mehr
als eine Million kostet, hat doch die Frage
wenigstens geklärt.

Ich meine, das Komitee müßte nun zuerst
noch einmal die Platzfrage erörtern.
Vielleicht kommt es dann zu dem Resultat,
einen anderen zu wählen, was am besten
durch eine Künstlerkommission geschehen
würde. Dann müßte eine engere Konkurrenz
zwischen den Urhebern der talentvollsten Ar-
beiten den endgültigen Entwurf schaffen, den
Entwurf, der genug Werbekraft hat, um
die Angelegenheit dieses Denkmals wirk-
lich zu einer nationalen zu machen. Wer
ein Freund der Denkmalsidee ist, muß
geradezu davor warnen, mit einer Aus-
stellung der diesmal preisgekrönten
Entwürfe in deutschen Städten eine
Propaganda machen zu wollen, wie das
geplant war. Das würde der Sache nicht
nützen." »berliner Tageblatt«, frit/. stahl.

Dr. Max Osborn-Berlin äußert sich in der
„B. Z. am Mittag" u. a. wie folgt:

„Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß es keine
leichte Arbeit ist, aus Hunderten von Ent-
würfen das Richtige oder auch nur das relativ
Beste herauszufischen, und wer in die endlose
Flut der Zeichnungen, Grundrisse, Pläne und
Modelle getaucht ist, die im Düsseldorfer Kunst-
palast nicht weniger als 64 Säle füllen, wer all
die wüste Verstiegenheit, den Dilettantismus,
den Wahnwitz durchwandert hat, der sich hier
breit macht, wird verstehen, daß die Juroren
diesmal besonders saure Arbeit hatten. Aber
es handelt sich nicht etwa um einzelne Fehl-
griffe, über die niemand zetern würde, sondern
um das sonderbare und falsche Prinzip, dem das
Preisgericht gefolgt ist [. . . etwas möglichst
Leichtes, Nichtwuchtiges auszuwählen].

So kam die Jury auf den für mich unver-
ständlichen Gedanken, den Entwurf Hermann
Hahns in München mit dem stolzen ersten
Preise zu krönen. Ich verehre und liebe Hahn,

aber was er hier in Vorschlag bringt, ist einfach
unmöglich. Er modellierte eine halbnackte
Jung-Siegfried-Gestalt, die den rechten Fuß
auf einen Block setzt und mit den Händen ein
Schwert auf seine Schärfe prüft. Und ringsum
ließ er sich von dem Architekten Hermann
Bestelmeyer einen Pfeilerrundgang bauen.
Zwischen dieser Umrahmung und der Figur
sollen große Bäume angepflanzt werden. Das
Ganze ist leicht, spielerisch, fast zierlich. Ein
Bismarckdenkmal, dessen Hauptmotiv nicht
Kraft, sondern — Eleganz ist! Wie eine Osteria
müßte es sich den Rheinfahrern drunten prä-
sentieren.

Aber die Jury hat sich nicht damit begnügt,
ihr anfechtbares Prinzip in diesem einen Falle
zu befolgen. Sie hat es sich bei allen anderen
Preisen, bei fast sämtlichen „Ankäufen" und
„Entschädigungen" zur Richtschnur genommen.
Und darin liegt eine Ungerechtigkeit. Sie hat
z. B. mit Bedacht die prachtvollen Architektur-
werke, die man als Werke von Bruno Schmitz
und von Leder er erkennt, umgangen. Sie hat
sich zu den ausgezeichneten Vorschlägen von
Wilhelm Kreis, der eine ganze Reihe von Zeich-
nungen eingesandt hat, so verhalten, daß sie da-
von — einen Entwurf „ankaufte" ; Das ist
fast kränkend. Es herrschte also die ausge-
sprochene Absicht, die eigene und kraftvolle
architektonische Monumentalsprache, die sich
in Deutschland zu unserer Freude immer schö-
ner und freier entwickelt hat, bei dieser Auf-
gabe nicht zu Worte kommen zu lassen, ihr auch
nicht in zweiter und dritter Reihe einen Platz
anzubieten. Man muß sich wohl vorstellen, daß
die Juroren durch die ungeheuren, fratzenhaften
Götzenbilder, die in Massen aufmarschierten,
wütend gemacht wurden und nun die Reaktion er-
lebten, daß sie nur das Leise und Zurück-
haltende als geschmackvoll empfanden.
Aber daß sie in solcher Stimmung einem bieder-
meierisch - gräzisierenden Tempelchen , einem
Landhäuschen, einem gleichgültigen Türmchen
usw. Preise und Ehrungen verliehen, bleibt
gleichwohl unbegreiflich.

Nein, hier muß ein ganz anderer Ton ange-
schlagen werden! Nicht subtile Feinheit
des Geschmacks, sondern gehaltene Kraft
muß hier siegen. Ein Werk, das ohne billige
„Volkstümlichkeit" sich ohne weiteres der Na-
tion einprägt als Sinnbild des gewaltigen Lebens-
werkes, das dadurch gefeiert werden soll. Hier-
zu aber ist bisher noch nicht ein Anfang ge-
macht, noch nicht einmal ein Weg gefunden!

»b. z. am mittag«. max osborn.

Weitere Berichterstattung muß dem nächsten
Hefte vorbehalten werden. die schriftleitung.

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